Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
plastischem Bildwerk geschmückter Prachtbau. Der Herzog von
Alba ließ ihn im 16. Jahrhundert fast bis zur Erde rasieren, aber
ältere Beschreibungen und mehrere im Schutt gefundene Frag-
mente geben uns näherungsweise eine Vorstellung von ihm.
Ibique suam imaginem in eternam et immortalem memoriam
sculpi fecit
, meldet eine Quelle noch aus dem 13. Jahrhundert.
Man sieht auch hier schon etwas von dem kommenden Ruhmes-
kultus der Renaissance. Eines der Fundstücke, eine sitzende
Togastatue, wird als dies Kaiserbild angesprochen. Leider fehlt
der Kopf. Als Ersatz dafür hat man ein anderes Porträt Fried-
richs II. in einer jetzt auf die Giebelspitze der Kathedrale von
Acerenza versetzten Büste erkennen wollen1). Ich kann Bertaux
in der Abweisung dieser Deutung nur zustimmen. Träfe sie zu,
so wäre doch nur "der Kaiser", d. h. die Nachbildung irgend-
eines Imperatorenkopfes gegeben, nicht die individuellen Züge
des Hohenstaufen. Mir scheint der Kopf, soweit die Abbildung
ein Urteil gestattet, ein spätantikes Original. Auch zwei andere
angebliche Porträtköpfe von der Capuaner Pforte sind mir als
solche höchst zweifelhaft. Sie gelten für Pietro della Vigna und
Taddeo di Sessa. Diese Benennung taucht aber erst im 18. Jahr-
hundert auf. Sie hat die historische wie die kunsthistorische
Wahrscheinlichkeit gegen sich. Diese Bildhauerschule hat in sorg-
fältigem Anschluß an antike Muster, nicht nach der Natur ge-
arbeitet. Porträts in unserem Sinne werden erst seit dem 14. Jahr-
hundert beabsichtigt.

Die Pforte von Capua wurde 1240 vollendet. Die dort be-
schäftigt gewesene Künstlergruppe wurde dann nach Castel del
Monte gezogen. Sie hat das völlig in antiken Formen gehaltene
Portal geschaffen, das so seltsam von der gotischen Umgebung
absticht. Auch findet sich in Castel del Monte ein stark beschä-
digtes Fragment einer der Wand angegliederten Reiterstatue in
antikem Kostüm; vermutlich wieder der Kaiser oder richtiger ein
Sinnbild des Kaisers.

Wir sehen also in den letzten Jahren Friedrichs II., unter
seinen Augen und nach seinem Willen, eine neue Kunst im Ent-

1) R. Delbrück in der Zeitschrift für bildende Kunst 1903.
Dehio, Kunsthistorische Aufsätze. 8

Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.
plastischem Bildwerk geschmückter Prachtbau. Der Herzog von
Alba ließ ihn im 16. Jahrhundert fast bis zur Erde rasieren, aber
ältere Beschreibungen und mehrere im Schutt gefundene Frag-
mente geben uns näherungsweise eine Vorstellung von ihm.
Ibique suam imaginem in eternam et immortalem memoriam
sculpi fecit
, meldet eine Quelle noch aus dem 13. Jahrhundert.
Man sieht auch hier schon etwas von dem kommenden Ruhmes-
kultus der Renaissance. Eines der Fundstücke, eine sitzende
Togastatue, wird als dies Kaiserbild angesprochen. Leider fehlt
der Kopf. Als Ersatz dafür hat man ein anderes Porträt Fried-
richs II. in einer jetzt auf die Giebelspitze der Kathedrale von
Acerenza versetzten Büste erkennen wollen1). Ich kann Bertaux
in der Abweisung dieser Deutung nur zustimmen. Träfe sie zu,
so wäre doch nur »der Kaiser«, d. h. die Nachbildung irgend-
eines Imperatorenkopfes gegeben, nicht die individuellen Züge
des Hohenstaufen. Mir scheint der Kopf, soweit die Abbildung
ein Urteil gestattet, ein spätantikes Original. Auch zwei andere
angebliche Porträtköpfe von der Capuaner Pforte sind mir als
solche höchst zweifelhaft. Sie gelten für Pietro della Vigna und
Taddeo di Sessa. Diese Benennung taucht aber erst im 18. Jahr-
hundert auf. Sie hat die historische wie die kunsthistorische
Wahrscheinlichkeit gegen sich. Diese Bildhauerschule hat in sorg-
fältigem Anschluß an antike Muster, nicht nach der Natur ge-
arbeitet. Porträts in unserem Sinne werden erst seit dem 14. Jahr-
hundert beabsichtigt.

Die Pforte von Capua wurde 1240 vollendet. Die dort be-
schäftigt gewesene Künstlergruppe wurde dann nach Castel del
Monte gezogen. Sie hat das völlig in antiken Formen gehaltene
Portal geschaffen, das so seltsam von der gotischen Umgebung
absticht. Auch findet sich in Castel del Monte ein stark beschä-
digtes Fragment einer der Wand angegliederten Reiterstatue in
antikem Kostüm; vermutlich wieder der Kaiser oder richtiger ein
Sinnbild des Kaisers.

Wir sehen also in den letzten Jahren Friedrichs II., unter
seinen Augen und nach seinem Willen, eine neue Kunst im Ent-

1) R. Delbrück in der Zeitschrift für bildende Kunst 1903.
Dehio, Kunsthistorische Aufsätze. 8
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0131" n="113"/><fw place="top" type="header">Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II.</fw><lb/>
plastischem Bildwerk geschmückter Prachtbau. Der Herzog von<lb/>
Alba ließ ihn im 16. Jahrhundert fast bis zur Erde rasieren, aber<lb/>
ältere Beschreibungen und mehrere im Schutt gefundene Frag-<lb/>
mente geben uns näherungsweise eine Vorstellung von ihm.<lb/><hi rendition="#i">Ibique suam imaginem in eternam et immortalem memoriam<lb/>
sculpi fecit</hi>, meldet eine Quelle noch aus dem 13. Jahrhundert.<lb/>
Man sieht auch hier schon etwas von dem kommenden Ruhmes-<lb/>
kultus der Renaissance. Eines der Fundstücke, eine sitzende<lb/>
Togastatue, wird als dies Kaiserbild angesprochen. Leider fehlt<lb/>
der Kopf. Als Ersatz dafür hat man ein anderes Porträt Fried-<lb/>
richs II. in einer jetzt auf die Giebelspitze der Kathedrale von<lb/>
Acerenza versetzten Büste erkennen wollen<note place="foot" n="1)">R. Delbrück in der Zeitschrift für bildende Kunst 1903.</note>. Ich kann Bertaux<lb/>
in der     Abweisung dieser Deutung nur zustimmen. Träfe sie zu,<lb/>
so wäre doch nur »der Kaiser«, d. h. die Nachbildung irgend-<lb/>
eines Imperatorenkopfes gegeben, nicht die individuellen Züge<lb/>
des Hohenstaufen. Mir scheint der Kopf, soweit die Abbildung<lb/>
ein Urteil gestattet, ein spätantikes Original. Auch zwei andere<lb/>
angebliche Porträtköpfe von der Capuaner Pforte sind mir als<lb/>
solche höchst zweifelhaft. Sie gelten für Pietro della Vigna und<lb/>
Taddeo di Sessa. Diese Benennung taucht aber erst im 18. Jahr-<lb/>
hundert auf. Sie hat die historische wie die kunsthistorische<lb/>
Wahrscheinlichkeit gegen sich. Diese Bildhauerschule hat in sorg-<lb/>
fältigem Anschluß an antike Muster, nicht nach der Natur ge-<lb/>
arbeitet. Porträts in unserem Sinne werden erst seit dem 14. Jahr-<lb/>
hundert beabsichtigt.</p><lb/>
        <p>Die Pforte von Capua wurde 1240 vollendet. Die dort be-<lb/>
schäftigt gewesene Künstlergruppe wurde dann nach Castel del<lb/>
Monte gezogen. Sie hat das völlig in antiken Formen gehaltene<lb/>
Portal geschaffen, das so seltsam von der gotischen Umgebung<lb/>
absticht. Auch findet sich in Castel del Monte ein stark beschä-<lb/>
digtes Fragment einer der Wand angegliederten Reiterstatue in<lb/>
antikem Kostüm; vermutlich wieder der Kaiser oder richtiger ein<lb/>
Sinnbild des Kaisers.</p><lb/>
        <p>Wir sehen also in den letzten Jahren Friedrichs II., unter<lb/>
seinen Augen und nach seinem Willen, eine neue Kunst im Ent-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#g">Dehio,</hi> Kunsthistorische Aufsätze. 8</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[113/0131] Die Kunst Unteritaliens in der Zeit Kaiser Friedrichs II. plastischem Bildwerk geschmückter Prachtbau. Der Herzog von Alba ließ ihn im 16. Jahrhundert fast bis zur Erde rasieren, aber ältere Beschreibungen und mehrere im Schutt gefundene Frag- mente geben uns näherungsweise eine Vorstellung von ihm. Ibique suam imaginem in eternam et immortalem memoriam sculpi fecit, meldet eine Quelle noch aus dem 13. Jahrhundert. Man sieht auch hier schon etwas von dem kommenden Ruhmes- kultus der Renaissance. Eines der Fundstücke, eine sitzende Togastatue, wird als dies Kaiserbild angesprochen. Leider fehlt der Kopf. Als Ersatz dafür hat man ein anderes Porträt Fried- richs II. in einer jetzt auf die Giebelspitze der Kathedrale von Acerenza versetzten Büste erkennen wollen 1). Ich kann Bertaux in der Abweisung dieser Deutung nur zustimmen. Träfe sie zu, so wäre doch nur »der Kaiser«, d. h. die Nachbildung irgend- eines Imperatorenkopfes gegeben, nicht die individuellen Züge des Hohenstaufen. Mir scheint der Kopf, soweit die Abbildung ein Urteil gestattet, ein spätantikes Original. Auch zwei andere angebliche Porträtköpfe von der Capuaner Pforte sind mir als solche höchst zweifelhaft. Sie gelten für Pietro della Vigna und Taddeo di Sessa. Diese Benennung taucht aber erst im 18. Jahr- hundert auf. Sie hat die historische wie die kunsthistorische Wahrscheinlichkeit gegen sich. Diese Bildhauerschule hat in sorg- fältigem Anschluß an antike Muster, nicht nach der Natur ge- arbeitet. Porträts in unserem Sinne werden erst seit dem 14. Jahr- hundert beabsichtigt. Die Pforte von Capua wurde 1240 vollendet. Die dort be- schäftigt gewesene Künstlergruppe wurde dann nach Castel del Monte gezogen. Sie hat das völlig in antiken Formen gehaltene Portal geschaffen, das so seltsam von der gotischen Umgebung absticht. Auch findet sich in Castel del Monte ein stark beschä- digtes Fragment einer der Wand angegliederten Reiterstatue in antikem Kostüm; vermutlich wieder der Kaiser oder richtiger ein Sinnbild des Kaisers. Wir sehen also in den letzten Jahren Friedrichs II., unter seinen Augen und nach seinem Willen, eine neue Kunst im Ent- 1) R. Delbrück in der Zeitschrift für bildende Kunst 1903. Dehio, Kunsthistorische Aufsätze. 8

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-21T10:17:23Z)
University of Toronto, Robarts Library of Humanities & Social Sciences: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-21T10:17:23Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate für die Seiten 122 und 123 (2012-02-21T10:17:23Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/131
Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/131>, abgerufen am 28.03.2024.