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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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angewiesen, wie wir sie eben genannt haben. Nicht nur die
alten Universitäten, sondern auch die (oben erwähnten) privi-
legirten Corporationen der Aerzte und der Chirurgen haben sich
bisher geweigert, Frauen zuzulassen, obwohl die Aussichten für die
Zukunft sich zu bessern scheinen, wie denn nur im Januar d. J.
die letztere Corporation eine günstige (aber noch nicht ent-
scheidende) Abstimmung vollzogen hat.*)

Jnmitten solcher Schwierigkeiten ist die Sache tapfer vor-
wärts gegangen. Die erste Dame, welche in Amerika und
England die Bahn gebrochen hat, Elizabeth Blackwell, hat
neulich die Autobiographie ihres langen thätigen Lebens er-
zählt.**) Sie setzte es nach manchen Hindernissen durch, daß
sie im Medical Collegevon Ohio studirte und Januar 1849
hier das Diplom eines Doctors der Medicin erwarb. Jm
Jahre 1858 wurde sie in England vom Medical Council als
englischer Arzt registrirt. Dazwischen studirte sie in Paris und
London, praktisirte in New York. Endlich 1869 erfüllte sie
den Wunsch ihres Herzens und ließ sich als Aerztin in London
nieder, wo sie, wie zuvor schon in New York, Großes für die
Herrichtung von weiblichen Hospitälern und des ärztlichen
Studiums für Frauen leistete, ja selber den Lehrstuhl für
Gynäkologie einnahm.

Heute gibt es gegen 300 (nach dem Stande des Jahres
1895: 260) weibliche Aerzte, die in Großbritannien concessionirt

*) Vergl. Englishwoman's Review, Jan. 1896 p. 41.
**) Pioneer Work in opening the medical profession to women.
Autobiographical sketches by Dr. Elizabeth Blackwell. London 1895
.
Vergl. The Englishwoman`s Review, April 15, 1896 p. 122 ff.. Auch
Helene Lange, Die erste Aerztin der Welt, in ihrer Monatsschrift "Die
Frau", Juni 1896 (mit Porträt).

angewiesen, wie wir sie eben genannt haben. Nicht nur die
alten Universitäten, sondern auch die (oben erwähnten) privi-
legirten Corporationen der Aerzte und der Chirurgen haben sich
bisher geweigert, Frauen zuzulassen, obwohl die Aussichten für die
Zukunft sich zu bessern scheinen, wie denn nur im Januar d. J.
die letztere Corporation eine günstige (aber noch nicht ent-
scheidende) Abstimmung vollzogen hat.*)

Jnmitten solcher Schwierigkeiten ist die Sache tapfer vor-
wärts gegangen. Die erste Dame, welche in Amerika und
England die Bahn gebrochen hat, Elizabeth Blackwell, hat
neulich die Autobiographie ihres langen thätigen Lebens er-
zählt.**) Sie setzte es nach manchen Hindernissen durch, daß
sie im Medical Collegevon Ohio studirte und Januar 1849
hier das Diplom eines Doctors der Medicin erwarb. Jm
Jahre 1858 wurde sie in England vom Medical Council als
englischer Arzt registrirt. Dazwischen studirte sie in Paris und
London, praktisirte in New York. Endlich 1869 erfüllte sie
den Wunsch ihres Herzens und ließ sich als Aerztin in London
nieder, wo sie, wie zuvor schon in New York, Großes für die
Herrichtung von weiblichen Hospitälern und des ärztlichen
Studiums für Frauen leistete, ja selber den Lehrstuhl für
Gynäkologie einnahm.

Heute gibt es gegen 300 (nach dem Stande des Jahres
1895: 260) weibliche Aerzte, die in Großbritannien concessionirt

*) Vergl. Englishwoman’s Review, Jan. 1896 p. 41.
**) Pioneer Work in opening the medical profession to women.
Autobiographical sketches by Dr. Elizabeth Blackwell. London 1895
.
Vergl. The Englishwoman`s Review, April 15, 1896 p. 122 ff.. Auch
Helene Lange, Die erste Aerztin der Welt, in ihrer Monatsschrift „Die
Frau“, Juni 1896 (mit Porträt).
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[185/0201] angewiesen, wie wir sie eben genannt haben. Nicht nur die alten Universitäten, sondern auch die (oben erwähnten) privi- legirten Corporationen der Aerzte und der Chirurgen haben sich bisher geweigert, Frauen zuzulassen, obwohl die Aussichten für die Zukunft sich zu bessern scheinen, wie denn nur im Januar d. J. die letztere Corporation eine günstige (aber noch nicht ent- scheidende) Abstimmung vollzogen hat. *) Jnmitten solcher Schwierigkeiten ist die Sache tapfer vor- wärts gegangen. Die erste Dame, welche in Amerika und England die Bahn gebrochen hat, Elizabeth Blackwell, hat neulich die Autobiographie ihres langen thätigen Lebens er- zählt. **) Sie setzte es nach manchen Hindernissen durch, daß sie im Medical Collegevon Ohio studirte und Januar 1849 hier das Diplom eines Doctors der Medicin erwarb. Jm Jahre 1858 wurde sie in England vom Medical Council als englischer Arzt registrirt. Dazwischen studirte sie in Paris und London, praktisirte in New York. Endlich 1869 erfüllte sie den Wunsch ihres Herzens und ließ sich als Aerztin in London nieder, wo sie, wie zuvor schon in New York, Großes für die Herrichtung von weiblichen Hospitälern und des ärztlichen Studiums für Frauen leistete, ja selber den Lehrstuhl für Gynäkologie einnahm. Heute gibt es gegen 300 (nach dem Stande des Jahres 1895: 260) weibliche Aerzte, die in Großbritannien concessionirt *) Vergl. Englishwoman’s Review, Jan. 1896 p. 41. **) Pioneer Work in opening the medical profession to women. Autobiographical sketches by Dr. Elizabeth Blackwell. London 1895. Vergl. The Englishwoman`s Review, April 15, 1896 p. 122 ff.. Auch Helene Lange, Die erste Aerztin der Welt, in ihrer Monatsschrift „Die Frau“, Juni 1896 (mit Porträt).

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 185. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/201>, abgerufen am 25.04.2024.