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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Es gab Päpste, in denen vorzugsweise der Alles einheitlich
verbindende und bestimmende römische Universalismus zum
Ausspruche kam; andere, welche sich, dem griechischen Prin-
cip gemäß, vor Allem um Gelehrsamkeit und Kunst ver-
dient machten; andere endlich, in welchen die christliche
Negation des Selbstischen und Sinnlichen ihre musterhafte
Vertretung hatte, womit auch wohl eine energische Reprä-
sentation der päpstlichen Autorität und Macht verbunden
war, so daß Mönch und Herrscher zugleich auf dem Throne
saß. Dies Alles wird einen tiefer schauenden, ächt philo-
sophischen Geschichtsforscher durchaus nicht befremden; es
wird ihm die Nothwendigkeit und der Zusammenhang der
Sache vollkommen einleuchten, so wesentlich verschieden und
so einheitslos auseinanderfallend auch diese Charaktere und
Manifestationen erscheinen mögen, wenn man mit ober-
flächlicher, ja feindseliger Betrachtung daran geht, und nicht
den Schlüssel besitzt, der das Verständniß eines so reich-
haltigen, vielseitigen und bei aller Varietät des Inhalts
harmonisch angelegten Phänomens eröffnet. Es ist noch
überdies zu bedenken, daß die Geschichte des Papstthums
noch nicht zu Ende ist, und daß dieses große Ganze in
der Reife der Zeit, bei vollendeter Ausbildung sämmtlicher
Momente und totaler Ausgleichung aller scheinbaren oder
wirklichen Widersprüche, eine Erscheinung bieten mag, von
deren Herrlichkeit und Vollkommenheit wir noch gar keine
Vorstellung haben.


Es gab Päpſte, in denen vorzugsweiſe der Alles einheitlich
verbindende und beſtimmende römiſche Univerſalismus zum
Ausſpruche kam; andere, welche ſich, dem griechiſchen Prin-
cip gemäß, vor Allem um Gelehrſamkeit und Kunſt ver-
dient machten; andere endlich, in welchen die chriſtliche
Negation des Selbſtiſchen und Sinnlichen ihre muſterhafte
Vertretung hatte, womit auch wohl eine energiſche Reprä-
ſentation der päpſtlichen Autorität und Macht verbunden
war, ſo daß Mönch und Herrſcher zugleich auf dem Throne
ſaß. Dies Alles wird einen tiefer ſchauenden, ächt philo-
ſophiſchen Geſchichtsforſcher durchaus nicht befremden; es
wird ihm die Nothwendigkeit und der Zuſammenhang der
Sache vollkommen einleuchten, ſo weſentlich verſchieden und
ſo einheitslos auseinanderfallend auch dieſe Charaktere und
Manifeſtationen erſcheinen mögen, wenn man mit ober-
flächlicher, ja feindſeliger Betrachtung daran geht, und nicht
den Schlüſſel beſitzt, der das Verſtändniß eines ſo reich-
haltigen, vielſeitigen und bei aller Varietät des Inhalts
harmoniſch angelegten Phänomens eröffnet. Es iſt noch
überdies zu bedenken, daß die Geſchichte des Papſtthums
noch nicht zu Ende iſt, und daß dieſes große Ganze in
der Reife der Zeit, bei vollendeter Ausbildung ſämmtlicher
Momente und totaler Ausgleichung aller ſcheinbaren oder
wirklichen Widerſprüche, eine Erſcheinung bieten mag, von
deren Herrlichkeit und Vollkommenheit wir noch gar keine
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[9/0031] Es gab Päpſte, in denen vorzugsweiſe der Alles einheitlich verbindende und beſtimmende römiſche Univerſalismus zum Ausſpruche kam; andere, welche ſich, dem griechiſchen Prin- cip gemäß, vor Allem um Gelehrſamkeit und Kunſt ver- dient machten; andere endlich, in welchen die chriſtliche Negation des Selbſtiſchen und Sinnlichen ihre muſterhafte Vertretung hatte, womit auch wohl eine energiſche Reprä- ſentation der päpſtlichen Autorität und Macht verbunden war, ſo daß Mönch und Herrſcher zugleich auf dem Throne ſaß. Dies Alles wird einen tiefer ſchauenden, ächt philo- ſophiſchen Geſchichtsforſcher durchaus nicht befremden; es wird ihm die Nothwendigkeit und der Zuſammenhang der Sache vollkommen einleuchten, ſo weſentlich verſchieden und ſo einheitslos auseinanderfallend auch dieſe Charaktere und Manifeſtationen erſcheinen mögen, wenn man mit ober- flächlicher, ja feindſeliger Betrachtung daran geht, und nicht den Schlüſſel beſitzt, der das Verſtändniß eines ſo reich- haltigen, vielſeitigen und bei aller Varietät des Inhalts harmoniſch angelegten Phänomens eröffnet. Es iſt noch überdies zu bedenken, daß die Geſchichte des Papſtthums noch nicht zu Ende iſt, und daß dieſes große Ganze in der Reife der Zeit, bei vollendeter Ausbildung ſämmtlicher Momente und totaler Ausgleichung aller ſcheinbaren oder wirklichen Widerſprüche, eine Erſcheinung bieten mag, von deren Herrlichkeit und Vollkommenheit wir noch gar keine Vorſtellung haben.

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/31>, abgerufen am 23.04.2024.