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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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welche unrechtmäßiges Erbe an sich ziehen, keinen Segen haben und verderben. Maßen auch hier eingetroffen. Und diese Leute zum Teil mich nachgehends umb Hülfe ansprechen müssen.

Endlich wurde der Schwiegervater, Herr Schober, sehr krank; denn er nun sechsundachtzig Jahr alt war. Als ich solches erfuhr (denn sie sagten's mir nicht), so fassete ich mir einen Muth und wollte ihn nicht in Unversöhnlichkeit sterben lassen. Denn sie hatten mich erschröcklich verleumbdet bei ihm und alle Bosheit ersonnen.

Ich kam, ehe sich's jemand versehen, zu ihm in die Stube. Deß er sich erschrack. Jedoch endlich die Hand reichete. Ich setzte mich vor ihm aufs Bette und stellete ihm mit Betrübnis vor, wie daß ich so unschuldig bei ihm verkleinert und leiden müßte. Er glaubete endlich solcher Falschheit. Fing an zu weinen und sagte: "Nun, Herr Sohn, es ist geschehen; ich und ihr seid betrogen; ich wollte es gerne umbstoßen; aber ich kann nicht; sie haben's so fest mit ihrem Erfurter Advokaten verknüpft; (schlug die Hände zusammen:) ich habe nun nichts mehr, als den Segen, den wird euch GOtt geben!" - Hub damit seine rechte Hand über mir auf und fing laut an: "Der HErr segne euch und behüte euch; der HErr erleuchte sein Angesicht über euch und sei euch gnädig; der HErr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Friede. Amen!"

Darauf ich und er weineten. Abschied von ihm nahm und ihn nicht wieder gesehn habe.

Das war also mein recht Erbteil und hat mich, GOtt sei Preis, zehenmal mehr gesegnet, als sie mir genommen.

Als er gestorben, wollte ich mit den Abend hingehen. Aber sie machten mir die Thür vor der Nase zu. Ich

welche unrechtmäßiges Erbe an sich ziehen, keinen Segen haben und verderben. Maßen auch hier eingetroffen. Und diese Leute zum Teil mich nachgehends umb Hülfe ansprechen müssen.

Endlich wurde der Schwiegervater, Herr Schober, sehr krank; denn er nun sechsundachtzig Jahr alt war. Als ich solches erfuhr (denn sie sagten’s mir nicht), so fassete ich mir einen Muth und wollte ihn nicht in Unversöhnlichkeit sterben lassen. Denn sie hatten mich erschröcklich verleumbdet bei ihm und alle Bosheit ersonnen.

Ich kam, ehe sich’s jemand versehen, zu ihm in die Stube. Deß er sich erschrack. Jedoch endlich die Hand reichete. Ich setzte mich vor ihm aufs Bette und stellete ihm mit Betrübnis vor, wie daß ich so unschuldig bei ihm verkleinert und leiden müßte. Er glaubete endlich solcher Falschheit. Fing an zu weinen und sagte: „Nun, Herr Sohn, es ist geschehen; ich und ihr seid betrogen; ich wollte es gerne umbstoßen; aber ich kann nicht; sie haben’s so fest mit ihrem Erfurter Advokaten verknüpft; (schlug die Hände zusammen:) ich habe nun nichts mehr, als den Segen, den wird euch GOtt geben!“ – Hub damit seine rechte Hand über mir auf und fing laut an: „Der HErr segne euch und behüte euch; der HErr erleuchte sein Angesicht über euch und sei euch gnädig; der HErr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Friede. Amen!“

Darauf ich und er weineten. Abschied von ihm nahm und ihn nicht wieder gesehn habe.

Das war also mein recht Erbteil und hat mich, GOtt sei Preis, zehenmal mehr gesegnet, als sie mir genommen.

Als er gestorben, wollte ich mit den Abend hingehen. Aber sie machten mir die Thür vor der Nase zu. Ich

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/250>, abgerufen am 19.04.2024.