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Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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nen zu der Bildung amphoreus und sie kam der Ausbreitung
dieser Form wirksam entgegen. Wenn wir aber constatiren,
dass es Fälle giebt, wo wegen der Isolirtheit des Vorganges
ein specielles Gesetz nicht aufgestellt werden kann, so ist
damit natürlich nicht die Berechtigung zugegeben, in sol-
chen Fällen Ausnahmen zuzulassen, wo ein Gesetz aufge-
stellt werden kann.

Das also bedeutet es, wenn behauptet wird: die Laut-
gesetze an sich sind ausnahmslos.
Wesentlich so hatte
ich, nicht wesentlich abweichend hatte Brugmann, hatte
Paul sich geäussert. Ich darf nun wohl fragen: Sind das
wirklich nomoi upsipodes ouranian di aithera tekhnothentes,
on Olumpos pater monos, oude nin thnata phusis aneron
etikten?
oder sind es Anschauungen, welche in sehr irdi-
schem Ringen mit der Widerspenstigkeit der Einzelthat-
sachen gewonnen sind?

Dass ich nun mit dieser Fassung nicht glaube etwas
Endgültiges erreicht zu haben, bedarf wohl nicht einer be-
sonderen Versicherung. Mir ist sehr wohl bewusst, dass
ein Fortschritt der Wissenschaft wieder eine Umformung
nöthig machen kann, und dass alle solche Zusammen-
fassungen nichts anderes sind, als (um mit Lotze zu reden)
unbehilfliche Formelausdrücke für nicht hinlänglich über-
schaute Thatsachen. Das gilt aber schliesslich, wenn man
will, von allem Philosophiren.

Aus dieser ganzen etwas lang ausgefallenen Erörterung
geht hervor, dass allerdings einige Meinungsverschieden-
heiten über theoretische Dinge zwischen uns vorhanden
sind, aber, wie mir scheint, nicht von solcher Art, dass nicht
eine allmähliche Verständigung erhofft werden könnte.

In der Praxis vollends haben diese Meinungsverschie-
denheiten keine Bedeutung. Wir sehen im Leben, dass die
theoretischen Ansichten über Freiheit oder Unfreiheit des

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nen zu der Bildung ἀμφορεύς und sie kam der Ausbreitung
dieser Form wirksam entgegen. Wenn wir aber constatiren,
dass es Fälle giebt, wo wegen der Isolirtheit des Vorganges
ein specielles Gesetz nicht aufgestellt werden kann, so ist
damit natürlich nicht die Berechtigung zugegeben, in sol-
chen Fällen Ausnahmen zuzulassen, wo ein Gesetz aufge-
stellt werden kann.

Das also bedeutet es, wenn behauptet wird: die Laut-
gesetze an sich sind ausnahmslos.
Wesentlich so hatte
ich, nicht wesentlich abweichend hatte Brugmann, hatte
Paul sich geäussert. Ich darf nun wohl fragen: Sind das
wirklich νόμοι ὑψίποδες οὐρανίαν δἰ αἰϑέρα τεχνωϑέντες,
ὧν Ὄλυμπος πατὴρ μόνος, οὐδέ νιν ϑνατὰ φύσις ἀνέρων
ἔτικτεν?
oder sind es Anschauungen, welche in sehr irdi-
schem Ringen mit der Widerspenstigkeit der Einzelthat-
sachen gewonnen sind?

Dass ich nun mit dieser Fassung nicht glaube etwas
Endgültiges erreicht zu haben, bedarf wohl nicht einer be-
sonderen Versicherung. Mir ist sehr wohl bewusst, dass
ein Fortschritt der Wissenschaft wieder eine Umformung
nöthig machen kann, und dass alle solche Zusammen-
fassungen nichts anderes sind, als (um mit Lotze zu reden)
unbehilfliche Formelausdrücke für nicht hinlänglich über-
schaute Thatsachen. Das gilt aber schliesslich, wenn man
will, von allem Philosophiren.

Aus dieser ganzen etwas lang ausgefallenen Erörterung
geht hervor, dass allerdings einige Meinungsverschieden-
heiten über theoretische Dinge zwischen uns vorhanden
sind, aber, wie mir scheint, nicht von solcher Art, dass nicht
eine allmähliche Verständigung erhofft werden könnte.

In der Praxis vollends haben diese Meinungsverschie-
denheiten keine Bedeutung. Wir sehen im Leben, dass die
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[19/0024] nen zu der Bildung ἀμφορεύς und sie kam der Ausbreitung dieser Form wirksam entgegen. Wenn wir aber constatiren, dass es Fälle giebt, wo wegen der Isolirtheit des Vorganges ein specielles Gesetz nicht aufgestellt werden kann, so ist damit natürlich nicht die Berechtigung zugegeben, in sol- chen Fällen Ausnahmen zuzulassen, wo ein Gesetz aufge- stellt werden kann. Das also bedeutet es, wenn behauptet wird: die Laut- gesetze an sich sind ausnahmslos. Wesentlich so hatte ich, nicht wesentlich abweichend hatte Brugmann, hatte Paul sich geäussert. Ich darf nun wohl fragen: Sind das wirklich νόμοι ὑψίποδες οὐρανίαν δἰ αἰϑέρα τεχνωϑέντες, ὧν Ὄλυμπος πατὴρ μόνος, οὐδέ νιν ϑνατὰ φύσις ἀνέρων ἔτικτεν? oder sind es Anschauungen, welche in sehr irdi- schem Ringen mit der Widerspenstigkeit der Einzelthat- sachen gewonnen sind? Dass ich nun mit dieser Fassung nicht glaube etwas Endgültiges erreicht zu haben, bedarf wohl nicht einer be- sonderen Versicherung. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ein Fortschritt der Wissenschaft wieder eine Umformung nöthig machen kann, und dass alle solche Zusammen- fassungen nichts anderes sind, als (um mit Lotze zu reden) unbehilfliche Formelausdrücke für nicht hinlänglich über- schaute Thatsachen. Das gilt aber schliesslich, wenn man will, von allem Philosophiren. Aus dieser ganzen etwas lang ausgefallenen Erörterung geht hervor, dass allerdings einige Meinungsverschieden- heiten über theoretische Dinge zwischen uns vorhanden sind, aber, wie mir scheint, nicht von solcher Art, dass nicht eine allmähliche Verständigung erhofft werden könnte. In der Praxis vollends haben diese Meinungsverschie- denheiten keine Bedeutung. Wir sehen im Leben, dass die theoretischen Ansichten über Freiheit oder Unfreiheit des 2*

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Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/24>, abgerufen am 28.03.2024.