Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

Daher die sonst listige Frau oft pflegte zu sagen: sie hätte so manchen Menschen ausgeforschet, aber aus mir könnte sie nicht klug werden.

Es mußt an nichts fehlen. Essen und Trinken, sonderlich Franzbranntwein, war gnug. Und hatt' mein Herr und Frau täglich nur zwei Rausch. Daher auch Armut folgete, ob er gleich alle Monat über siebenzig Thaler bekam. Wann er des Morgens nicht Franzbranntwein getrunken, zitterte er und konnte nicht das Geringste verrichten, bis er ein Schopp-Gläschen voll einhatte. Da ging's gut. - Also siehet man, wie eine böse Gewohnheit zur andern Natur wird, wie ferner soll erzählet werden.

In solcher ihrer Sauf-Armut wollten sie doch gleichwohl gern groß angesehen sein und mitmachen, wie es der Landesgebrauch, jährlich einen oder zwei Ochsen und fünf bis sechs Schweine einzuschlachten, davon die Leute nach dortiger Art das ganze Jahr haushalten mit Grützwürsten, Grabenbraten, so ein gedämpft Fleisch, Pökelfleisch geräuchert etc. Daß man also das ganze Jahr selten etwas frisch Fleisch einkauft; ausgenommen an Federviehe und Fischen, so häufig da sind.

Und weil also selbige gewahrgenommen, daß ich ziemlichen Vorrat an Gelde hatte, ließen sie nicht nach, ich mußte ihn'n vierzig Thaler lehnen, so sie mir zu allem Dank in kurzer Zeit wiederzugeben in einem Brief zusagten. Aber nichts weniger war das ihr Ernst. Denn das thaten sie in der Absicht, mich zu binden und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen und nichts wiederzugeben! NB.

Ich wartet' der Zeit lange vergebens. Aber nichts. Und hätten gern mehr gehabt! Und weil sie wohl sahen, daß ich nicht anbeißen und den Jungfrauen spendieren wollte, gab es etliche Mal Irrungen, daß ich endlich der Sache überdrüssig wurde und auf hartes Anmahnen bei

Daher die sonst listige Frau oft pflegte zu sagen: sie hätte so manchen Menschen ausgeforschet, aber aus mir könnte sie nicht klug werden.

Es mußt an nichts fehlen. Essen und Trinken, sonderlich Franzbranntwein, war gnug. Und hatt’ mein Herr und Frau täglich nur zwei Rausch. Daher auch Armut folgete, ob er gleich alle Monat über siebenzig Thaler bekam. Wann er des Morgens nicht Franzbranntwein getrunken, zitterte er und konnte nicht das Geringste verrichten, bis er ein Schopp-Gläschen voll einhatte. Da ging’s gut. – Also siehet man, wie eine böse Gewohnheit zur andern Natur wird, wie ferner soll erzählet werden.

In solcher ihrer Sauf-Armut wollten sie doch gleichwohl gern groß angesehen sein und mitmachen, wie es der Landesgebrauch, jährlich einen oder zwei Ochsen und fünf bis sechs Schweine einzuschlachten, davon die Leute nach dortiger Art das ganze Jahr haushalten mit Grützwürsten, Grabenbraten, so ein gedämpft Fleisch, Pökelfleisch geräuchert etc. Daß man also das ganze Jahr selten etwas frisch Fleisch einkauft; ausgenommen an Federviehe und Fischen, so häufig da sind.

Und weil also selbige gewahrgenommen, daß ich ziemlichen Vorrat an Gelde hatte, ließen sie nicht nach, ich mußte ihn’n vierzig Thaler lehnen, so sie mir zu allem Dank in kurzer Zeit wiederzugeben in einem Brief zusagten. Aber nichts weniger war das ihr Ernst. Denn das thaten sie in der Absicht, mich zu binden und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen und nichts wiederzugeben! NB.

Ich wartet’ der Zeit lange vergebens. Aber nichts. Und hätten gern mehr gehabt! Und weil sie wohl sahen, daß ich nicht anbeißen und den Jungfrauen spendieren wollte, gab es etliche Mal Irrungen, daß ich endlich der Sache überdrüssig wurde und auf hartes Anmahnen bei

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0107"/>
Daher die sonst listige Frau oft pflegte zu sagen: sie hätte so manchen Menschen ausgeforschet, aber aus mir könnte sie nicht klug werden.</p>
          <p>Es mußt an nichts fehlen. Essen und Trinken, sonderlich Franzbranntwein, war gnug. Und hatt&#x2019; mein Herr und Frau täglich nur zwei Rausch. Daher auch Armut folgete, ob er gleich alle Monat über siebenzig Thaler bekam. Wann er des Morgens nicht Franzbranntwein getrunken, zitterte er und konnte nicht das Geringste verrichten, bis er ein Schopp-Gläschen voll einhatte. Da ging&#x2019;s gut. &#x2013; Also siehet man, wie eine böse Gewohnheit zur andern Natur wird, wie ferner soll erzählet werden.</p>
          <p>In solcher ihrer Sauf-Armut wollten sie doch gleichwohl gern groß angesehen sein und mitmachen, wie es der Landesgebrauch, jährlich einen oder zwei Ochsen und fünf bis sechs Schweine einzuschlachten, davon die Leute nach dortiger Art das ganze Jahr haushalten mit Grützwürsten, Grabenbraten, so ein gedämpft Fleisch, Pökelfleisch geräuchert etc. Daß man also das ganze Jahr selten etwas frisch Fleisch einkauft; ausgenommen an Federviehe und Fischen, so häufig da sind.</p>
          <p>Und weil also selbige gewahrgenommen, daß ich ziemlichen Vorrat an Gelde hatte, ließen sie nicht nach, ich mußte ihn&#x2019;n vierzig Thaler lehnen, so sie mir zu allem Dank in kurzer Zeit wiederzugeben in einem Brief zusagten. Aber nichts weniger war das ihr Ernst. Denn das thaten sie in der Absicht, mich zu binden und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen und nichts wiederzugeben! <hi rendition="#aq">NB</hi>.</p>
          <p>Ich wartet&#x2019; der Zeit lange vergebens. Aber nichts. Und hätten gern mehr gehabt! Und weil sie wohl sahen, daß ich nicht anbeißen und den Jungfrauen spendieren wollte, gab es etliche Mal Irrungen, daß ich endlich der Sache überdrüssig wurde und auf hartes Anmahnen bei
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0107] Daher die sonst listige Frau oft pflegte zu sagen: sie hätte so manchen Menschen ausgeforschet, aber aus mir könnte sie nicht klug werden. Es mußt an nichts fehlen. Essen und Trinken, sonderlich Franzbranntwein, war gnug. Und hatt’ mein Herr und Frau täglich nur zwei Rausch. Daher auch Armut folgete, ob er gleich alle Monat über siebenzig Thaler bekam. Wann er des Morgens nicht Franzbranntwein getrunken, zitterte er und konnte nicht das Geringste verrichten, bis er ein Schopp-Gläschen voll einhatte. Da ging’s gut. – Also siehet man, wie eine böse Gewohnheit zur andern Natur wird, wie ferner soll erzählet werden. In solcher ihrer Sauf-Armut wollten sie doch gleichwohl gern groß angesehen sein und mitmachen, wie es der Landesgebrauch, jährlich einen oder zwei Ochsen und fünf bis sechs Schweine einzuschlachten, davon die Leute nach dortiger Art das ganze Jahr haushalten mit Grützwürsten, Grabenbraten, so ein gedämpft Fleisch, Pökelfleisch geräuchert etc. Daß man also das ganze Jahr selten etwas frisch Fleisch einkauft; ausgenommen an Federviehe und Fischen, so häufig da sind. Und weil also selbige gewahrgenommen, daß ich ziemlichen Vorrat an Gelde hatte, ließen sie nicht nach, ich mußte ihn’n vierzig Thaler lehnen, so sie mir zu allem Dank in kurzer Zeit wiederzugeben in einem Brief zusagten. Aber nichts weniger war das ihr Ernst. Denn das thaten sie in der Absicht, mich zu binden und nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen und nichts wiederzugeben! NB. Ich wartet’ der Zeit lange vergebens. Aber nichts. Und hätten gern mehr gehabt! Und weil sie wohl sahen, daß ich nicht anbeißen und den Jungfrauen spendieren wollte, gab es etliche Mal Irrungen, daß ich endlich der Sache überdrüssig wurde und auf hartes Anmahnen bei

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/107
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/107>, abgerufen am 24.04.2024.