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Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

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Bildung der zweiten Kammer.
Emancipation der Katholiken, die Reform seines Unter-
hauses; es giebt den hundert Millionen Ost-Indiens eine
verbesserte Regierung, schafft die Sclaverey definitiv ab;
Alles dringende, viel zu lange verschobene Anordnungen.
Allein wer möchte sich nur denken, daß sie in einer unge-
theilten Ständeversammlung zum Trotze einer widerstre-
benden aristokratischen Minorität durchgegangen wären und
nicht durch Versöhnung beider Häuser, wie jetzt, ohne den
Kunstgriff einer Pärs-Ernennung bloß zu solchem Zwecke!

Bildung der zweiten Kammer.

150. Die erste Kammer nimmt die persönlich und
amtlich Berechtigten auf, und strebt nach Lebenslänglich-
keit, wo nicht Erblichkeit ihrer Mitglieder. Die zweite
Kammer gehört dem Wechsel und der Wahl an.

151. In der Wahlkammer sitzen die Gemeinden aus
Stadt und Land durch ihre auf bestimmte Zeit gewählten
Abgeordneten. Es ist also nicht davon die Rede, eine be-
stimmte Masse Volks durch eine bestimmte Anzahl Depu-
tirte vertreten zu lassen, auch die Steuerkraft hat nicht die
Hauptentscheidung. Die Repräsentation beruht auf den
Ortsgemeinden, auf der einzelnen Gemeinde, oder wenn
diese an Volkszahl und Vermögen zu schwach ist, auf Ge-
meinde-Verbänden.

152. Eine bloß numerische Repräsentation wird so
wenig beabsichtigt, daß vielmehr die Städte, welche in
Deutschland und Frankreich im Durchschnitt den vierten
Theil der Bevölkerung ausmachen, billig stärker vertreten
werden als nach diesem Maasstabe, weil ihre Kraft durch
Verdichtung stärker wirkt und sie die Sitze der mannigfal-
tigsten Interessen sind. Bei vielen kleinen Städten (s. g.

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Bildung der zweiten Kammer.
Emancipation der Katholiken, die Reform ſeines Unter-
hauſes; es giebt den hundert Millionen Oſt-Indiens eine
verbeſſerte Regierung, ſchafft die Sclaverey definitiv ab;
Alles dringende, viel zu lange verſchobene Anordnungen.
Allein wer moͤchte ſich nur denken, daß ſie in einer unge-
theilten Staͤndeverſammlung zum Trotze einer widerſtre-
benden ariſtokratiſchen Minoritaͤt durchgegangen waͤren und
nicht durch Verſoͤhnung beider Haͤuſer, wie jetzt, ohne den
Kunſtgriff einer Paͤrs-Ernennung bloß zu ſolchem Zwecke!

Bildung der zweiten Kammer.

150. Die erſte Kammer nimmt die perſoͤnlich und
amtlich Berechtigten auf, und ſtrebt nach Lebenslaͤnglich-
keit, wo nicht Erblichkeit ihrer Mitglieder. Die zweite
Kammer gehoͤrt dem Wechſel und der Wahl an.

151. In der Wahlkammer ſitzen die Gemeinden aus
Stadt und Land durch ihre auf beſtimmte Zeit gewaͤhlten
Abgeordneten. Es iſt alſo nicht davon die Rede, eine be-
ſtimmte Maſſe Volks durch eine beſtimmte Anzahl Depu-
tirte vertreten zu laſſen, auch die Steuerkraft hat nicht die
Hauptentſcheidung. Die Repraͤſentation beruht auf den
Ortsgemeinden, auf der einzelnen Gemeinde, oder wenn
dieſe an Volkszahl und Vermoͤgen zu ſchwach iſt, auf Ge-
meinde-Verbaͤnden.

152. Eine bloß numeriſche Repraͤſentation wird ſo
wenig beabſichtigt, daß vielmehr die Staͤdte, welche in
Deutſchland und Frankreich im Durchſchnitt den vierten
Theil der Bevoͤlkerung ausmachen, billig ſtaͤrker vertreten
werden als nach dieſem Maasſtabe, weil ihre Kraft durch
Verdichtung ſtaͤrker wirkt und ſie die Sitze der mannigfal-
tigſten Intereſſen ſind. Bei vielen kleinen Staͤdten (ſ. g.

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[129/0141] Bildung der zweiten Kammer. Emancipation der Katholiken, die Reform ſeines Unter- hauſes; es giebt den hundert Millionen Oſt-Indiens eine verbeſſerte Regierung, ſchafft die Sclaverey definitiv ab; Alles dringende, viel zu lange verſchobene Anordnungen. Allein wer moͤchte ſich nur denken, daß ſie in einer unge- theilten Staͤndeverſammlung zum Trotze einer widerſtre- benden ariſtokratiſchen Minoritaͤt durchgegangen waͤren und nicht durch Verſoͤhnung beider Haͤuſer, wie jetzt, ohne den Kunſtgriff einer Paͤrs-Ernennung bloß zu ſolchem Zwecke! Bildung der zweiten Kammer. 150. Die erſte Kammer nimmt die perſoͤnlich und amtlich Berechtigten auf, und ſtrebt nach Lebenslaͤnglich- keit, wo nicht Erblichkeit ihrer Mitglieder. Die zweite Kammer gehoͤrt dem Wechſel und der Wahl an. 151. In der Wahlkammer ſitzen die Gemeinden aus Stadt und Land durch ihre auf beſtimmte Zeit gewaͤhlten Abgeordneten. Es iſt alſo nicht davon die Rede, eine be- ſtimmte Maſſe Volks durch eine beſtimmte Anzahl Depu- tirte vertreten zu laſſen, auch die Steuerkraft hat nicht die Hauptentſcheidung. Die Repraͤſentation beruht auf den Ortsgemeinden, auf der einzelnen Gemeinde, oder wenn dieſe an Volkszahl und Vermoͤgen zu ſchwach iſt, auf Ge- meinde-Verbaͤnden. 152. Eine bloß numeriſche Repraͤſentation wird ſo wenig beabſichtigt, daß vielmehr die Staͤdte, welche in Deutſchland und Frankreich im Durchſchnitt den vierten Theil der Bevoͤlkerung ausmachen, billig ſtaͤrker vertreten werden als nach dieſem Maasſtabe, weil ihre Kraft durch Verdichtung ſtaͤrker wirkt und ſie die Sitze der mannigfal- tigſten Intereſſen ſind. Bei vielen kleinen Staͤdten (ſ. g. 9

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Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/141>, abgerufen am 28.03.2024.