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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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und wir alleine. - Gingen ins Eis. Das lag von beiden Seiten des Schiffs, wie große Berge, ganz blau, wie Kupferwasser, und so tief im Wasser. Wir legten unser Schiff an dergleichen Eisberg, welcher wohl eine halbe Meil in die Länge und Breite hatte, an mit einem Eis-Anker.

Wir hatten kaum zwei Stunden gelegen, schrie die Wachte: "Wal, Wal!" Da ward ein Getümmel. Jeder lief an sein Werk und setzten die Schaluppen auf die See, so am Schiff hingen, und sprangen je sechs Mann nebenst einem Harpunier in eine. Damit ging's los auf einen großen Walfisch, welcher ohnfern in See lag und aus seinem Kopf durch zwei Röhren hoch, wie manches Haus, blies, mit solchem Gebrause, daß man's weit hören kunnte. Die Schaluppen eileten mit, wie ein Pfeil, dem Fisch von hinterwärts zu. Denn vorwärts dürfen sie ihm nicht kommen; denn er mit Gewalt umb sich schmeißet und gleich fortgehet; denn er den Menschen sehr fürchtet und vor ihm fliehet; wie hernach folget.

Wann sie nun dichte an ihn in der Geschwindigkeit gestrichen, so stehet vorne auf der Kaue ein Harpunier. Ist ein Mann, der mit einem scharfen, spitzigen, stählernen Pfeil, so an einer dreielligten Stange festgemacht und wohl sechs Pfund schwer ist, den Walfisch mit der größten und gewissesten Force in'n Leib wirft. An der Stange ist die Leine fest gemacht, welche mitten in der Schaluppe ganz ordentlich in Reff geleget, daß selbige sich nicht verwirren kann, so bald der Fisch den Wurf fühlet, (ob es ihm wohl nicht wehe thun kann, denn es nur äußerlich, durch die Haut und ins Fett, welches wohl eine halbe Elle dick, gehet) so fähret er mit der geschwindesten Gewalt in die Tiefe fort, und öfters wohl eine viertel Meil unter Wasser oder Eis. Weil aber das Thier grausam groß, fett und hitzig, kann es von dem schnellen Lauf und starker Bewegung nicht lange unter

und wir alleine. – Gingen ins Eis. Das lag von beiden Seiten des Schiffs, wie große Berge, ganz blau, wie Kupferwasser, und so tief im Wasser. Wir legten unser Schiff an dergleichen Eisberg, welcher wohl eine halbe Meil in die Länge und Breite hatte, an mit einem Eis-Anker.

Wir hatten kaum zwei Stunden gelegen, schrie die Wachte: „Wal, Wal!“ Da ward ein Getümmel. Jeder lief an sein Werk und setzten die Schaluppen auf die See, so am Schiff hingen, und sprangen je sechs Mann nebenst einem Harpunier in eine. Damit ging’s los auf einen großen Walfisch, welcher ohnfern in See lag und aus seinem Kopf durch zwei Röhren hoch, wie manches Haus, blies, mit solchem Gebrause, daß man’s weit hören kunnte. Die Schaluppen eileten mit, wie ein Pfeil, dem Fisch von hinterwärts zu. Denn vorwärts dürfen sie ihm nicht kommen; denn er mit Gewalt umb sich schmeißet und gleich fortgehet; denn er den Menschen sehr fürchtet und vor ihm fliehet; wie hernach folget.

Wann sie nun dichte an ihn in der Geschwindigkeit gestrichen, so stehet vorne auf der Kaue ein Harpunier. Ist ein Mann, der mit einem scharfen, spitzigen, stählernen Pfeil, so an einer dreielligten Stange festgemacht und wohl sechs Pfund schwer ist, den Walfisch mit der größten und gewissesten Force in’n Leib wirft. An der Stange ist die Leine fest gemacht, welche mitten in der Schaluppe ganz ordentlich in Reff geleget, daß selbige sich nicht verwirren kann, so bald der Fisch den Wurf fühlet, (ob es ihm wohl nicht wehe thun kann, denn es nur äußerlich, durch die Haut und ins Fett, welches wohl eine halbe Elle dick, gehet) so fähret er mit der geschwindesten Gewalt in die Tiefe fort, und öfters wohl eine viertel Meil unter Wasser oder Eis. Weil aber das Thier grausam groß, fett und hitzig, kann es von dem schnellen Lauf und starker Bewegung nicht lange unter

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[0126] und wir alleine. – Gingen ins Eis. Das lag von beiden Seiten des Schiffs, wie große Berge, ganz blau, wie Kupferwasser, und so tief im Wasser. Wir legten unser Schiff an dergleichen Eisberg, welcher wohl eine halbe Meil in die Länge und Breite hatte, an mit einem Eis-Anker. Wir hatten kaum zwei Stunden gelegen, schrie die Wachte: „Wal, Wal!“ Da ward ein Getümmel. Jeder lief an sein Werk und setzten die Schaluppen auf die See, so am Schiff hingen, und sprangen je sechs Mann nebenst einem Harpunier in eine. Damit ging’s los auf einen großen Walfisch, welcher ohnfern in See lag und aus seinem Kopf durch zwei Röhren hoch, wie manches Haus, blies, mit solchem Gebrause, daß man’s weit hören kunnte. Die Schaluppen eileten mit, wie ein Pfeil, dem Fisch von hinterwärts zu. Denn vorwärts dürfen sie ihm nicht kommen; denn er mit Gewalt umb sich schmeißet und gleich fortgehet; denn er den Menschen sehr fürchtet und vor ihm fliehet; wie hernach folget. Wann sie nun dichte an ihn in der Geschwindigkeit gestrichen, so stehet vorne auf der Kaue ein Harpunier. Ist ein Mann, der mit einem scharfen, spitzigen, stählernen Pfeil, so an einer dreielligten Stange festgemacht und wohl sechs Pfund schwer ist, den Walfisch mit der größten und gewissesten Force in’n Leib wirft. An der Stange ist die Leine fest gemacht, welche mitten in der Schaluppe ganz ordentlich in Reff geleget, daß selbige sich nicht verwirren kann, so bald der Fisch den Wurf fühlet, (ob es ihm wohl nicht wehe thun kann, denn es nur äußerlich, durch die Haut und ins Fett, welches wohl eine halbe Elle dick, gehet) so fähret er mit der geschwindesten Gewalt in die Tiefe fort, und öfters wohl eine viertel Meil unter Wasser oder Eis. Weil aber das Thier grausam groß, fett und hitzig, kann es von dem schnellen Lauf und starker Bewegung nicht lange unter

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/126>, abgerufen am 23.04.2024.