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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Schottland, Jrland diese Dinge sich in jenem buntscheckigen
Gewirre von Jnstitutionen verstecken, welches einen Charakterzug
englischen Staatslebens bildet. Das Prüfungswesen wird nicht,
wie in Deutschland, von gleichartigen staatlichen Organen ge-
handhabt, sondern von Corporationen, deren Prüfungszeugnisse
oder akademische Grade seitens des Staates die Anerkennung
genießen, daß sie behufs Zulassung zum ärztlichen Berufe ge-
braucht werden dürfen, - von Corporationen, deren Studien-
einrichtungen und Zeugnisse (Grade) mit einander theils con-
curriren, theils einander ergänzen, und das letztere wiederum
theils im Dienste des eigentlichen Studienbedürfnisses, theils
im Dienste der üblichen Titel und Würden.

Gehen wir, um an den gewöhnlichen deutschen Vor-
stellungskreis anzuknüpfen, von den Universitäten aus, so tritt
uns die Verschiedenheit gegen unsere heimischen Einrichtungen
gleich dadurch entgegen, daß eine Universität für englische Be-
griffe vor allem eine Prüfungsanstalt ist, welche öffentlich an-
erkannte Grade ertheilt. Dies gilt auch für das medicinische
Studium, ja für dieses ganz besonders, weil die Ertheilung
von akademischen Graden und die zureichenden Einrichtungen
für das Berufsstudium hierbei mehr als sonst auseinanderfallen.
Zum mindesten ist das, was die beiden Universitäten Englands
(anders in Schottland) für diesen Zweck besitzen, nicht zu ver-
gleichen mit den Kliniken und dem klinischen Unterricht deutscher
Universitäten.

Der Schwerpunkt des klinischen Unterrichts ruht für Eng-
land bei den großen Hospitälern von London, die herkömmlich
ihre Medicinschulen halten. So liegt vor mir das Studien-
programm von Guy's Medical School, die sich an das seit
1725 durch die Stiftung von Thomas Guy bestehende, gegen-
wärtig mehr als fünfhundert Betten enthaltende Guy's Hospital

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Schottland, Jrland diese Dinge sich in jenem buntscheckigen
Gewirre von Jnstitutionen verstecken, welches einen Charakterzug
englischen Staatslebens bildet. Das Prüfungswesen wird nicht,
wie in Deutschland, von gleichartigen staatlichen Organen ge-
handhabt, sondern von Corporationen, deren Prüfungszeugnisse
oder akademische Grade seitens des Staates die Anerkennung
genießen, daß sie behufs Zulassung zum ärztlichen Berufe ge-
braucht werden dürfen, – von Corporationen, deren Studien-
einrichtungen und Zeugnisse (Grade) mit einander theils con-
curriren, theils einander ergänzen, und das letztere wiederum
theils im Dienste des eigentlichen Studienbedürfnisses, theils
im Dienste der üblichen Titel und Würden.

Gehen wir, um an den gewöhnlichen deutschen Vor-
stellungskreis anzuknüpfen, von den Universitäten aus, so tritt
uns die Verschiedenheit gegen unsere heimischen Einrichtungen
gleich dadurch entgegen, daß eine Universität für englische Be-
griffe vor allem eine Prüfungsanstalt ist, welche öffentlich an-
erkannte Grade ertheilt. Dies gilt auch für das medicinische
Studium, ja für dieses ganz besonders, weil die Ertheilung
von akademischen Graden und die zureichenden Einrichtungen
für das Berufsstudium hierbei mehr als sonst auseinanderfallen.
Zum mindesten ist das, was die beiden Universitäten Englands
(anders in Schottland) für diesen Zweck besitzen, nicht zu ver-
gleichen mit den Kliniken und dem klinischen Unterricht deutscher
Universitäten.

Der Schwerpunkt des klinischen Unterrichts ruht für Eng-
land bei den großen Hospitälern von London, die herkömmlich
ihre Medicinschulen halten. So liegt vor mir das Studien-
programm von Guy’s Medical School, die sich an das seit
1725 durch die Stiftung von Thomas Guy bestehende, gegen-
wärtig mehr als fünfhundert Betten enthaltende Guy's Hospital

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[179/0195] Schottland, Jrland diese Dinge sich in jenem buntscheckigen Gewirre von Jnstitutionen verstecken, welches einen Charakterzug englischen Staatslebens bildet. Das Prüfungswesen wird nicht, wie in Deutschland, von gleichartigen staatlichen Organen ge- handhabt, sondern von Corporationen, deren Prüfungszeugnisse oder akademische Grade seitens des Staates die Anerkennung genießen, daß sie behufs Zulassung zum ärztlichen Berufe ge- braucht werden dürfen, – von Corporationen, deren Studien- einrichtungen und Zeugnisse (Grade) mit einander theils con- curriren, theils einander ergänzen, und das letztere wiederum theils im Dienste des eigentlichen Studienbedürfnisses, theils im Dienste der üblichen Titel und Würden. Gehen wir, um an den gewöhnlichen deutschen Vor- stellungskreis anzuknüpfen, von den Universitäten aus, so tritt uns die Verschiedenheit gegen unsere heimischen Einrichtungen gleich dadurch entgegen, daß eine Universität für englische Be- griffe vor allem eine Prüfungsanstalt ist, welche öffentlich an- erkannte Grade ertheilt. Dies gilt auch für das medicinische Studium, ja für dieses ganz besonders, weil die Ertheilung von akademischen Graden und die zureichenden Einrichtungen für das Berufsstudium hierbei mehr als sonst auseinanderfallen. Zum mindesten ist das, was die beiden Universitäten Englands (anders in Schottland) für diesen Zweck besitzen, nicht zu ver- gleichen mit den Kliniken und dem klinischen Unterricht deutscher Universitäten. Der Schwerpunkt des klinischen Unterrichts ruht für Eng- land bei den großen Hospitälern von London, die herkömmlich ihre Medicinschulen halten. So liegt vor mir das Studien- programm von Guy’s Medical School, die sich an das seit 1725 durch die Stiftung von Thomas Guy bestehende, gegen- wärtig mehr als fünfhundert Betten enthaltende Guy's Hospital 12*

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/195>, abgerufen am 19.04.2024.