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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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den Häusern der gebildeten Familien die Bedingungen fehlen.
Es soll eine sittliche und körperliche Abhärtung neben der tech-
nischen Ausbildung für den hauswirthschaftlichen Beruf und
seine verschiedenen Arten bedeuten. Das Jnstitut soll auf ge-
nossenschaftliche Arbeit gegründet, auf dem Lande gelegen, so
weit wie möglich sich selbst genügend sein durch die Arbeits-
zweige, die hier geübt und gelehrt werden. Bis auf die Ar-
beiten, zu denen männliche Muskelkraft unentbehrlich, sollen
durchaus weibliche Kräfte thätig sein; die Gesindedienste sollen
fortfallen, weil die zu erziehenden Mädchen Alles selbst zu ver-
richten haben. Der Cursus hat eine normale Dauer von zwei
Jahren. Das erste Jahr soll zur tüchtigen Hausfrau ausbilden,
das zweite Jahr für specielle weibliche Fertigkeiten. Studirte
Damen sollen den wissenschaftlichen Unterricht ertheilen, der zur
Vertiefung dieser Kenntnisse gehört. Vor Allem aber soll das
Ganze in die Luft einer ländlichen und landwirthschaftlichen
Umgebung gepflanzt werden, damit der Zusammenhang mit
der Natur, die Anschauung der ländlichen Arbeiten und des
Naturlebens wiedergewonnen werde, welche den städtischen Be-
völkerungen, zumal den Gebildeten, meist ganz verloren ge-
gangen ist. Bei den unverkennbaren Fähigkeiten, die das Weib
so oft schon gerade im landwirthschaftlichen Beruf bewiesen,
wo der Gatte, der Vater eine Lücke gelassen, wird an eine
planmäßigere Erziehung für diesen Beruf gedacht.

Der Hauptzweck in allem Einzelnen aber ist: das weib-
liche Leben ausfüllen mit einem Beruf, mit einer Pflicht, ernste
Aufgaben setzen an die Stelle von Tändelei, von Nichtsthun,
an die Stelle der Alles absorbirenden Aufgabe des neuesten
Kleiderschnitts und der neuesten Art, die Haare zu kräuseln.



den Häusern der gebildeten Familien die Bedingungen fehlen.
Es soll eine sittliche und körperliche Abhärtung neben der tech-
nischen Ausbildung für den hauswirthschaftlichen Beruf und
seine verschiedenen Arten bedeuten. Das Jnstitut soll auf ge-
nossenschaftliche Arbeit gegründet, auf dem Lande gelegen, so
weit wie möglich sich selbst genügend sein durch die Arbeits-
zweige, die hier geübt und gelehrt werden. Bis auf die Ar-
beiten, zu denen männliche Muskelkraft unentbehrlich, sollen
durchaus weibliche Kräfte thätig sein; die Gesindedienste sollen
fortfallen, weil die zu erziehenden Mädchen Alles selbst zu ver-
richten haben. Der Cursus hat eine normale Dauer von zwei
Jahren. Das erste Jahr soll zur tüchtigen Hausfrau ausbilden,
das zweite Jahr für specielle weibliche Fertigkeiten. Studirte
Damen sollen den wissenschaftlichen Unterricht ertheilen, der zur
Vertiefung dieser Kenntnisse gehört. Vor Allem aber soll das
Ganze in die Luft einer ländlichen und landwirthschaftlichen
Umgebung gepflanzt werden, damit der Zusammenhang mit
der Natur, die Anschauung der ländlichen Arbeiten und des
Naturlebens wiedergewonnen werde, welche den städtischen Be-
völkerungen, zumal den Gebildeten, meist ganz verloren ge-
gangen ist. Bei den unverkennbaren Fähigkeiten, die das Weib
so oft schon gerade im landwirthschaftlichen Beruf bewiesen,
wo der Gatte, der Vater eine Lücke gelassen, wird an eine
planmäßigere Erziehung für diesen Beruf gedacht.

Der Hauptzweck in allem Einzelnen aber ist: das weib-
liche Leben ausfüllen mit einem Beruf, mit einer Pflicht, ernste
Aufgaben setzen an die Stelle von Tändelei, von Nichtsthun,
an die Stelle der Alles absorbirenden Aufgabe des neuesten
Kleiderschnitts und der neuesten Art, die Haare zu kräuseln.



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[50/0066] den Häusern der gebildeten Familien die Bedingungen fehlen. Es soll eine sittliche und körperliche Abhärtung neben der tech- nischen Ausbildung für den hauswirthschaftlichen Beruf und seine verschiedenen Arten bedeuten. Das Jnstitut soll auf ge- nossenschaftliche Arbeit gegründet, auf dem Lande gelegen, so weit wie möglich sich selbst genügend sein durch die Arbeits- zweige, die hier geübt und gelehrt werden. Bis auf die Ar- beiten, zu denen männliche Muskelkraft unentbehrlich, sollen durchaus weibliche Kräfte thätig sein; die Gesindedienste sollen fortfallen, weil die zu erziehenden Mädchen Alles selbst zu ver- richten haben. Der Cursus hat eine normale Dauer von zwei Jahren. Das erste Jahr soll zur tüchtigen Hausfrau ausbilden, das zweite Jahr für specielle weibliche Fertigkeiten. Studirte Damen sollen den wissenschaftlichen Unterricht ertheilen, der zur Vertiefung dieser Kenntnisse gehört. Vor Allem aber soll das Ganze in die Luft einer ländlichen und landwirthschaftlichen Umgebung gepflanzt werden, damit der Zusammenhang mit der Natur, die Anschauung der ländlichen Arbeiten und des Naturlebens wiedergewonnen werde, welche den städtischen Be- völkerungen, zumal den Gebildeten, meist ganz verloren ge- gangen ist. Bei den unverkennbaren Fähigkeiten, die das Weib so oft schon gerade im landwirthschaftlichen Beruf bewiesen, wo der Gatte, der Vater eine Lücke gelassen, wird an eine planmäßigere Erziehung für diesen Beruf gedacht. Der Hauptzweck in allem Einzelnen aber ist: das weib- liche Leben ausfüllen mit einem Beruf, mit einer Pflicht, ernste Aufgaben setzen an die Stelle von Tändelei, von Nichtsthun, an die Stelle der Alles absorbirenden Aufgabe des neuesten Kleiderschnitts und der neuesten Art, die Haare zu kräuseln.

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/66>, abgerufen am 28.03.2024.