Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835.

Bild:
<< vorherige Seite

Zweites Capitel.
die Ausgleichung der Wirren anvertrauen mochte. Er gab
Erleichterung im Schuldenwesen, verbesserte das Privat-
recht durch Abschaffung der Schuldknechtschaft, gab allen
Bürgern das Recht, in der Volksversammlung und in den
gewöhnlichen Gerichten, die von nun an aus dem Volk
hervorgingen, zu stimmen.

41. Aber indem er neben dem Adelsrechte ein Recht
der Gemeinden aufrichtete, fehlte viel, daß er jenes ver-
nichtet hätte. Er verstärkte dem Areopag, der sich aus den
Unbescholtenen der jährlich abgehenden Archonten füllte,
sein altes Straf- und Aufsichts-Recht, und daß die
Archonten-Stellen und dadurch der Areopag in den Hän-
den der Reichen, mithin der Hauptsache nach für jetzt in
des Adels Händen blieben, war eine der beabsichtigten
nothwendigen Folgen seiner Theilung des Volks in vier
Vermögens-Classen, nicht bloß die billigere Vertheilung
der Staatsleistungen und die Steuerfreiheit der Armen.
Denn nur ein Mitglied der ersten Classe war zum Archon
wählbar, und nur wer den drei ersten Classen angehörte,
war wählbar zum Mitgliede des Raths, von nun an der
Vierhundert. Freilich mußte der jährliche Wechsel der
Archonten und des Raths, der früher dem Demos der
Aristokraten gefallen konnte, weil er jedem von ihnen die
Aussicht, bald einzutreten, gab, jetzt vielmehr ihm Sorge
erwecken. Denn er kündigte von fern die nahende Demo-
kratie an.

42. Die Volksversammlung wählte Archonten
und Rathspersonen aus den erlaubten Classen, und aus
allen Classen ohne Unterschied die Geschworenen des Jah-
res, die jetzt als Appellationshof richteten, wenn man von

Zweites Capitel.
die Ausgleichung der Wirren anvertrauen mochte. Er gab
Erleichterung im Schuldenweſen, verbeſſerte das Privat-
recht durch Abſchaffung der Schuldknechtſchaft, gab allen
Buͤrgern das Recht, in der Volksverſammlung und in den
gewoͤhnlichen Gerichten, die von nun an aus dem Volk
hervorgingen, zu ſtimmen.

41. Aber indem er neben dem Adelsrechte ein Recht
der Gemeinden aufrichtete, fehlte viel, daß er jenes ver-
nichtet haͤtte. Er verſtaͤrkte dem Areopag, der ſich aus den
Unbeſcholtenen der jaͤhrlich abgehenden Archonten fuͤllte,
ſein altes Straf- und Aufſichts-Recht, und daß die
Archonten-Stellen und dadurch der Areopag in den Haͤn-
den der Reichen, mithin der Hauptſache nach fuͤr jetzt in
des Adels Haͤnden blieben, war eine der beabſichtigten
nothwendigen Folgen ſeiner Theilung des Volks in vier
Vermoͤgens-Claſſen, nicht bloß die billigere Vertheilung
der Staatsleiſtungen und die Steuerfreiheit der Armen.
Denn nur ein Mitglied der erſten Claſſe war zum Archon
waͤhlbar, und nur wer den drei erſten Claſſen angehoͤrte,
war waͤhlbar zum Mitgliede des Raths, von nun an der
Vierhundert. Freilich mußte der jaͤhrliche Wechſel der
Archonten und des Raths, der fruͤher dem Demos der
Ariſtokraten gefallen konnte, weil er jedem von ihnen die
Ausſicht, bald einzutreten, gab, jetzt vielmehr ihm Sorge
erwecken. Denn er kuͤndigte von fern die nahende Demo-
kratie an.

42. Die Volksverſammlung waͤhlte Archonten
und Rathsperſonen aus den erlaubten Claſſen, und aus
allen Claſſen ohne Unterſchied die Geſchworenen des Jah-
res, die jetzt als Appellationshof richteten, wenn man von

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0040" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweites Capitel</hi>.</fw><lb/>
die Ausgleichung der Wirren anvertrauen mochte. Er gab<lb/>
Erleichterung im Schuldenwe&#x017F;en, verbe&#x017F;&#x017F;erte das Privat-<lb/>
recht durch Ab&#x017F;chaffung der Schuldknecht&#x017F;chaft, gab allen<lb/>
Bu&#x0364;rgern das Recht, in der Volksver&#x017F;ammlung und in den<lb/>
gewo&#x0364;hnlichen Gerichten, die von nun an aus dem Volk<lb/>
hervorgingen, zu &#x017F;timmen.</p><lb/>
              <p>41. Aber indem er neben dem Adelsrechte ein Recht<lb/>
der Gemeinden aufrichtete, fehlte viel, daß er jenes ver-<lb/>
nichtet ha&#x0364;tte. Er ver&#x017F;ta&#x0364;rkte dem Areopag, der &#x017F;ich aus den<lb/>
Unbe&#x017F;choltenen der ja&#x0364;hrlich abgehenden Archonten fu&#x0364;llte,<lb/>
&#x017F;ein altes Straf- und Auf&#x017F;ichts-Recht, und daß die<lb/>
Archonten-Stellen und dadurch der Areopag in den Ha&#x0364;n-<lb/>
den der Reichen, mithin der Haupt&#x017F;ache nach fu&#x0364;r jetzt in<lb/>
des Adels Ha&#x0364;nden blieben, war eine der beab&#x017F;ichtigten<lb/>
nothwendigen Folgen &#x017F;einer Theilung des Volks in vier<lb/>
Vermo&#x0364;gens-Cla&#x017F;&#x017F;en, nicht bloß die billigere Vertheilung<lb/>
der Staatslei&#x017F;tungen und die Steuerfreiheit der Armen.<lb/>
Denn nur ein Mitglied der er&#x017F;ten Cla&#x017F;&#x017F;e war zum Archon<lb/>
wa&#x0364;hlbar, und nur wer den drei er&#x017F;ten Cla&#x017F;&#x017F;en angeho&#x0364;rte,<lb/>
war wa&#x0364;hlbar zum Mitgliede des Raths, von nun an der<lb/>
Vierhundert. Freilich mußte der ja&#x0364;hrliche Wech&#x017F;el der<lb/>
Archonten und des Raths, der fru&#x0364;her dem Demos der<lb/>
Ari&#x017F;tokraten gefallen konnte, weil er jedem von ihnen die<lb/>
Aus&#x017F;icht, bald einzutreten, gab, jetzt vielmehr ihm Sorge<lb/>
erwecken. Denn er ku&#x0364;ndigte von fern die nahende Demo-<lb/>
kratie an.</p><lb/>
              <p>42. Die <hi rendition="#g">Volksver&#x017F;ammlung</hi> wa&#x0364;hlte Archonten<lb/>
und Rathsper&#x017F;onen aus den erlaubten Cla&#x017F;&#x017F;en, und aus<lb/>
allen Cla&#x017F;&#x017F;en ohne Unter&#x017F;chied die Ge&#x017F;chworenen des Jah-<lb/>
res, die jetzt als Appellationshof richteten, wenn man von<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[28/0040] Zweites Capitel. die Ausgleichung der Wirren anvertrauen mochte. Er gab Erleichterung im Schuldenweſen, verbeſſerte das Privat- recht durch Abſchaffung der Schuldknechtſchaft, gab allen Buͤrgern das Recht, in der Volksverſammlung und in den gewoͤhnlichen Gerichten, die von nun an aus dem Volk hervorgingen, zu ſtimmen. 41. Aber indem er neben dem Adelsrechte ein Recht der Gemeinden aufrichtete, fehlte viel, daß er jenes ver- nichtet haͤtte. Er verſtaͤrkte dem Areopag, der ſich aus den Unbeſcholtenen der jaͤhrlich abgehenden Archonten fuͤllte, ſein altes Straf- und Aufſichts-Recht, und daß die Archonten-Stellen und dadurch der Areopag in den Haͤn- den der Reichen, mithin der Hauptſache nach fuͤr jetzt in des Adels Haͤnden blieben, war eine der beabſichtigten nothwendigen Folgen ſeiner Theilung des Volks in vier Vermoͤgens-Claſſen, nicht bloß die billigere Vertheilung der Staatsleiſtungen und die Steuerfreiheit der Armen. Denn nur ein Mitglied der erſten Claſſe war zum Archon waͤhlbar, und nur wer den drei erſten Claſſen angehoͤrte, war waͤhlbar zum Mitgliede des Raths, von nun an der Vierhundert. Freilich mußte der jaͤhrliche Wechſel der Archonten und des Raths, der fruͤher dem Demos der Ariſtokraten gefallen konnte, weil er jedem von ihnen die Ausſicht, bald einzutreten, gab, jetzt vielmehr ihm Sorge erwecken. Denn er kuͤndigte von fern die nahende Demo- kratie an. 42. Die Volksverſammlung waͤhlte Archonten und Rathsperſonen aus den erlaubten Claſſen, und aus allen Claſſen ohne Unterſchied die Geſchworenen des Jah- res, die jetzt als Appellationshof richteten, wenn man von

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/40
Zitationshilfe: Dahlmann, Friedrich Christoph: Die Politik, auf den Grund und das Maaß der gegebenen Zustände zurückgeführt. Bd. 1: Staatsverfassung. Volksbildung. Göttingen, 1835, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dahlmann_politik_1835/40>, abgerufen am 10.10.2024.