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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Thaler der Mansbergerischen Tochter vor ihre Barbierstube (so sie vermeinet, erloschen und vergessen zu sein) restituieren und Geißlern hernach eine neue Barbierstube mit großen Kosten konfirmieren lassen mußten. - Da kriegeten sie ihren ungetreuen Lohn vor mich bezahlt!

Es konnte sein, daß meinem Lehrherrn, der mich so sehr verfolgete, als er itzt an einer warm gegessenen Rotwurst sterben sollte, das Gewissen aufwachte. Denn er hatte immer gerufen: "Ach, wo ist Dietz, ach, wo ist Dietz? Laßt Dietzen kommen, daß ich ihm meine Barbierstube gebe." - Aber, das war zu spät. Denn das wollte nun niemand hören, noch wegen ihres eigenen Intresses wissen. Summa: er starb und das Seine ist alles zerstreuet, daß seine Tochter itzt betteln gehen muß; wie vor Augen.

Weil die Leute sahen, daß ich Ruhe hatte und meine Barbierstube gut forttriebe, (denn zuvor hieß es: er muß wieder fort; wie es denn gehet, daß sich böse Leute über ander Unglück freuen!) da hatte ich Not mit freien. Denn bisher hatte ich über Jahr und Tag so Haus gehalten ohne Frau. Dahero sich allerhand Frauensvolk Gelegenheit machten.

Insonderheit lag mir die Frau Bäckermeister Lietzkau, als meine Pathe, sehr an: ich sollte die Frau Watzlauen heiraten. Ob sie wohl drei Kinder, hätte sie doch das schöne Haus, ihre Barbierstube, und wann ihr Vater stürbe, kriegte sie nach wohl zweitausend Thaler. Ich hörete alles dies mit kalten Ohren an und dachte weit höher hinaus. Denn ich wohl Rathsherrn-Töchter bekommen konnte.

In Eisleben wurde mir eines Schöffens Tochter, welche bei ihrem Vormund war, zu heiraten rekommandieret. Ich reisete dahin. Und da ich bei dem Herrn Vormund kam, welcher Wein schänkte, hatte ich gute Gelegenheit, ein Glas Wein zu fordern, welches mir die Jungfer holen mußte.

Thaler der Mansbergerischen Tochter vor ihre Barbierstube (so sie vermeinet, erloschen und vergessen zu sein) restituieren und Geißlern hernach eine neue Barbierstube mit großen Kosten konfirmieren lassen mußten. – Da kriegeten sie ihren ungetreuen Lohn vor mich bezahlt!

Es konnte sein, daß meinem Lehrherrn, der mich so sehr verfolgete, als er itzt an einer warm gegessenen Rotwurst sterben sollte, das Gewissen aufwachte. Denn er hatte immer gerufen: „Ach, wo ist Dietz, ach, wo ist Dietz? Laßt Dietzen kommen, daß ich ihm meine Barbierstube gebe.“ – Aber, das war zu spät. Denn das wollte nun niemand hören, noch wegen ihres eigenen Intresses wissen. Summa: er starb und das Seine ist alles zerstreuet, daß seine Tochter itzt betteln gehen muß; wie vor Augen.

Weil die Leute sahen, daß ich Ruhe hatte und meine Barbierstube gut forttriebe, (denn zuvor hieß es: er muß wieder fort; wie es denn gehet, daß sich böse Leute über ander Unglück freuen!) da hatte ich Not mit freien. Denn bisher hatte ich über Jahr und Tag so Haus gehalten ohne Frau. Dahero sich allerhand Frauensvolk Gelegenheit machten.

Insonderheit lag mir die Frau Bäckermeister Lietzkau, als meine Pathe, sehr an: ich sollte die Frau Watzlauen heiraten. Ob sie wohl drei Kinder, hätte sie doch das schöne Haus, ihre Barbierstube, und wann ihr Vater stürbe, kriegte sie nach wohl zweitausend Thaler. Ich hörete alles dies mit kalten Ohren an und dachte weit höher hinaus. Denn ich wohl Rathsherrn-Töchter bekommen konnte.

In Eisleben wurde mir eines Schöffens Tochter, welche bei ihrem Vormund war, zu heiraten rekommandieret. Ich reisete dahin. Und da ich bei dem Herrn Vormund kam, welcher Wein schänkte, hatte ich gute Gelegenheit, ein Glas Wein zu fordern, welches mir die Jungfer holen mußte.

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          <p>Insonderheit lag mir die Frau Bäckermeister Lietzkau, als meine Pathe, sehr an: ich sollte die Frau Watzlauen heiraten. Ob sie wohl drei Kinder, hätte sie doch das schöne Haus, ihre Barbierstube, und wann ihr Vater stürbe, kriegte sie nach wohl zweitausend Thaler. Ich hörete alles dies mit kalten Ohren an und dachte weit höher hinaus. Denn ich wohl Rathsherrn-Töchter bekommen konnte.</p>
          <p>In Eisleben wurde mir eines Schöffens Tochter, welche bei ihrem Vormund war, zu heiraten rekommandieret. Ich reisete dahin. Und da ich bei dem Herrn Vormund kam, welcher Wein schänkte, hatte ich gute Gelegenheit, ein Glas Wein zu fordern, welches mir die Jungfer holen mußte.</p>
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[0229] Thaler der Mansbergerischen Tochter vor ihre Barbierstube (so sie vermeinet, erloschen und vergessen zu sein) restituieren und Geißlern hernach eine neue Barbierstube mit großen Kosten konfirmieren lassen mußten. – Da kriegeten sie ihren ungetreuen Lohn vor mich bezahlt! Es konnte sein, daß meinem Lehrherrn, der mich so sehr verfolgete, als er itzt an einer warm gegessenen Rotwurst sterben sollte, das Gewissen aufwachte. Denn er hatte immer gerufen: „Ach, wo ist Dietz, ach, wo ist Dietz? Laßt Dietzen kommen, daß ich ihm meine Barbierstube gebe.“ – Aber, das war zu spät. Denn das wollte nun niemand hören, noch wegen ihres eigenen Intresses wissen. Summa: er starb und das Seine ist alles zerstreuet, daß seine Tochter itzt betteln gehen muß; wie vor Augen. Weil die Leute sahen, daß ich Ruhe hatte und meine Barbierstube gut forttriebe, (denn zuvor hieß es: er muß wieder fort; wie es denn gehet, daß sich böse Leute über ander Unglück freuen!) da hatte ich Not mit freien. Denn bisher hatte ich über Jahr und Tag so Haus gehalten ohne Frau. Dahero sich allerhand Frauensvolk Gelegenheit machten. Insonderheit lag mir die Frau Bäckermeister Lietzkau, als meine Pathe, sehr an: ich sollte die Frau Watzlauen heiraten. Ob sie wohl drei Kinder, hätte sie doch das schöne Haus, ihre Barbierstube, und wann ihr Vater stürbe, kriegte sie nach wohl zweitausend Thaler. Ich hörete alles dies mit kalten Ohren an und dachte weit höher hinaus. Denn ich wohl Rathsherrn-Töchter bekommen konnte. In Eisleben wurde mir eines Schöffens Tochter, welche bei ihrem Vormund war, zu heiraten rekommandieret. Ich reisete dahin. Und da ich bei dem Herrn Vormund kam, welcher Wein schänkte, hatte ich gute Gelegenheit, ein Glas Wein zu fordern, welches mir die Jungfer holen mußte.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/229>, abgerufen am 29.03.2024.