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Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896.

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Weise dahin führen mußte, dem ganzen Problem von Frauen-
beruf, Frauenbegabung, Frauenbildung auf den Grund zu
leuchten.

Das ist denn thatsächlich auch geschehen. Wer die große
Literatur der Frauenbewegung, die sich seit einigen Jahrzehnten
angehäuft hat, mit einiger Aufmerksamkeit durchmustert, bemerkt
bald, daß je länger je mehr die Bedeutung dieser Untersuchung
in den Vordergrund tritt, daß sie das Centrum der ganzen
Angelegenheit bildet, von welchem aus die Strahlen in die
entlegensten Winkel ihrer praktischen Nutzanwendung fallen.
Denn selbst die vorsichtigen Schritte, welche jene Bewegung in
Deutschland seit dem Ende der sechziger Jahre zu thun ver-
suchte, zumal deren Fortschritte in der neuesten Zeit, konnten
nicht gethan werden, ohne daß Gegensätze wachgerufen wurden,
in denen das Bestehende seine ewige Beschränktheit dem Neuen
entgegensetzte. Jndem die Vertheidiger des Alten die Schlag-
worte von Frauennatur und Frauenberuf als stärkste Beweis-
mittel brauchten, nöthigten sie die Freunde der Reformen zu
einer Discussion der Principienfragen, die hier zunächst in
stumpfer Weise, unter dem Eindruck des gerade Bestehenden,
auf die Tagesordnung gebracht wurden. Ein ähnlicher Zu-
sammenhang, wie bei dem Gegensatze der neueren social-
politischen Anschauungen zu dem älteren Jndividualismus, der
durch die Berufung auf die naturrechtlichen Postulate von Frei-
heit und Eigenthum eine tiefergehende Erörterung dieser Grund-
fragen und damit einen Unterbau für die zeitgemäßen Reformen
der Gesellschaft indirect selber veranlaßte.

Man hat hie und da gemeint, den Kern der heute vor-
liegenden Reformfrage der Frauenbewegung darin sehen zu
sollen, daß in der neuesten Zeit die Frauenbildung hinter der
männlichen Bildung zurückgeblieben sei, und daß es jetzt darauf

Weise dahin führen mußte, dem ganzen Problem von Frauen-
beruf, Frauenbegabung, Frauenbildung auf den Grund zu
leuchten.

Das ist denn thatsächlich auch geschehen. Wer die große
Literatur der Frauenbewegung, die sich seit einigen Jahrzehnten
angehäuft hat, mit einiger Aufmerksamkeit durchmustert, bemerkt
bald, daß je länger je mehr die Bedeutung dieser Untersuchung
in den Vordergrund tritt, daß sie das Centrum der ganzen
Angelegenheit bildet, von welchem aus die Strahlen in die
entlegensten Winkel ihrer praktischen Nutzanwendung fallen.
Denn selbst die vorsichtigen Schritte, welche jene Bewegung in
Deutschland seit dem Ende der sechziger Jahre zu thun ver-
suchte, zumal deren Fortschritte in der neuesten Zeit, konnten
nicht gethan werden, ohne daß Gegensätze wachgerufen wurden,
in denen das Bestehende seine ewige Beschränktheit dem Neuen
entgegensetzte. Jndem die Vertheidiger des Alten die Schlag-
worte von Frauennatur und Frauenberuf als stärkste Beweis-
mittel brauchten, nöthigten sie die Freunde der Reformen zu
einer Discussion der Principienfragen, die hier zunächst in
stumpfer Weise, unter dem Eindruck des gerade Bestehenden,
auf die Tagesordnung gebracht wurden. Ein ähnlicher Zu-
sammenhang, wie bei dem Gegensatze der neueren social-
politischen Anschauungen zu dem älteren Jndividualismus, der
durch die Berufung auf die naturrechtlichen Postulate von Frei-
heit und Eigenthum eine tiefergehende Erörterung dieser Grund-
fragen und damit einen Unterbau für die zeitgemäßen Reformen
der Gesellschaft indirect selber veranlaßte.

Man hat hie und da gemeint, den Kern der heute vor-
liegenden Reformfrage der Frauenbewegung darin sehen zu
sollen, daß in der neuesten Zeit die Frauenbildung hinter der
männlichen Bildung zurückgeblieben sei, und daß es jetzt darauf

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[75/0091] Weise dahin führen mußte, dem ganzen Problem von Frauen- beruf, Frauenbegabung, Frauenbildung auf den Grund zu leuchten. Das ist denn thatsächlich auch geschehen. Wer die große Literatur der Frauenbewegung, die sich seit einigen Jahrzehnten angehäuft hat, mit einiger Aufmerksamkeit durchmustert, bemerkt bald, daß je länger je mehr die Bedeutung dieser Untersuchung in den Vordergrund tritt, daß sie das Centrum der ganzen Angelegenheit bildet, von welchem aus die Strahlen in die entlegensten Winkel ihrer praktischen Nutzanwendung fallen. Denn selbst die vorsichtigen Schritte, welche jene Bewegung in Deutschland seit dem Ende der sechziger Jahre zu thun ver- suchte, zumal deren Fortschritte in der neuesten Zeit, konnten nicht gethan werden, ohne daß Gegensätze wachgerufen wurden, in denen das Bestehende seine ewige Beschränktheit dem Neuen entgegensetzte. Jndem die Vertheidiger des Alten die Schlag- worte von Frauennatur und Frauenberuf als stärkste Beweis- mittel brauchten, nöthigten sie die Freunde der Reformen zu einer Discussion der Principienfragen, die hier zunächst in stumpfer Weise, unter dem Eindruck des gerade Bestehenden, auf die Tagesordnung gebracht wurden. Ein ähnlicher Zu- sammenhang, wie bei dem Gegensatze der neueren social- politischen Anschauungen zu dem älteren Jndividualismus, der durch die Berufung auf die naturrechtlichen Postulate von Frei- heit und Eigenthum eine tiefergehende Erörterung dieser Grund- fragen und damit einen Unterbau für die zeitgemäßen Reformen der Gesellschaft indirect selber veranlaßte. Man hat hie und da gemeint, den Kern der heute vor- liegenden Reformfrage der Frauenbewegung darin sehen zu sollen, daß in der neuesten Zeit die Frauenbildung hinter der männlichen Bildung zurückgeblieben sei, und daß es jetzt darauf

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Zitationshilfe: Cohn, Gustav: Die deutsche Frauenbewegung. Berlin, 1896, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cohn_frauenbewegung_1896/91>, abgerufen am 29.03.2024.