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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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andere Schwester, die Frau Schüren, ihren Wechsel von hundert Thalern. - Den Apotheker hatten sie auch aufgebracht. Der wollte sechsundzwanzig Thaler vor Arznei haben. Und ich weiß nicht, was mehr von mir gefordert!

Ich lachte drüber und sahe, daß ich betrogen. Die Frau war in Angst und Not und wendete sich zu mir mit guten Worten: ich sollte helfen! Denn sie wußte, daß ich neunhundert Thaler Geld mitgebracht. Ich schlug mich ins Mittel und bezahlete alle Schuld.

Weil auch das Haus sehr baufällig und die Balkenköpfe alle verfaulet waren (von der übeln Wirtschaft, da kein Eigentümer nach dem Dach gesehen; man mußte befürchten: es möchte mit eins einmal herunterschießen), da machte ich mir drüber und zog neue Balken ein und bauete das Haus aus, führete im Hofe, zur linken und rechten Hand, neue Gebäude auf; weil die alten immer dräueten einzufallen, und die Nachbaren mich dazu antrieben. Summa: ich habe nach und nach vierzehenhundert Thaler in das alte Haus verbauet und hätte, wo es GOtt nicht sonderlich verhütet und mich aus Gnaden wunderlich erhalten, den Hals drüber gestürtzet. Indem, als das Hintergebäude über der Küche gerichtet, und unten noch viel Bruchsteine zum Mauren übereinander lagen, laufe ich - nach meinem Gebrauch - oben über. Und das Brett ist alt, morsch, bricht auf einmal. Und ich falle drei Stock hoch hinunter. Weiß aber diese Stunde nicht, wie ich die quer auf einen Balken zu sitzen kommen. Denn, wo ich vollends hinunter auf die Steine gefallen, wär meines Gebeins nichts ganz geblieben.

Ich schrieb auch GOtt zum Lob einen Vers, so noch zu sehen, an: "Dennoch bleibe ich stets, mein treuer GOtt, denn Du hilfest mir in aller meiner Not, daß ich nicht kommen bin allhie zum schnellen Tod, noch in Schande und Spott."

Es war auch ein alter Stall im Hofe, darin stund

andere Schwester, die Frau Schüren, ihren Wechsel von hundert Thalern. – Den Apotheker hatten sie auch aufgebracht. Der wollte sechsundzwanzig Thaler vor Arznei haben. Und ich weiß nicht, was mehr von mir gefordert!

Ich lachte drüber und sahe, daß ich betrogen. Die Frau war in Angst und Not und wendete sich zu mir mit guten Worten: ich sollte helfen! Denn sie wußte, daß ich neunhundert Thaler Geld mitgebracht. Ich schlug mich ins Mittel und bezahlete alle Schuld.

Weil auch das Haus sehr baufällig und die Balkenköpfe alle verfaulet waren (von der übeln Wirtschaft, da kein Eigentümer nach dem Dach gesehen; man mußte befürchten: es möchte mit eins einmal herunterschießen), da machte ich mir drüber und zog neue Balken ein und bauete das Haus aus, führete im Hofe, zur linken und rechten Hand, neue Gebäude auf; weil die alten immer dräueten einzufallen, und die Nachbaren mich dazu antrieben. Summa: ich habe nach und nach vierzehenhundert Thaler in das alte Haus verbauet und hätte, wo es GOtt nicht sonderlich verhütet und mich aus Gnaden wunderlich erhalten, den Hals drüber gestürtzet. Indem, als das Hintergebäude über der Küche gerichtet, und unten noch viel Bruchsteine zum Mauren übereinander lagen, laufe ich – nach meinem Gebrauch – oben über. Und das Brett ist alt, morsch, bricht auf einmal. Und ich falle drei Stock hoch hinunter. Weiß aber diese Stunde nicht, wie ich die quer auf einen Balken zu sitzen kommen. Denn, wo ich vollends hinunter auf die Steine gefallen, wär meines Gebeins nichts ganz geblieben.

Ich schrieb auch GOtt zum Lob einen Vers, so noch zu sehen, an: „Dennoch bleibe ich stets, mein treuer GOtt, denn Du hilfest mir in aller meiner Not, daß ich nicht kommen bin allhie zum schnellen Tod, noch in Schande und Spott.“

Es war auch ein alter Stall im Hofe, darin stund

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[0233] andere Schwester, die Frau Schüren, ihren Wechsel von hundert Thalern. – Den Apotheker hatten sie auch aufgebracht. Der wollte sechsundzwanzig Thaler vor Arznei haben. Und ich weiß nicht, was mehr von mir gefordert! Ich lachte drüber und sahe, daß ich betrogen. Die Frau war in Angst und Not und wendete sich zu mir mit guten Worten: ich sollte helfen! Denn sie wußte, daß ich neunhundert Thaler Geld mitgebracht. Ich schlug mich ins Mittel und bezahlete alle Schuld. Weil auch das Haus sehr baufällig und die Balkenköpfe alle verfaulet waren (von der übeln Wirtschaft, da kein Eigentümer nach dem Dach gesehen; man mußte befürchten: es möchte mit eins einmal herunterschießen), da machte ich mir drüber und zog neue Balken ein und bauete das Haus aus, führete im Hofe, zur linken und rechten Hand, neue Gebäude auf; weil die alten immer dräueten einzufallen, und die Nachbaren mich dazu antrieben. Summa: ich habe nach und nach vierzehenhundert Thaler in das alte Haus verbauet und hätte, wo es GOtt nicht sonderlich verhütet und mich aus Gnaden wunderlich erhalten, den Hals drüber gestürtzet. Indem, als das Hintergebäude über der Küche gerichtet, und unten noch viel Bruchsteine zum Mauren übereinander lagen, laufe ich – nach meinem Gebrauch – oben über. Und das Brett ist alt, morsch, bricht auf einmal. Und ich falle drei Stock hoch hinunter. Weiß aber diese Stunde nicht, wie ich die quer auf einen Balken zu sitzen kommen. Denn, wo ich vollends hinunter auf die Steine gefallen, wär meines Gebeins nichts ganz geblieben. Ich schrieb auch GOtt zum Lob einen Vers, so noch zu sehen, an: „Dennoch bleibe ich stets, mein treuer GOtt, denn Du hilfest mir in aller meiner Not, daß ich nicht kommen bin allhie zum schnellen Tod, noch in Schande und Spott.“ Es war auch ein alter Stall im Hofe, darin stund

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/233>, abgerufen am 25.04.2024.