Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

heit zu herrschen. Ich habe Einl. S. 124 dahin gehende
Aeusserungen von Sievers und Brugmann beistimmend an-
geführt, und will jetzt ein treffliches Beispiel aus Boeht-
lingks jakutischer Grammatik hinzufügen, wo über den
Uebergang von s in h (S. 62, § 139) Folgendes bemerkt
wird: "s wird seit nicht gar langer Zeit von vielen Jakuten,
namentlich von den Bewohnern der Stadt Jakutsk, zwischen
zwei Vocalen wie h gesprochen. Ja sogar ein an- und ein
auslautendes s, sobald es durch ein vorangehendes, vocalisch
auslautendes oder ein nachfolgendes, vocalisch anlautendes
Wort zwischen zwei Vocale zu stehen kommt, schwächt sich
zu h. In suoch nein wird e, auch ohne dass ein Vocal
vorherginge, wie h gesprochen. Da indessen diese Schwä-
chung noch nicht bei allen Jakuten eingetreten ist, wird
man mir die Beibehaltung des s zwischen zwei Vocalen
hoffentlich nicht zum Vorwurf machen", und dazu die An-
merkung: "Die vorhandenen Wörtersammlungen weisen fast
ohne Ausnahme s auf und auch die Russen in Jakutsk und
sogar Uwarowskij, der in diesem Falle immer h spricht,
schreiben s. Die Jakuten, mit denen Middendorf zusammen-
kam, bemerkten, wenn sie auch kihi u. s. w. sprachen, dass
es eigentlich kisi heissen müsse. Die Schwächung des s zu
h lässt sich bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts ver-
folgen, da Sauer neben busak (unser bysach) auch buhak
aufführt; Witsen schreibt immer s." Fiat applicatio!

Auch darüber dürfte wohl allgemeines Einverständniss
herrschen, dass man alle Wirkungen der Associationen ab-
ziehen muss, wenn man den gesetzmässig verlaufenden Laut-
wandel rein darstellen will.

Bis hierher scheint also Curtius, wenn ich ihn recht
verstehe (was vielleicht nicht der Fall ist, da er sich, wie
gesagt, über diesen Punkt nur aphoristisch äussert), nicht
gerade Einwände zu erheben, über welche sich nicht ein

heit zu herrschen. Ich habe Einl. S. 124 dahin gehende
Aeusserungen von Sievers und Brugmann beistimmend an-
geführt, und will jetzt ein treffliches Beispiel aus Boeht-
lingks jakutischer Grammatik hinzufügen, wo über den
Uebergang von s in h (S. 62, § 139) Folgendes bemerkt
wird: »s wird seit nicht gar langer Zeit von vielen Jakuten,
namentlich von den Bewohnern der Stadt Jakutsk, zwischen
zwei Vocalen wie h gesprochen. Ja sogar ein an- und ein
auslautendes s, sobald es durch ein vorangehendes, vocalisch
auslautendes oder ein nachfolgendes, vocalisch anlautendes
Wort zwischen zwei Vocale zu stehen kommt, schwächt sich
zu h. In suoch nein wird e, auch ohne dass ein Vocal
vorherginge, wie h gesprochen. Da indessen diese Schwä-
chung noch nicht bei allen Jakuten eingetreten ist, wird
man mir die Beibehaltung des s zwischen zwei Vocalen
hoffentlich nicht zum Vorwurf machen«, und dazu die An-
merkung: »Die vorhandenen Wörtersammlungen weisen fast
ohne Ausnahme s auf und auch die Russen in Jakutsk und
sogar Uwarowskij, der in diesem Falle immer h spricht,
schreiben s. Die Jakuten, mit denen Middendorf zusammen-
kam, bemerkten, wenn sie auch kihi u. s. w. sprachen, dass
es eigentlich kisi heissen müsse. Die Schwächung des s zu
h lässt sich bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts ver-
folgen, da Sauer neben busak (unser bysach) auch buhak
aufführt; Witsen schreibt immer sFiat applicatio!

Auch darüber dürfte wohl allgemeines Einverständniss
herrschen, dass man alle Wirkungen der Associationen ab-
ziehen muss, wenn man den gesetzmässig verlaufenden Laut-
wandel rein darstellen will.

Bis hierher scheint also Curtius, wenn ich ihn recht
verstehe (was vielleicht nicht der Fall ist, da er sich, wie
gesagt, über diesen Punkt nur aphoristisch äussert), nicht
gerade Einwände zu erheben, über welche sich nicht ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0020" n="15"/>
heit zu herrschen. Ich habe Einl. S. 124 dahin gehende<lb/>
Aeusserungen von Sievers und Brugmann beistimmend an-<lb/>
geführt, und will jetzt ein treffliches Beispiel aus Boeht-<lb/>
lingks jakutischer Grammatik hinzufügen, wo über den<lb/>
Uebergang von <hi rendition="#i">s</hi> in <hi rendition="#i">h</hi> (S. 62, § 139) Folgendes bemerkt<lb/>
wird: »<hi rendition="#i">s</hi> wird seit nicht gar langer Zeit von vielen Jakuten,<lb/>
namentlich von den Bewohnern der Stadt Jakutsk, zwischen<lb/>
zwei Vocalen wie <hi rendition="#i">h</hi> gesprochen. Ja sogar ein an- und ein<lb/>
auslautendes <hi rendition="#i">s</hi>, sobald es durch ein vorangehendes, vocalisch<lb/>
auslautendes oder ein nachfolgendes, vocalisch anlautendes<lb/>
Wort zwischen zwei Vocale zu stehen kommt, schwächt sich<lb/>
zu <hi rendition="#i">h</hi>. In <hi rendition="#i">suoch</hi> nein wird <hi rendition="#i">e</hi>, auch ohne dass ein Vocal<lb/>
vorherginge, wie <hi rendition="#i">h</hi> gesprochen. Da indessen diese Schwä-<lb/>
chung noch nicht bei allen Jakuten eingetreten ist, wird<lb/>
man mir die Beibehaltung des <hi rendition="#i">s</hi> zwischen zwei Vocalen<lb/>
hoffentlich nicht zum Vorwurf machen«, und dazu die An-<lb/>
merkung: »Die vorhandenen Wörtersammlungen weisen fast<lb/>
ohne Ausnahme <hi rendition="#i">s</hi> auf und auch die Russen in Jakutsk und<lb/>
sogar Uwarowskij, der in diesem Falle immer <hi rendition="#i">h</hi> spricht,<lb/>
schreiben <hi rendition="#i">s</hi>. Die Jakuten, mit denen Middendorf zusammen-<lb/>
kam, bemerkten, wenn sie auch <hi rendition="#i">kihi</hi> u. s. w. sprachen, dass<lb/>
es eigentlich <hi rendition="#i">kisi</hi> heissen müsse. Die Schwächung des <hi rendition="#i">s</hi> zu<lb/><hi rendition="#i">h</hi> lässt sich bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts ver-<lb/>
folgen, da Sauer neben <hi rendition="#i">busak</hi> (unser <hi rendition="#i">bysach</hi>) auch <hi rendition="#i">buhak</hi><lb/>
aufführt; Witsen schreibt immer <hi rendition="#i">s</hi><hi rendition="#i">Fiat applicatio!</hi><lb/></p>
        <p> Auch darüber dürfte wohl allgemeines Einverständniss<lb/>
herrschen, dass man alle Wirkungen der Associationen ab-<lb/>
ziehen muss, wenn man den gesetzmässig verlaufenden Laut-<lb/>
wandel rein darstellen will.<lb/></p>
        <p> Bis hierher scheint also Curtius, wenn ich ihn recht<lb/>
verstehe (was vielleicht nicht der Fall ist, da er sich, wie<lb/>
gesagt, über diesen Punkt nur aphoristisch äussert), nicht<lb/>
gerade Einwände zu erheben,  über welche  sich nicht  ein<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[15/0020] heit zu herrschen. Ich habe Einl. S. 124 dahin gehende Aeusserungen von Sievers und Brugmann beistimmend an- geführt, und will jetzt ein treffliches Beispiel aus Boeht- lingks jakutischer Grammatik hinzufügen, wo über den Uebergang von s in h (S. 62, § 139) Folgendes bemerkt wird: »s wird seit nicht gar langer Zeit von vielen Jakuten, namentlich von den Bewohnern der Stadt Jakutsk, zwischen zwei Vocalen wie h gesprochen. Ja sogar ein an- und ein auslautendes s, sobald es durch ein vorangehendes, vocalisch auslautendes oder ein nachfolgendes, vocalisch anlautendes Wort zwischen zwei Vocale zu stehen kommt, schwächt sich zu h. In suoch nein wird e, auch ohne dass ein Vocal vorherginge, wie h gesprochen. Da indessen diese Schwä- chung noch nicht bei allen Jakuten eingetreten ist, wird man mir die Beibehaltung des s zwischen zwei Vocalen hoffentlich nicht zum Vorwurf machen«, und dazu die An- merkung: »Die vorhandenen Wörtersammlungen weisen fast ohne Ausnahme s auf und auch die Russen in Jakutsk und sogar Uwarowskij, der in diesem Falle immer h spricht, schreiben s. Die Jakuten, mit denen Middendorf zusammen- kam, bemerkten, wenn sie auch kihi u. s. w. sprachen, dass es eigentlich kisi heissen müsse. Die Schwächung des s zu h lässt sich bis ans Ende des vorigen Jahrhunderts ver- folgen, da Sauer neben busak (unser bysach) auch buhak aufführt; Witsen schreibt immer s.« Fiat applicatio! Auch darüber dürfte wohl allgemeines Einverständniss herrschen, dass man alle Wirkungen der Associationen ab- ziehen muss, wenn man den gesetzmässig verlaufenden Laut- wandel rein darstellen will. Bis hierher scheint also Curtius, wenn ich ihn recht verstehe (was vielleicht nicht der Fall ist, da er sich, wie gesagt, über diesen Punkt nur aphoristisch äussert), nicht gerade Einwände zu erheben, über welche sich nicht ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/20
Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/20>, abgerufen am 20.04.2024.