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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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ihn'n befohlen, meine Bestallung auszufertigen. Aber es geschahe nicht. Und durften sie mir expresse unter die Augen sagen: ich kriegte es nicht; denn der Herzog habe so Leute gnug und dürfe keine neue Bestallung machen. - Ich dachte bei mir: "So sind Fürsten und Herren auch ihrer Diener und Räthe Sklaven und können nicht thun, was sie wollen."

Dieses sagte ich dem Herzog und der Herzogin wieder, welche sehr eiferten und es nochmals ernstlich befehlen ließen. Aber es wurd nichts draus.

Indessen lief ein Jahr hin und ich sollte meinem Kammermädgen, welche mir alle ersinnliche Liebe und Wohlthat erwies, Versprechung thun, sie zu heiraten. Denn würde sich schon alles geben! - Ich sagte aber: "Nein; wann ich nicht schwarz auf weiß und des Fürstens Kammerverschreibung bekomme, verspreche ich mich gar nicht. Denn, wann es nicht gewiß wird, wie es scheinet, kann ich mich hinwenden, wo ich mein Glück finde, was würde ihr damit geholfen sein, wann ich eine Frau, und sie einen Mann ohn Brot und Subsistenz hätte?" - Sie wollte aber nichts davon hören. Stellete immer Gastgebot und Reisen auf die fürstlichen Güter mit mir an. Aber ich nahm mich in acht.

Sie wußten alle am Hof, daß ich kein starker Trinker war; deshalb sie es so angestellet, mir immer weidlich zuzusaufen. Wie ich denn täglich bei dem Kammertisch oder bei dem Frauenzimmer speisete und ihn'n allen allerhand auf gut hallische, deutsche Mode Kurzweil machte, von alten Geschichten redete, endlich gar einen Zigeuner abgab und ihnen die gute Wahrheit unter einer Manier sagte. Einiges eintraf. Daher sie alle die Wahrheit wissen wollten. Und bringen es auch gar vor die Herzogin, daß ich allen, auch denen beiden Prinzen, in die Hand und Gesicht die zukünftigen Fälle gesaget.

ihn’n befohlen, meine Bestallung auszufertigen. Aber es geschahe nicht. Und durften sie mir expresse unter die Augen sagen: ich kriegte es nicht; denn der Herzog habe so Leute gnug und dürfe keine neue Bestallung machen. – Ich dachte bei mir: „So sind Fürsten und Herren auch ihrer Diener und Räthe Sklaven und können nicht thun, was sie wollen.“

Dieses sagte ich dem Herzog und der Herzogin wieder, welche sehr eiferten und es nochmals ernstlich befehlen ließen. Aber es wurd nichts draus.

Indessen lief ein Jahr hin und ich sollte meinem Kammermädgen, welche mir alle ersinnliche Liebe und Wohlthat erwies, Versprechung thun, sie zu heiraten. Denn würde sich schon alles geben! – Ich sagte aber: „Nein; wann ich nicht schwarz auf weiß und des Fürstens Kammerverschreibung bekomme, verspreche ich mich gar nicht. Denn, wann es nicht gewiß wird, wie es scheinet, kann ich mich hinwenden, wo ich mein Glück finde, was würde ihr damit geholfen sein, wann ich eine Frau, und sie einen Mann ohn Brot und Subsistenz hätte?“ – Sie wollte aber nichts davon hören. Stellete immer Gastgebot und Reisen auf die fürstlichen Güter mit mir an. Aber ich nahm mich in acht.

Sie wußten alle am Hof, daß ich kein starker Trinker war; deshalb sie es so angestellet, mir immer weidlich zuzusaufen. Wie ich denn täglich bei dem Kammertisch oder bei dem Frauenzimmer speisete und ihn’n allen allerhand auf gut hallische, deutsche Mode Kurzweil machte, von alten Geschichten redete, endlich gar einen Zigeuner abgab und ihnen die gute Wahrheit unter einer Manier sagte. Einiges eintraf. Daher sie alle die Wahrheit wissen wollten. Und bringen es auch gar vor die Herzogin, daß ich allen, auch denen beiden Prinzen, in die Hand und Gesicht die zukünftigen Fälle gesaget.

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[0202] ihn’n befohlen, meine Bestallung auszufertigen. Aber es geschahe nicht. Und durften sie mir expresse unter die Augen sagen: ich kriegte es nicht; denn der Herzog habe so Leute gnug und dürfe keine neue Bestallung machen. – Ich dachte bei mir: „So sind Fürsten und Herren auch ihrer Diener und Räthe Sklaven und können nicht thun, was sie wollen.“ Dieses sagte ich dem Herzog und der Herzogin wieder, welche sehr eiferten und es nochmals ernstlich befehlen ließen. Aber es wurd nichts draus. Indessen lief ein Jahr hin und ich sollte meinem Kammermädgen, welche mir alle ersinnliche Liebe und Wohlthat erwies, Versprechung thun, sie zu heiraten. Denn würde sich schon alles geben! – Ich sagte aber: „Nein; wann ich nicht schwarz auf weiß und des Fürstens Kammerverschreibung bekomme, verspreche ich mich gar nicht. Denn, wann es nicht gewiß wird, wie es scheinet, kann ich mich hinwenden, wo ich mein Glück finde, was würde ihr damit geholfen sein, wann ich eine Frau, und sie einen Mann ohn Brot und Subsistenz hätte?“ – Sie wollte aber nichts davon hören. Stellete immer Gastgebot und Reisen auf die fürstlichen Güter mit mir an. Aber ich nahm mich in acht. Sie wußten alle am Hof, daß ich kein starker Trinker war; deshalb sie es so angestellet, mir immer weidlich zuzusaufen. Wie ich denn täglich bei dem Kammertisch oder bei dem Frauenzimmer speisete und ihn’n allen allerhand auf gut hallische, deutsche Mode Kurzweil machte, von alten Geschichten redete, endlich gar einen Zigeuner abgab und ihnen die gute Wahrheit unter einer Manier sagte. Einiges eintraf. Daher sie alle die Wahrheit wissen wollten. Und bringen es auch gar vor die Herzogin, daß ich allen, auch denen beiden Prinzen, in die Hand und Gesicht die zukünftigen Fälle gesaget.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/202>, abgerufen am 25.04.2024.