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Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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wolle man noch bedenken, dass die Uebergänge, von denen
wir reden, in der That sehr nahe liegen. Man darf an-
nehmen, dass in der Ursprache a, ä, a vorhanden waren,1)
in Europa bildete sich ä zu e und a zu o um, in Asien
ward ä zu a, und a zu a. Im Bilde ausgedrückt: ein Laut,
der zwischen a und e schwebt, wird auf der einen Seite zu
e, auf der anderen zu a, und analog ging es dem a der
Ursprache. Diese Uebergänge (so muss man bei dieser Hy-
pothese annehmen) waren vollzogen, ehe die Festsetzung der
Alphabete in Indien und Persien stattfand.

Somit scheint mir schon aus dieser allgemeinen Er-
örterung ein Mehr der Wahrscheinlichkeit für die trinita-
rische Hypothese gegenüber der unitarischen vorhanden zu
sein. Dazu kommen die speciellen Gründe, und zwar zu-
nächst die speciellen Gründe für die Annahme eines e in
der Ursprache. Der hauptsächlichste Grund liegt in dem
Umstande, dass man das einstige Vorhandensein eines e in
der indisch-iranischen Gruppe noch in seiner Wirkung auf
gewisse Consonanten dieser Sprachen erkennen kann. Es
ist, wie Curtius S. 98 anführt, von verschiedenen Gelehrten
zu gleicher Zeit die Vermuthung aufgestellt worden, dass
an dem Uebergang indischer Gutturale -- ich beschränke
mich hier der Einfachheit wegen auf das Indische -- in
Palatale der einst hinter ihnen vorhanden gewesene e-Laut,
welcher im historischen Sanskrit zu a geworden ist, Schuld
sei. Curtius fügt hinzu: "von mir wird Niemand erwarten,
dass ich in die meinen Studien ferner liegenden Einzelhei-
ten eingehe." Diese Zurückhaltung ist nun zwar gerade an
dieser Stelle gefährlich, da die Richtigkeit der aufgestellten
Behauptung nur demjenigen vollständig aufgehen wird, der

1) Dass damit die sämmtlichen Nuancen angegeben seien, wird nicht
behauptet.

wolle man noch bedenken, dass die Uebergänge, von denen
wir reden, in der That sehr nahe liegen. Man darf an-
nehmen, dass in der Ursprache a, ä, å vorhanden waren,1)
in Europa bildete sich ä zu e und å zu ο um, in Asien
ward ä zu a, und å zu a. Im Bilde ausgedrückt: ein Laut,
der zwischen a und e schwebt, wird auf der einen Seite zu
e, auf der anderen zu a, und analog ging es dem å der
Ursprache. Diese Uebergänge (so muss man bei dieser Hy-
pothese annehmen) waren vollzogen, ehe die Festsetzung der
Alphabete in Indien und Persien stattfand.

Somit scheint mir schon aus dieser allgemeinen Er-
örterung ein Mehr der Wahrscheinlichkeit für die trinita-
rische Hypothese gegenüber der unitarischen vorhanden zu
sein. Dazu kommen die speciellen Gründe, und zwar zu-
nächst die speciellen Gründe für die Annahme eines e in
der Ursprache. Der hauptsächlichste Grund liegt in dem
Umstande, dass man das einstige Vorhandensein eines e in
der indisch-iranischen Gruppe noch in seiner Wirkung auf
gewisse Consonanten dieser Sprachen erkennen kann. Es
ist, wie Curtius S. 98 anführt, von verschiedenen Gelehrten
zu gleicher Zeit die Vermuthung aufgestellt worden, dass
an dem Uebergang indischer Gutturale — ich beschränke
mich hier der Einfachheit wegen auf das Indische — in
Palatale der einst hinter ihnen vorhanden gewesene e-Laut,
welcher im historischen Sanskrit zu a geworden ist, Schuld
sei. Curtius fügt hinzu: »von mir wird Niemand erwarten,
dass ich in die meinen Studien ferner liegenden Einzelhei-
ten eingehe.« Diese Zurückhaltung ist nun zwar gerade an
dieser Stelle gefährlich, da die Richtigkeit der aufgestellten
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1) Dass damit die sämmtlichen Nuancen angegeben seien, wird nicht
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[36/0041] wolle man noch bedenken, dass die Uebergänge, von denen wir reden, in der That sehr nahe liegen. Man darf an- nehmen, dass in der Ursprache a, ä, å vorhanden waren, 1) in Europa bildete sich ä zu e und å zu ο um, in Asien ward ä zu a, und å zu a. Im Bilde ausgedrückt: ein Laut, der zwischen a und e schwebt, wird auf der einen Seite zu e, auf der anderen zu a, und analog ging es dem å der Ursprache. Diese Uebergänge (so muss man bei dieser Hy- pothese annehmen) waren vollzogen, ehe die Festsetzung der Alphabete in Indien und Persien stattfand. Somit scheint mir schon aus dieser allgemeinen Er- örterung ein Mehr der Wahrscheinlichkeit für die trinita- rische Hypothese gegenüber der unitarischen vorhanden zu sein. Dazu kommen die speciellen Gründe, und zwar zu- nächst die speciellen Gründe für die Annahme eines e in der Ursprache. Der hauptsächlichste Grund liegt in dem Umstande, dass man das einstige Vorhandensein eines e in der indisch-iranischen Gruppe noch in seiner Wirkung auf gewisse Consonanten dieser Sprachen erkennen kann. Es ist, wie Curtius S. 98 anführt, von verschiedenen Gelehrten zu gleicher Zeit die Vermuthung aufgestellt worden, dass an dem Uebergang indischer Gutturale — ich beschränke mich hier der Einfachheit wegen auf das Indische — in Palatale der einst hinter ihnen vorhanden gewesene e-Laut, welcher im historischen Sanskrit zu a geworden ist, Schuld sei. Curtius fügt hinzu: »von mir wird Niemand erwarten, dass ich in die meinen Studien ferner liegenden Einzelhei- ten eingehe.« Diese Zurückhaltung ist nun zwar gerade an dieser Stelle gefährlich, da die Richtigkeit der aufgestellten Behauptung nur demjenigen vollständig aufgehen wird, der 1) Dass damit die sämmtlichen Nuancen angegeben seien, wird nicht behauptet.

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Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/41>, abgerufen am 25.04.2024.