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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Wenn es nun in Folge dessen für ein der feineren und gebildeteren
Klasse der Gesellschaft angehöriges Individuum höchst unpassend er-
scheint, sich von einer schönen griechischen Statue mit dem Bemerken
hinwegzuwenden, es sei dies ein Götze, an dem man sich nicht erfreuen
und erbauen dürfe, so muß es für wenigstens eben so unschicklich und
tiefstehend gelten, wenn man sich eine solche Sprache gegen die Dar-
stellungen des katholischen Cultus erlaubt, sei es auch, daß sie durch
die Würde des Gegenstandes und die Meisterschaft des künstlerischen
Urhebers über irgendwie mögliche Beziehungen zu idololatrischer Bar-
barei selbst vor profanen Augen unendlich hinausgehoben sind.

Es gehören in diesen Kreis der Betrachtung ferner auch einige
gute Bemerkungen, die ich in den Briefen von Clemens Brentano
finde. So schreibt er einmal*) an eine Ungenannte Folgendes.

"Deine Klagen über Ästhetik und Schriftstellerei kommen aus dei-
ner absurden Uebersättigung her; du bist ungerecht, dies so plattweg
zu verdammen. Alle wahre Kunst ist ein Vorläufer der Wiedergeburt;
denn ihr Streben nach dem Ewigen strebt, ohne es zu wissen, nach
dem Herrn. Auch die Künste sind Stimmen in der Wüste. Es sind
die Teppiche, die unter die Füße des Einziehenden geworfen werden.
Bete, daß die Kunst gut werde! Sie lehrt singen und loben, sie liegt,
wie das Leben, zwischen Himmel und Hölle und öffnet beiden die Thore."

"Das thierische Fell muß gegerbt werden, soll es ein Träger des
Buchstabens und Wortes sein," heißt es ebendaselbst.

Eine andere die Bedeutung des Sinnlichen überhaupt betreffende
Stelle **) ist folgende.

"Was in den Kreis unserer Sinne hineinfällt, dessen bemeistern wir
uns und mit dem kann, darf und muß guter Wille vertraut werden,
so es ein Saum des Gewandes Gottes ist, der auf die Erde fällt.
Auf anderem Orte können wir nicht beten, als auf diesem Teppiche
knieend, und so wir glaubend das Gewand berühren, werden wir ge-
heilt, wie das blutflüssige Weib."

So hat auch hier wieder ein geistreicher Mann sehr schöne Worte
gesprochen und sehr treffende Bilder gebraucht. Leider hat dergleichen
noch lange hin, um populär zu werden. Die vererbte und verbreitete
antikatholische Phraseologie wird in ihrer flachen und faulen Gewohnheit

*) S. den 1. Bd. der Briefsammlung. Frankf. a. M. 1855. S. 330.
**) S. dieselbe Sammlung I. S. 293.

Wenn es nun in Folge deſſen für ein der feineren und gebildeteren
Klaſſe der Geſellſchaft angehöriges Individuum höchſt unpaſſend er-
ſcheint, ſich von einer ſchönen griechiſchen Statue mit dem Bemerken
hinwegzuwenden, es ſei dies ein Götze, an dem man ſich nicht erfreuen
und erbauen dürfe, ſo muß es für wenigſtens eben ſo unſchicklich und
tiefſtehend gelten, wenn man ſich eine ſolche Sprache gegen die Dar-
ſtellungen des katholiſchen Cultus erlaubt, ſei es auch, daß ſie durch
die Würde des Gegenſtandes und die Meiſterſchaft des künſtleriſchen
Urhebers über irgendwie mögliche Beziehungen zu idololatriſcher Bar-
barei ſelbſt vor profanen Augen unendlich hinausgehoben ſind.

Es gehören in dieſen Kreis der Betrachtung ferner auch einige
gute Bemerkungen, die ich in den Briefen von Clemens Brentano
finde. So ſchreibt er einmal*) an eine Ungenannte Folgendes.

„Deine Klagen über Äſthetik und Schriftſtellerei kommen aus dei-
ner abſurden Ueberſättigung her; du biſt ungerecht, dies ſo plattweg
zu verdammen. Alle wahre Kunſt iſt ein Vorläufer der Wiedergeburt;
denn ihr Streben nach dem Ewigen ſtrebt, ohne es zu wiſſen, nach
dem Herrn. Auch die Künſte ſind Stimmen in der Wüſte. Es ſind
die Teppiche, die unter die Füße des Einziehenden geworfen werden.
Bete, daß die Kunſt gut werde! Sie lehrt ſingen und loben, ſie liegt,
wie das Leben, zwiſchen Himmel und Hölle und öffnet beiden die Thore.“

„Das thieriſche Fell muß gegerbt werden, ſoll es ein Träger des
Buchſtabens und Wortes ſein,“ heißt es ebendaſelbſt.

Eine andere die Bedeutung des Sinnlichen überhaupt betreffende
Stelle **) iſt folgende.

„Was in den Kreis unſerer Sinne hineinfällt, deſſen bemeiſtern wir
uns und mit dem kann, darf und muß guter Wille vertraut werden,
ſo es ein Saum des Gewandes Gottes iſt, der auf die Erde fällt.
Auf anderem Orte können wir nicht beten, als auf dieſem Teppiche
knieend, und ſo wir glaubend das Gewand berühren, werden wir ge-
heilt, wie das blutflüſſige Weib.“

So hat auch hier wieder ein geiſtreicher Mann ſehr ſchöne Worte
geſprochen und ſehr treffende Bilder gebraucht. Leider hat dergleichen
noch lange hin, um populär zu werden. Die vererbte und verbreitete
antikatholiſche Phraſeologie wird in ihrer flachen und faulen Gewohnheit

*) S. den 1. Bd. der Briefſammlung. Frankf. a. M. 1855. S. 330.
**) S. dieſelbe Sammlung I. S. 293.
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[123/0145] Wenn es nun in Folge deſſen für ein der feineren und gebildeteren Klaſſe der Geſellſchaft angehöriges Individuum höchſt unpaſſend er- ſcheint, ſich von einer ſchönen griechiſchen Statue mit dem Bemerken hinwegzuwenden, es ſei dies ein Götze, an dem man ſich nicht erfreuen und erbauen dürfe, ſo muß es für wenigſtens eben ſo unſchicklich und tiefſtehend gelten, wenn man ſich eine ſolche Sprache gegen die Dar- ſtellungen des katholiſchen Cultus erlaubt, ſei es auch, daß ſie durch die Würde des Gegenſtandes und die Meiſterſchaft des künſtleriſchen Urhebers über irgendwie mögliche Beziehungen zu idololatriſcher Bar- barei ſelbſt vor profanen Augen unendlich hinausgehoben ſind. Es gehören in dieſen Kreis der Betrachtung ferner auch einige gute Bemerkungen, die ich in den Briefen von Clemens Brentano finde. So ſchreibt er einmal *) an eine Ungenannte Folgendes. „Deine Klagen über Äſthetik und Schriftſtellerei kommen aus dei- ner abſurden Ueberſättigung her; du biſt ungerecht, dies ſo plattweg zu verdammen. Alle wahre Kunſt iſt ein Vorläufer der Wiedergeburt; denn ihr Streben nach dem Ewigen ſtrebt, ohne es zu wiſſen, nach dem Herrn. Auch die Künſte ſind Stimmen in der Wüſte. Es ſind die Teppiche, die unter die Füße des Einziehenden geworfen werden. Bete, daß die Kunſt gut werde! Sie lehrt ſingen und loben, ſie liegt, wie das Leben, zwiſchen Himmel und Hölle und öffnet beiden die Thore.“ „Das thieriſche Fell muß gegerbt werden, ſoll es ein Träger des Buchſtabens und Wortes ſein,“ heißt es ebendaſelbſt. Eine andere die Bedeutung des Sinnlichen überhaupt betreffende Stelle **) iſt folgende. „Was in den Kreis unſerer Sinne hineinfällt, deſſen bemeiſtern wir uns und mit dem kann, darf und muß guter Wille vertraut werden, ſo es ein Saum des Gewandes Gottes iſt, der auf die Erde fällt. Auf anderem Orte können wir nicht beten, als auf dieſem Teppiche knieend, und ſo wir glaubend das Gewand berühren, werden wir ge- heilt, wie das blutflüſſige Weib.“ So hat auch hier wieder ein geiſtreicher Mann ſehr ſchöne Worte geſprochen und ſehr treffende Bilder gebraucht. Leider hat dergleichen noch lange hin, um populär zu werden. Die vererbte und verbreitete antikatholiſche Phraſeologie wird in ihrer flachen und faulen Gewohnheit *) S. den 1. Bd. der Briefſammlung. Frankf. a. M. 1855. S. 330. **) S. dieſelbe Sammlung I. S. 293.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/145>, abgerufen am 25.04.2024.