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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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brechungen aus mancherlei Gründen (zumal wohl politischen)
haben diese Frauencurse fortbestanden. Drittens endlich sind,
im besonderen Hinblick auf den ärztlichen Beruf, Jnstitute ge-
schaffen worden, namentlich bestanden seit dem Jahr 1872
bei dem Nicolai-Kriegshospital Curse für weibliche Aerzte.
Diese wurden durch kaiserlichen Befehl am 5. August 1882
aufgehoben. Nach dreizehnjähriger Unterbrechung ist durch Be-
schluß des Reichsrathes im Juli 1895 ein ähnliches Jn-
stitut geplant worden. Unter Ablehnung des Begehrens nach
einem Studium des weiblichen Geschlechts an den bestehenden
medicinischen Facultäten ist dieses eine Jnstitut in Petersburg
begründet worden hauptsächlich im Hinblick auf die weibliche
Behandlung von Frauen- und Kinderkrankheiten. Die Zahl
der Studirenden wird durch den Minister festgestellt; die Auf-
nahme ist an christliches Bekenntniß gebunden, an das Lebens-
alter zwischen zwanzig und fünfunddreißig Jahren, endlich an
das Reifezeugniß eines weiblichen Gymnasiums. Der Cursus
ist vier- bis fünfjährig. Diejenigen Hörerinnen, die nicht bei
nahen Verwandten wohnen, müssen in dem zum Jnstitute ge-
hörigen Jnternate leben. Jm Laufe des Jahres 1897, nachdem
die Bauten vollendet sind, soll die neue Hochschule eröffnet
werden. Jn Aussicht genommen ist im Anschluß an dieses
Jnstitut eine pharmaceutische Schule für Frauen.

Während (aus wohlbekannten Gründen) von einer Selbst-
ständigkeit derselben nach der Weise der amerikanischen Hoch-
schulen überhaupt nicht die Rede sein kann, sind doch die
financiellen Mittel zum erheblichen Theile aus nichtstaatlichen
Quellen aufgebracht. Freunde des Frauenstudiums haben eine
Summe von reichlich einer Million Mark gesammelt; ferner
sind Jahresbeiträge in Höhe von 65000 Mark zugesichert
(davon etwa die Hälfte von der Stadt Petersburg). Jm Jahre

brechungen aus mancherlei Gründen (zumal wohl politischen)
haben diese Frauencurse fortbestanden. Drittens endlich sind,
im besonderen Hinblick auf den ärztlichen Beruf, Jnstitute ge-
schaffen worden, namentlich bestanden seit dem Jahr 1872
bei dem Nicolai-Kriegshospital Curse für weibliche Aerzte.
Diese wurden durch kaiserlichen Befehl am 5. August 1882
aufgehoben. Nach dreizehnjähriger Unterbrechung ist durch Be-
schluß des Reichsrathes im Juli 1895 ein ähnliches Jn-
stitut geplant worden. Unter Ablehnung des Begehrens nach
einem Studium des weiblichen Geschlechts an den bestehenden
medicinischen Facultäten ist dieses eine Jnstitut in Petersburg
begründet worden hauptsächlich im Hinblick auf die weibliche
Behandlung von Frauen- und Kinderkrankheiten. Die Zahl
der Studirenden wird durch den Minister festgestellt; die Auf-
nahme ist an christliches Bekenntniß gebunden, an das Lebens-
alter zwischen zwanzig und fünfunddreißig Jahren, endlich an
das Reifezeugniß eines weiblichen Gymnasiums. Der Cursus
ist vier- bis fünfjährig. Diejenigen Hörerinnen, die nicht bei
nahen Verwandten wohnen, müssen in dem zum Jnstitute ge-
hörigen Jnternate leben. Jm Laufe des Jahres 1897, nachdem
die Bauten vollendet sind, soll die neue Hochschule eröffnet
werden. Jn Aussicht genommen ist im Anschluß an dieses
Jnstitut eine pharmaceutische Schule für Frauen.

Während (aus wohlbekannten Gründen) von einer Selbst-
ständigkeit derselben nach der Weise der amerikanischen Hoch-
schulen überhaupt nicht die Rede sein kann, sind doch die
financiellen Mittel zum erheblichen Theile aus nichtstaatlichen
Quellen aufgebracht. Freunde des Frauenstudiums haben eine
Summe von reichlich einer Million Mark gesammelt; ferner
sind Jahresbeiträge in Höhe von 65000 Mark zugesichert
(davon etwa die Hälfte von der Stadt Petersburg). Jm Jahre

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[197/0213] brechungen aus mancherlei Gründen (zumal wohl politischen) haben diese Frauencurse fortbestanden. Drittens endlich sind, im besonderen Hinblick auf den ärztlichen Beruf, Jnstitute ge- schaffen worden, namentlich bestanden seit dem Jahr 1872 bei dem Nicolai-Kriegshospital Curse für weibliche Aerzte. Diese wurden durch kaiserlichen Befehl am 5. August 1882 aufgehoben. Nach dreizehnjähriger Unterbrechung ist durch Be- schluß des Reichsrathes im Juli 1895 ein ähnliches Jn- stitut geplant worden. Unter Ablehnung des Begehrens nach einem Studium des weiblichen Geschlechts an den bestehenden medicinischen Facultäten ist dieses eine Jnstitut in Petersburg begründet worden hauptsächlich im Hinblick auf die weibliche Behandlung von Frauen- und Kinderkrankheiten. Die Zahl der Studirenden wird durch den Minister festgestellt; die Auf- nahme ist an christliches Bekenntniß gebunden, an das Lebens- alter zwischen zwanzig und fünfunddreißig Jahren, endlich an das Reifezeugniß eines weiblichen Gymnasiums. Der Cursus ist vier- bis fünfjährig. Diejenigen Hörerinnen, die nicht bei nahen Verwandten wohnen, müssen in dem zum Jnstitute ge- hörigen Jnternate leben. Jm Laufe des Jahres 1897, nachdem die Bauten vollendet sind, soll die neue Hochschule eröffnet werden. Jn Aussicht genommen ist im Anschluß an dieses Jnstitut eine pharmaceutische Schule für Frauen. Während (aus wohlbekannten Gründen) von einer Selbst- ständigkeit derselben nach der Weise der amerikanischen Hoch- schulen überhaupt nicht die Rede sein kann, sind doch die financiellen Mittel zum erheblichen Theile aus nichtstaatlichen Quellen aufgebracht. Freunde des Frauenstudiums haben eine Summe von reichlich einer Million Mark gesammelt; ferner sind Jahresbeiträge in Höhe von 65000 Mark zugesichert (davon etwa die Hälfte von der Stadt Petersburg). Jm Jahre

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/213>, abgerufen am 24.04.2024.