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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Nun wieder auf mein propos zu kommen; so bekam ich mein Quartier nach Pinneberg, nicht weit von Hamburg, bei einem Bauer. Und weil er ein junger Anfänger war und keine Betten überlei hatte, mußte ich mit in seinem Bette liegen. Nämlich er, der Wirt, in der Mitte, ich an einem, und die Frau am andern Ende. Ich machte mir daraus nichts, weil es feine, rendliche, junge Leute waren. Denn ich habe mein Tage keinen Wirt gekränket, oder Verdruß und das Leben schwer gemacht (wie mir itzt widerfähret in meinem Alter), sondern die Leute haben oft geweinet, wann ich aus dem Quartier gezogen. Daher ich auch allen Willen hatte, und sie mir viel Gutes thaten. Bei diesem Wirt regierete ich alles im Hause und auf dem Felde, sie hatten keine Kinder, sondern Vater und Mutter zu verpflegen.

Hier bekam ich einen gefährlichen Patienten, welcher mir viel schlaflose Nächte machte. Es hatte nämlich ein Kerl mit seinem membro Bosheit getrieben und, als solches hart geschwollen, es zugebunden, daß es schwarz worden, und es niemand sagen wollen; endlich schneidt er's gar ab. Da wurde ich geholet, als er da im Blute lag. Doch brachte ich ihn wieder zurecht. Allein mit tausend Sorgen. Wie ich jederzeit hatte für meine Patienten und fleißig zu GOtt betete, umb Glück zur Kur. Und gewiß, ich meine Patienten in den größten, gefährlichen Zuständen auch zur wahren Buße und Gebet, auch im Sterben, vermahnet. Und gewiß, die Krankheit, Wunden und der Tod kommen von der Sünde und sind eine Strafe der Sünde. Soll nun GOtt zur Genesung helfen, als der rechte Arzt des Leibes und der Seele, so muß es mit Buße, Glauben und Gebet erlanget werden. Wie ich denn hierinnen Wunder gesehen und erfahren: daß ohnmögliche Dinge für andern, doch sind möglich geworden. Wie ich vor mich gar viel Exempel, auch hier

Nun wieder auf mein propos zu kommen; so bekam ich mein Quartier nach Pinneberg, nicht weit von Hamburg, bei einem Bauer. Und weil er ein junger Anfänger war und keine Betten überlei hatte, mußte ich mit in seinem Bette liegen. Nämlich er, der Wirt, in der Mitte, ich an einem, und die Frau am andern Ende. Ich machte mir daraus nichts, weil es feine, rendliche, junge Leute waren. Denn ich habe mein Tage keinen Wirt gekränket, oder Verdruß und das Leben schwer gemacht (wie mir itzt widerfähret in meinem Alter), sondern die Leute haben oft geweinet, wann ich aus dem Quartier gezogen. Daher ich auch allen Willen hatte, und sie mir viel Gutes thaten. Bei diesem Wirt regierete ich alles im Hause und auf dem Felde, sie hatten keine Kinder, sondern Vater und Mutter zu verpflegen.

Hier bekam ich einen gefährlichen Patienten, welcher mir viel schlaflose Nächte machte. Es hatte nämlich ein Kerl mit seinem membro Bosheit getrieben und, als solches hart geschwollen, es zugebunden, daß es schwarz worden, und es niemand sagen wollen; endlich schneidt er’s gar ab. Da wurde ich geholet, als er da im Blute lag. Doch brachte ich ihn wieder zurecht. Allein mit tausend Sorgen. Wie ich jederzeit hatte für meine Patienten und fleißig zu GOtt betete, umb Glück zur Kur. Und gewiß, ich meine Patienten in den größten, gefährlichen Zuständen auch zur wahren Buße und Gebet, auch im Sterben, vermahnet. Und gewiß, die Krankheit, Wunden und der Tod kommen von der Sünde und sind eine Strafe der Sünde. Soll nun GOtt zur Genesung helfen, als der rechte Arzt des Leibes und der Seele, so muß es mit Buße, Glauben und Gebet erlanget werden. Wie ich denn hierinnen Wunder gesehen und erfahren: daß ohnmögliche Dinge für andern, doch sind möglich geworden. Wie ich vor mich gar viel Exempel, auch hier

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[0184] Nun wieder auf mein propos zu kommen; so bekam ich mein Quartier nach Pinneberg, nicht weit von Hamburg, bei einem Bauer. Und weil er ein junger Anfänger war und keine Betten überlei hatte, mußte ich mit in seinem Bette liegen. Nämlich er, der Wirt, in der Mitte, ich an einem, und die Frau am andern Ende. Ich machte mir daraus nichts, weil es feine, rendliche, junge Leute waren. Denn ich habe mein Tage keinen Wirt gekränket, oder Verdruß und das Leben schwer gemacht (wie mir itzt widerfähret in meinem Alter), sondern die Leute haben oft geweinet, wann ich aus dem Quartier gezogen. Daher ich auch allen Willen hatte, und sie mir viel Gutes thaten. Bei diesem Wirt regierete ich alles im Hause und auf dem Felde, sie hatten keine Kinder, sondern Vater und Mutter zu verpflegen. Hier bekam ich einen gefährlichen Patienten, welcher mir viel schlaflose Nächte machte. Es hatte nämlich ein Kerl mit seinem membro Bosheit getrieben und, als solches hart geschwollen, es zugebunden, daß es schwarz worden, und es niemand sagen wollen; endlich schneidt er’s gar ab. Da wurde ich geholet, als er da im Blute lag. Doch brachte ich ihn wieder zurecht. Allein mit tausend Sorgen. Wie ich jederzeit hatte für meine Patienten und fleißig zu GOtt betete, umb Glück zur Kur. Und gewiß, ich meine Patienten in den größten, gefährlichen Zuständen auch zur wahren Buße und Gebet, auch im Sterben, vermahnet. Und gewiß, die Krankheit, Wunden und der Tod kommen von der Sünde und sind eine Strafe der Sünde. Soll nun GOtt zur Genesung helfen, als der rechte Arzt des Leibes und der Seele, so muß es mit Buße, Glauben und Gebet erlanget werden. Wie ich denn hierinnen Wunder gesehen und erfahren: daß ohnmögliche Dinge für andern, doch sind möglich geworden. Wie ich vor mich gar viel Exempel, auch hier

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/184>, abgerufen am 20.04.2024.