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Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874.

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kaum mehr nach den religiösen und sittlichen Verhält-
nissen der betreffenden Person fragt, ja in die Hei-
rath einwilligt, sie sogar auf alle Weise in's Werk
zu setzen sucht, selbst dann, wenn es feststeht, daß
z. B. der betreffende junge Mann sittlich ausschwei-
fend und übel berüchtigt ist, daß er sich aus Religion
und Kirche nicht viel, gar nichts mache, seine reli-
giösen Pflichten versäume, ja gradzu mit dem Glau-
ben und der h. Kirche gebrochen habe. Daher dann
auch nachher diese unglücklichen Ehen! Die Tochter
ist freilich in einen guten Besitz gekommen, sie ist
Frau in einem angesehenen Hause, die Gattin eines
wohlhabenden, vielleicht hochgestellten Mannes, sie
wohnt schön und vornehm, sie stellt in der mensch-
lichen Gesellschaft etwas vor; aber ihr Mann ist
leichtsinnig, ist ohne Religion und Tugend, giebt sich
seinen bösen Neigungen hin, hat auf die Dauer für
die Frau kein Herz, bereitet ihr Kummer und Gram;
die Frau schleppt in ihrem schönen Hause unter ihren
kostbaren Kleidern, in den Gesellschaften und Cirkeln
ein unbefriedigtes, leeres, vielleicht selbst gramerfülltes,
unglückliches Herz herum. Und wird sie unter solchen
Verhältnissen nicht auch selbst Gott und dem Höhern
entfremdet werden, ein Raub des Leichtsinns und der
Sünde? Und mit ihr dann auch die Kinder! Welche
Aussichten dann für die Ewigkeit?! Belege für das
Gesagte bietet die Gegenwart in reicher Zahl. Ja,
man hat es zu beklagen, daß selbst Eltern, denen
man sonst eine gute und gläubige Gesinnung nicht
absprechen kann, in diesem Punkte ganz ähnlich han-
deln; sie geben z. B. ihre gleichfalls braven Töchter
an junge Männer der oben geschilderten Art zur
Ehe hin. Freilich schmeicheln sie sich dabei vielleicht

kaum mehr nach den religiösen und sittlichen Verhält-
nissen der betreffenden Person fragt, ja in die Hei-
rath einwilligt, sie sogar auf alle Weise in's Werk
zu setzen sucht, selbst dann, wenn es feststeht, daß
z. B. der betreffende junge Mann sittlich ausschwei-
fend und übel berüchtigt ist, daß er sich aus Religion
und Kirche nicht viel, gar nichts mache, seine reli-
giösen Pflichten versäume, ja gradzu mit dem Glau-
ben und der h. Kirche gebrochen habe. Daher dann
auch nachher diese unglücklichen Ehen! Die Tochter
ist freilich in einen guten Besitz gekommen, sie ist
Frau in einem angesehenen Hause, die Gattin eines
wohlhabenden, vielleicht hochgestellten Mannes, sie
wohnt schön und vornehm, sie stellt in der mensch-
lichen Gesellschaft etwas vor; aber ihr Mann ist
leichtsinnig, ist ohne Religion und Tugend, giebt sich
seinen bösen Neigungen hin, hat auf die Dauer für
die Frau kein Herz, bereitet ihr Kummer und Gram;
die Frau schleppt in ihrem schönen Hause unter ihren
kostbaren Kleidern, in den Gesellschaften und Cirkeln
ein unbefriedigtes, leeres, vielleicht selbst gramerfülltes,
unglückliches Herz herum. Und wird sie unter solchen
Verhältnissen nicht auch selbst Gott und dem Höhern
entfremdet werden, ein Raub des Leichtsinns und der
Sünde? Und mit ihr dann auch die Kinder! Welche
Aussichten dann für die Ewigkeit?! Belege für das
Gesagte bietet die Gegenwart in reicher Zahl. Ja,
man hat es zu beklagen, daß selbst Eltern, denen
man sonst eine gute und gläubige Gesinnung nicht
absprechen kann, in diesem Punkte ganz ähnlich han-
deln; sie geben z. B. ihre gleichfalls braven Töchter
an junge Männer der oben geschilderten Art zur
Ehe hin. Freilich schmeicheln sie sich dabei vielleicht

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[136/0139] kaum mehr nach den religiösen und sittlichen Verhält- nissen der betreffenden Person fragt, ja in die Hei- rath einwilligt, sie sogar auf alle Weise in's Werk zu setzen sucht, selbst dann, wenn es feststeht, daß z. B. der betreffende junge Mann sittlich ausschwei- fend und übel berüchtigt ist, daß er sich aus Religion und Kirche nicht viel, gar nichts mache, seine reli- giösen Pflichten versäume, ja gradzu mit dem Glau- ben und der h. Kirche gebrochen habe. Daher dann auch nachher diese unglücklichen Ehen! Die Tochter ist freilich in einen guten Besitz gekommen, sie ist Frau in einem angesehenen Hause, die Gattin eines wohlhabenden, vielleicht hochgestellten Mannes, sie wohnt schön und vornehm, sie stellt in der mensch- lichen Gesellschaft etwas vor; aber ihr Mann ist leichtsinnig, ist ohne Religion und Tugend, giebt sich seinen bösen Neigungen hin, hat auf die Dauer für die Frau kein Herz, bereitet ihr Kummer und Gram; die Frau schleppt in ihrem schönen Hause unter ihren kostbaren Kleidern, in den Gesellschaften und Cirkeln ein unbefriedigtes, leeres, vielleicht selbst gramerfülltes, unglückliches Herz herum. Und wird sie unter solchen Verhältnissen nicht auch selbst Gott und dem Höhern entfremdet werden, ein Raub des Leichtsinns und der Sünde? Und mit ihr dann auch die Kinder! Welche Aussichten dann für die Ewigkeit?! Belege für das Gesagte bietet die Gegenwart in reicher Zahl. Ja, man hat es zu beklagen, daß selbst Eltern, denen man sonst eine gute und gläubige Gesinnung nicht absprechen kann, in diesem Punkte ganz ähnlich han- deln; sie geben z. B. ihre gleichfalls braven Töchter an junge Männer der oben geschilderten Art zur Ehe hin. Freilich schmeicheln sie sich dabei vielleicht

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Zitationshilfe: Cramer, Wilhelm: Der christliche Vater wie er sein und was er thun soll. Nebst einem Anhange von Gebeten für denselben. Dülmen, 1874, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cramer_mutter_1874/139>, abgerufen am 28.03.2024.