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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Eigenschaft Derartiges zu thun, habe ich eine Collision der
Oeffentlichkeit mit diesen Pflichten zu vermeiden, wie es übrigens
in den vorausgegangenen Blättern geschehen ist. Derartige
Einzelheiten sind auch nicht der wesentliche Zweck, um dessen-
willen ich schreibe. Für diesen Zweck ist es nicht erheblich, ob
die Angelegenheit ein paar Jahre später oder früher ihre Lösung
findet, ob die Modalitäten der Reform sich so oder so an den
bisherigen Zustand unserer Universitätsstudien anschließen.

Was mich an der Sache vorzugsweise reizt, was mir die
Feder in die Hand gedrückt, ist die Feststellung eines Cultur-
fortschrittes in seinem Zusammenhange mit der internationalen
Gemeinschaft der Gegenwart, in seiner Begründung durch äußere
und innere Nothwendigkeiten, in seiner Bedeutung für die Ver-
besserung des Lebens. An solchem Maßstabe gemessen, ist es
auch nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich wichtig
und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde Vorliebe etwa
für die Förderung des Frauenstudiums, keine Vorliebe, welche
die unvermeidlichen Schwierigkeiten und Schattenseiten der Ein-
bürgerung des Neuen verkennt - es ist der Geist eines neuen
Zeitalters, der zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, daß
es unmöglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschließen.
Das Culturgesetz, daß man nicht zurückbleiben darf, wo die
ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloß für Panzerschiffe und
Schießgewehre, nicht bloß für Eisenbahnen und Telephone, es
gilt auch für das geistige Leben und die Entwickelung der
geistigen Gaben.

Wie immer, so sind es namentlich in diesem Falle blen-
dende Vorurtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be-
stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Entrüstung
waffnen, wo sie vielmehr in sittlicher Beschämung verstummen
sollten. Wie so oft haben die Gänse wieder einmal das Capitol

Eigenschaft Derartiges zu thun, habe ich eine Collision der
Oeffentlichkeit mit diesen Pflichten zu vermeiden, wie es übrigens
in den vorausgegangenen Blättern geschehen ist. Derartige
Einzelheiten sind auch nicht der wesentliche Zweck, um dessen-
willen ich schreibe. Für diesen Zweck ist es nicht erheblich, ob
die Angelegenheit ein paar Jahre später oder früher ihre Lösung
findet, ob die Modalitäten der Reform sich so oder so an den
bisherigen Zustand unserer Universitätsstudien anschließen.

Was mich an der Sache vorzugsweise reizt, was mir die
Feder in die Hand gedrückt, ist die Feststellung eines Cultur-
fortschrittes in seinem Zusammenhange mit der internationalen
Gemeinschaft der Gegenwart, in seiner Begründung durch äußere
und innere Nothwendigkeiten, in seiner Bedeutung für die Ver-
besserung des Lebens. An solchem Maßstabe gemessen, ist es
auch nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich wichtig
und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde Vorliebe etwa
für die Förderung des Frauenstudiums, keine Vorliebe, welche
die unvermeidlichen Schwierigkeiten und Schattenseiten der Ein-
bürgerung des Neuen verkennt – es ist der Geist eines neuen
Zeitalters, der zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, daß
es unmöglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschließen.
Das Culturgesetz, daß man nicht zurückbleiben darf, wo die
ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloß für Panzerschiffe und
Schießgewehre, nicht bloß für Eisenbahnen und Telephone, es
gilt auch für das geistige Leben und die Entwickelung der
geistigen Gaben.

Wie immer, so sind es namentlich in diesem Falle blen-
dende Vorurtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be-
stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Entrüstung
waffnen, wo sie vielmehr in sittlicher Beschämung verstummen
sollten. Wie so oft haben die Gänse wieder einmal das Capitol

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[213/0229] Eigenschaft Derartiges zu thun, habe ich eine Collision der Oeffentlichkeit mit diesen Pflichten zu vermeiden, wie es übrigens in den vorausgegangenen Blättern geschehen ist. Derartige Einzelheiten sind auch nicht der wesentliche Zweck, um dessen- willen ich schreibe. Für diesen Zweck ist es nicht erheblich, ob die Angelegenheit ein paar Jahre später oder früher ihre Lösung findet, ob die Modalitäten der Reform sich so oder so an den bisherigen Zustand unserer Universitätsstudien anschließen. Was mich an der Sache vorzugsweise reizt, was mir die Feder in die Hand gedrückt, ist die Feststellung eines Cultur- fortschrittes in seinem Zusammenhange mit der internationalen Gemeinschaft der Gegenwart, in seiner Begründung durch äußere und innere Nothwendigkeiten, in seiner Bedeutung für die Ver- besserung des Lebens. An solchem Maßstabe gemessen, ist es auch nicht die einzelne Seite des Neuen, obgleich an sich wichtig und kennzeichnend für das Ganze, keine blinde Vorliebe etwa für die Förderung des Frauenstudiums, keine Vorliebe, welche die unvermeidlichen Schwierigkeiten und Schattenseiten der Ein- bürgerung des Neuen verkennt – es ist der Geist eines neuen Zeitalters, der zu Worte gelangt, es ist die Ueberzeugung, daß es unmöglich ist, diesem Geiste die Pforten zu verschließen. Das Culturgesetz, daß man nicht zurückbleiben darf, wo die ganze Welt vorwärts geht, gilt nicht bloß für Panzerschiffe und Schießgewehre, nicht bloß für Eisenbahnen und Telephone, es gilt auch für das geistige Leben und die Entwickelung der geistigen Gaben. Wie immer, so sind es namentlich in diesem Falle blen- dende Vorurtheile, welche dem Neuen in den Weg treten, be- stechende Schlagworte, welche sich mit sittlicher Entrüstung waffnen, wo sie vielmehr in sittlicher Beschämung verstummen sollten. Wie so oft haben die Gänse wieder einmal das Capitol

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 213. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/229>, abgerufen am 24.04.2024.