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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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die ein Einkommen zwischen 3000 und 6000 Mark jährlich
versteuern, kaum den dreißigsten Theil der ganzen preußischen
Bevölkerung beträgt. Ja, alle Einkommensteuerpflichtigen mit
einander, d. h. alle diejenigen Haushaltungen, die ein Ein-
kommen von 900 Mark und darüber versteuern, bilden nur
den dritten Theil der preußischen Bevölkerung.*)

Führt also die statistische Kritik zu einer Einschränkung
der Beschwerden hinsichtlich des Herrschaftsgebietes der eigent-
lichen Frauenfrage, so sind wir auch hinsichtlich des ersten
Beschwerdepunktes derselben von der Statistik verlassen - näm-
lich hinsichtlich der Hinausschiebung oder Unterlassung der Ehe-
schließung Seitens der Männer von heirathsfähigem Alter.

*) Ein Beispiel, wie dieses numerische Moment in der Literatur
der Frauenbewegung verdunkelt wird, zeigt statt vieler anderen die
treffliche Schrift von Frau Gnauck-Kühne über "Das Universitäts-
studium der Frauen. Ein Beitrag zur Frauenfrage" (1891). Hier
heißt es (S. 17) als Antwort an die Gegner, welche behaupten, die
Frau sei nicht zu Universitätsstudien, sondern für die Ehe bestimmt:
dieser Einwand würde erst dann ernsthaft zu nehmen sein, wenn die
Gegner eine Million heirathsfähiger und heirathswilliger Männer aus
dem Boden stampfen. Wenn wir nun bemerken, daß auf sämmtlichen
Universitäten des Deutschen Reiches zusammengenommen gegenwärtig
eine Anzahl von etwa 28000 Studirenden sich befindet, so schrumpft
die Million gar sehr zusammen, selbst wenn man über die künftige
Anzahl weiblicher Studirender die weitestgehenden Vorstellungen hat.
Die Million ist (ihrerseits willkürlich) daraus entnommen, daß es um
so viel mehr weibliche Personen als männliche im Deutschen Reiche
gibt. Thatsächlich gelangt heute von der gesammten männlichen Be-
völkerung der Reiches kaum mehr als Einer unter Hundert zum
Universitätsstudium (es gab 1882 im Reiche: 579322 Beamte, Geist-
liche, Aerzte, Lehrer u. s. w.; hiervon ist abzuziehen die große Zahl
der Nicht-Studirten, welche in diese Kategorie fallen, zumal unter den
Beamten die Subalternen und Unterbeamten).

die ein Einkommen zwischen 3000 und 6000 Mark jährlich
versteuern, kaum den dreißigsten Theil der ganzen preußischen
Bevölkerung beträgt. Ja, alle Einkommensteuerpflichtigen mit
einander, d. h. alle diejenigen Haushaltungen, die ein Ein-
kommen von 900 Mark und darüber versteuern, bilden nur
den dritten Theil der preußischen Bevölkerung.*)

Führt also die statistische Kritik zu einer Einschränkung
der Beschwerden hinsichtlich des Herrschaftsgebietes der eigent-
lichen Frauenfrage, so sind wir auch hinsichtlich des ersten
Beschwerdepunktes derselben von der Statistik verlassen – näm-
lich hinsichtlich der Hinausschiebung oder Unterlassung der Ehe-
schließung Seitens der Männer von heirathsfähigem Alter.

*) Ein Beispiel, wie dieses numerische Moment in der Literatur
der Frauenbewegung verdunkelt wird, zeigt statt vieler anderen die
treffliche Schrift von Frau Gnauck-Kühne über „Das Universitäts-
studium der Frauen. Ein Beitrag zur Frauenfrage“ (1891). Hier
heißt es (S. 17) als Antwort an die Gegner, welche behaupten, die
Frau sei nicht zu Universitätsstudien, sondern für die Ehe bestimmt:
dieser Einwand würde erst dann ernsthaft zu nehmen sein, wenn die
Gegner eine Million heirathsfähiger und heirathswilliger Männer aus
dem Boden stampfen. Wenn wir nun bemerken, daß auf sämmtlichen
Universitäten des Deutschen Reiches zusammengenommen gegenwärtig
eine Anzahl von etwa 28000 Studirenden sich befindet, so schrumpft
die Million gar sehr zusammen, selbst wenn man über die künftige
Anzahl weiblicher Studirender die weitestgehenden Vorstellungen hat.
Die Million ist (ihrerseits willkürlich) daraus entnommen, daß es um
so viel mehr weibliche Personen als männliche im Deutschen Reiche
gibt. Thatsächlich gelangt heute von der gesammten männlichen Be-
völkerung der Reiches kaum mehr als Einer unter Hundert zum
Universitätsstudium (es gab 1882 im Reiche: 579322 Beamte, Geist-
liche, Aerzte, Lehrer u. s. w.; hiervon ist abzuziehen die große Zahl
der Nicht-Studirten, welche in diese Kategorie fallen, zumal unter den
Beamten die Subalternen und Unterbeamten).
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[60/0076] die ein Einkommen zwischen 3000 und 6000 Mark jährlich versteuern, kaum den dreißigsten Theil der ganzen preußischen Bevölkerung beträgt. Ja, alle Einkommensteuerpflichtigen mit einander, d. h. alle diejenigen Haushaltungen, die ein Ein- kommen von 900 Mark und darüber versteuern, bilden nur den dritten Theil der preußischen Bevölkerung. *) Führt also die statistische Kritik zu einer Einschränkung der Beschwerden hinsichtlich des Herrschaftsgebietes der eigent- lichen Frauenfrage, so sind wir auch hinsichtlich des ersten Beschwerdepunktes derselben von der Statistik verlassen – näm- lich hinsichtlich der Hinausschiebung oder Unterlassung der Ehe- schließung Seitens der Männer von heirathsfähigem Alter. *) Ein Beispiel, wie dieses numerische Moment in der Literatur der Frauenbewegung verdunkelt wird, zeigt statt vieler anderen die treffliche Schrift von Frau Gnauck-Kühne über „Das Universitäts- studium der Frauen. Ein Beitrag zur Frauenfrage“ (1891). Hier heißt es (S. 17) als Antwort an die Gegner, welche behaupten, die Frau sei nicht zu Universitätsstudien, sondern für die Ehe bestimmt: dieser Einwand würde erst dann ernsthaft zu nehmen sein, wenn die Gegner eine Million heirathsfähiger und heirathswilliger Männer aus dem Boden stampfen. Wenn wir nun bemerken, daß auf sämmtlichen Universitäten des Deutschen Reiches zusammengenommen gegenwärtig eine Anzahl von etwa 28000 Studirenden sich befindet, so schrumpft die Million gar sehr zusammen, selbst wenn man über die künftige Anzahl weiblicher Studirender die weitestgehenden Vorstellungen hat. Die Million ist (ihrerseits willkürlich) daraus entnommen, daß es um so viel mehr weibliche Personen als männliche im Deutschen Reiche gibt. Thatsächlich gelangt heute von der gesammten männlichen Be- völkerung der Reiches kaum mehr als Einer unter Hundert zum Universitätsstudium (es gab 1882 im Reiche: 579322 Beamte, Geist- liche, Aerzte, Lehrer u. s. w.; hiervon ist abzuziehen die große Zahl der Nicht-Studirten, welche in diese Kategorie fallen, zumal unter den Beamten die Subalternen und Unterbeamten).

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2021-02-18T15:54:56Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt, Juliane Nau: Bearbeitung der digitalen Edition. (2021-02-18T15:54:56Z)

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/76>, abgerufen am 18.04.2024.