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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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III.

Ehe ich dazu übergehe, möchte ich statt mancher anderen
eine literarische Aeußerung aus den letzten Jahren erwähnen,
deren Gedankengang und Reformvorschläge sich nahe mit dem
Vorausgehenden berühren. Es ist der Aufsatz*) des Philosophen
Eduard von Hartmann über "die Jungfernfrage"**).

Hartmann sagt: "Wenn die Jungfernfrage gelöst werden
soll, so muß vor allen Dingen die Verheirathung des erwerbs-
fähigen Mannes nicht nur als sittliche Pflicht, sondern auch
als staatsbürgerliche Rechtspflicht wieder zu Ehren gebracht
werden. Wenn jeder Mann heirathet, so hört die weibliche
Concurrenz in männlichen Berufen ganz von selbst auf; dann
werden sich auch die Löhne und Gehälter wieder so stellen,
daß jeder Mann heirathen kann ... (Es) ist die Durch-
führung des Grundsatzes zu erzwingen, daß jeder erwerbsfähige
Staatsbürger die Alimentationspflicht für eine Staatsbürgerin
hat, gleichviel ob er sich zur Ehe mit ihr bequemt hat oder
nicht. Die Durchführung dieses Grundsatzes würde die Jungfern-
frage mit einem Schlage und ohne Rest lösen ..."

Gegen den naheliegenden Einwand, daß selbst die Durch-
führung dieses Grundsatzes einen Rest übrig ließe, nämlich den
Rest der "berühmten Million überschüssiger Frauen in Deutsch-
land ", bemerkt Hartmann, er entspringe aus zwei Ursachen,
die ihrerseits zu beseitigen sind, ihrerseits mit einem Schlage
und dieses Mal dann wohl unwiderruflich ohne Rest. Die

*) Tagesfragen, Leipzig 1896, VII: Die Jungfernfrage. Vgl.
daselbst S. 120 ff.
**) So nennt er die Frauenfrage aus Gründen, die seiner An-
sicht von der Frauenfrage entsprechen.
III.

Ehe ich dazu übergehe, möchte ich statt mancher anderen
eine literarische Aeußerung aus den letzten Jahren erwähnen,
deren Gedankengang und Reformvorschläge sich nahe mit dem
Vorausgehenden berühren. Es ist der Aufsatz*) des Philosophen
Eduard von Hartmann über „die Jungfernfrage“**).

Hartmann sagt: „Wenn die Jungfernfrage gelöst werden
soll, so muß vor allen Dingen die Verheirathung des erwerbs-
fähigen Mannes nicht nur als sittliche Pflicht, sondern auch
als staatsbürgerliche Rechtspflicht wieder zu Ehren gebracht
werden. Wenn jeder Mann heirathet, so hört die weibliche
Concurrenz in männlichen Berufen ganz von selbst auf; dann
werden sich auch die Löhne und Gehälter wieder so stellen,
daß jeder Mann heirathen kann … (Es) ist die Durch-
führung des Grundsatzes zu erzwingen, daß jeder erwerbsfähige
Staatsbürger die Alimentationspflicht für eine Staatsbürgerin
hat, gleichviel ob er sich zur Ehe mit ihr bequemt hat oder
nicht. Die Durchführung dieses Grundsatzes würde die Jungfern-
frage mit einem Schlage und ohne Rest lösen …“

Gegen den naheliegenden Einwand, daß selbst die Durch-
führung dieses Grundsatzes einen Rest übrig ließe, nämlich den
Rest der „berühmten Million überschüssiger Frauen in Deutsch-
land “, bemerkt Hartmann, er entspringe aus zwei Ursachen,
die ihrerseits zu beseitigen sind, ihrerseits mit einem Schlage
und dieses Mal dann wohl unwiderruflich ohne Rest. Die

*) Tagesfragen, Leipzig 1896, VII: Die Jungfernfrage. Vgl.
daselbst S. 120 ff.
**) So nennt er die Frauenfrage aus Gründen, die seiner An-
sicht von der Frauenfrage entsprechen.
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[68/0084] III. Ehe ich dazu übergehe, möchte ich statt mancher anderen eine literarische Aeußerung aus den letzten Jahren erwähnen, deren Gedankengang und Reformvorschläge sich nahe mit dem Vorausgehenden berühren. Es ist der Aufsatz *) des Philosophen Eduard von Hartmann über „die Jungfernfrage“ **). Hartmann sagt: „Wenn die Jungfernfrage gelöst werden soll, so muß vor allen Dingen die Verheirathung des erwerbs- fähigen Mannes nicht nur als sittliche Pflicht, sondern auch als staatsbürgerliche Rechtspflicht wieder zu Ehren gebracht werden. Wenn jeder Mann heirathet, so hört die weibliche Concurrenz in männlichen Berufen ganz von selbst auf; dann werden sich auch die Löhne und Gehälter wieder so stellen, daß jeder Mann heirathen kann … (Es) ist die Durch- führung des Grundsatzes zu erzwingen, daß jeder erwerbsfähige Staatsbürger die Alimentationspflicht für eine Staatsbürgerin hat, gleichviel ob er sich zur Ehe mit ihr bequemt hat oder nicht. Die Durchführung dieses Grundsatzes würde die Jungfern- frage mit einem Schlage und ohne Rest lösen …“ Gegen den naheliegenden Einwand, daß selbst die Durch- führung dieses Grundsatzes einen Rest übrig ließe, nämlich den Rest der „berühmten Million überschüssiger Frauen in Deutsch- land “, bemerkt Hartmann, er entspringe aus zwei Ursachen, die ihrerseits zu beseitigen sind, ihrerseits mit einem Schlage und dieses Mal dann wohl unwiderruflich ohne Rest. Die *) Tagesfragen, Leipzig 1896, VII: Die Jungfernfrage. Vgl. daselbst S. 120 ff. **) So nennt er die Frauenfrage aus Gründen, die seiner An- sicht von der Frauenfrage entsprechen.

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 68. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/84>, abgerufen am 18.04.2024.