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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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gefühl, um dessentwillen weibliche Aerzte verlangt werden, ein
gemeinsames Studium der Medicin für beide Geschlechter ver-
biete; man müßte also Parallelinstitute für weibliche Studirende
der Medicin schaffen, die wiederum unverhältnißmäßige Kosten
verursachen würden. Der Unterrichtsminister knüpfte an diese
Darlegungen an und trat noch bestimmter den Wünschen der
Commission entgegen, die das medicinische Frauenstudium be-
günstigten. Dagegen traten mehrere Abgeordnete warm für
die Sache ein.

Jn der badischen Kammer war der Erfolg der Petition
abermals ein größerer. Hier schlug die Petitionscommission
folgende Resolutionen vor, die auch im Plenum zur Annahme
gelangten: Das in der vorliegenden Petition hervortretende
Streben der Frauen nach Erweiterung ihrer Erwerbsfähigkeit,
insbesondere durch Erschließung einzelner auf wissenschaftlicher
Vorbildung beruhender Berufe, sei gerechtfertigt und erfüllbar;
keinenfalls dürfe aber der Frau ein Beruf unter leichteren Be-
dingungen zugänglich gemacht werden, als dem Manne; daher
müsse für alle gelehrten Berufe das Maturitätsexamen gefordert
werden. Zur Ablegung dieser Prüfung können Jnländerinnen
dem Examen an einem der bestehenden Gymnasien zugewiesen
werden. Dagegen sei die Schaffung von Mädchengymnasien
zur Zeit ebenso unthunlich, wie die Zuweisung von Mädchen
zum Unterricht an den bestehenden Knabengymnasien. Der
Besuch von Vorlesungen an der Universität könne auch ferner-
hin ausnahmsweise und widerruflich solchen Frauen gestattet
werden, bezüglich deren die Facultät es für zulässig erklärt.
Der Besuch der Vorlesungen sei denjenigen Jnländerinnen zu
gestatten, welche das Abiturientenexamen abgelegt haben und im
Uebrigen den für die Studirenden geltenden Erfordernissen ge-
nügen.

Cohn, Die deutsche Frauenbewegung. 3

gefühl, um dessentwillen weibliche Aerzte verlangt werden, ein
gemeinsames Studium der Medicin für beide Geschlechter ver-
biete; man müßte also Parallelinstitute für weibliche Studirende
der Medicin schaffen, die wiederum unverhältnißmäßige Kosten
verursachen würden. Der Unterrichtsminister knüpfte an diese
Darlegungen an und trat noch bestimmter den Wünschen der
Commission entgegen, die das medicinische Frauenstudium be-
günstigten. Dagegen traten mehrere Abgeordnete warm für
die Sache ein.

Jn der badischen Kammer war der Erfolg der Petition
abermals ein größerer. Hier schlug die Petitionscommission
folgende Resolutionen vor, die auch im Plenum zur Annahme
gelangten: Das in der vorliegenden Petition hervortretende
Streben der Frauen nach Erweiterung ihrer Erwerbsfähigkeit,
insbesondere durch Erschließung einzelner auf wissenschaftlicher
Vorbildung beruhender Berufe, sei gerechtfertigt und erfüllbar;
keinenfalls dürfe aber der Frau ein Beruf unter leichteren Be-
dingungen zugänglich gemacht werden, als dem Manne; daher
müsse für alle gelehrten Berufe das Maturitätsexamen gefordert
werden. Zur Ablegung dieser Prüfung können Jnländerinnen
dem Examen an einem der bestehenden Gymnasien zugewiesen
werden. Dagegen sei die Schaffung von Mädchengymnasien
zur Zeit ebenso unthunlich, wie die Zuweisung von Mädchen
zum Unterricht an den bestehenden Knabengymnasien. Der
Besuch von Vorlesungen an der Universität könne auch ferner-
hin ausnahmsweise und widerruflich solchen Frauen gestattet
werden, bezüglich deren die Facultät es für zulässig erklärt.
Der Besuch der Vorlesungen sei denjenigen Jnländerinnen zu
gestatten, welche das Abiturientenexamen abgelegt haben und im
Uebrigen den für die Studirenden geltenden Erfordernissen ge-
nügen.

Cohn, Die deutsche Frauenbewegung. 3
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[33/0049] gefühl, um dessentwillen weibliche Aerzte verlangt werden, ein gemeinsames Studium der Medicin für beide Geschlechter ver- biete; man müßte also Parallelinstitute für weibliche Studirende der Medicin schaffen, die wiederum unverhältnißmäßige Kosten verursachen würden. Der Unterrichtsminister knüpfte an diese Darlegungen an und trat noch bestimmter den Wünschen der Commission entgegen, die das medicinische Frauenstudium be- günstigten. Dagegen traten mehrere Abgeordnete warm für die Sache ein. Jn der badischen Kammer war der Erfolg der Petition abermals ein größerer. Hier schlug die Petitionscommission folgende Resolutionen vor, die auch im Plenum zur Annahme gelangten: Das in der vorliegenden Petition hervortretende Streben der Frauen nach Erweiterung ihrer Erwerbsfähigkeit, insbesondere durch Erschließung einzelner auf wissenschaftlicher Vorbildung beruhender Berufe, sei gerechtfertigt und erfüllbar; keinenfalls dürfe aber der Frau ein Beruf unter leichteren Be- dingungen zugänglich gemacht werden, als dem Manne; daher müsse für alle gelehrten Berufe das Maturitätsexamen gefordert werden. Zur Ablegung dieser Prüfung können Jnländerinnen dem Examen an einem der bestehenden Gymnasien zugewiesen werden. Dagegen sei die Schaffung von Mädchengymnasien zur Zeit ebenso unthunlich, wie die Zuweisung von Mädchen zum Unterricht an den bestehenden Knabengymnasien. Der Besuch von Vorlesungen an der Universität könne auch ferner- hin ausnahmsweise und widerruflich solchen Frauen gestattet werden, bezüglich deren die Facultät es für zulässig erklärt. Der Besuch der Vorlesungen sei denjenigen Jnländerinnen zu gestatten, welche das Abiturientenexamen abgelegt haben und im Uebrigen den für die Studirenden geltenden Erfordernissen ge- nügen. Cohn, Die deutsche Frauenbewegung. 3

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/49>, abgerufen am 23.04.2024.