Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen.

Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe.

Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! - So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die die Adrigäng, die hat die Spitzen, den Rock, das Kleid: "Das muß ich auch haben!" - Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: "Das muß ich auch haben!" - "Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage!" - das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. "Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an'n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein!"

Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen

wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen.

Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe.

Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! – So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die die Adrigäng, die hat die Spitzen, den Rock, das Kleid: „Das muß ich auch haben!“ – Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: „Das muß ich auch haben!“ – „Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage!“ – das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. „Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an’n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein!“

Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0308"/>
wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen.</p>
          <p>Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe.</p>
          <p>Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! &#x2013; So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die <hi rendition="#aq">die</hi> Adrigäng, die hat <hi rendition="#aq">die</hi> Spitzen, <hi rendition="#aq">den</hi> Rock, <hi rendition="#aq">das</hi> Kleid: &#x201E;Das muß ich auch haben!&#x201C; &#x2013; Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: &#x201E;Das muß ich auch haben!&#x201C; &#x2013; &#x201E;Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage!&#x201C; &#x2013; das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. &#x201E;Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an&#x2019;n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein!&#x201C;</p>
          <p>Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0308] wie die Engel und frommen Seelen: wann sie aber ins Nest, wären sie ärger, als der Teufel und beissende Hunde, und gäben kein gut Wort von sich. Zudem wäre ich schon ein alter Mann und würde die wenige Wollust bald vergehen, und die Frau sich nach einem andern umbsehen, der frembden Samen würde in meinen Acker säen, frembde Eier in mein Nest und Erbe legen. Nun waren das solche Dinge, so bei itzigen Zeiten gar oft und viel gänge und gebe. Insonderheit warnete mich der Freund, ein vornehmer Mann: ich sollte mich wohl in acht nehmen, nicht wieder unter eine große Familie und Anhang zu heiraten, wo ich ja wollte heiraten! – So ich zwar oft selbst, aus meiner eigenen Erfahrung, andern geraten. Denn da ist nichts als Laufen, eine Schwester zur andern, zur Mutter, zum Vater, Vetter und Bruder; da ist immer Gevatterstehen, Hochzeitgehen, Spazierenfahren, Gastreien und das Kostgeld; zu geschweigen: der Klatsch und Drescherei und Verleitung zur Hoffart. Da hat die die Adrigäng, die hat die Spitzen, den Rock, das Kleid: „Das muß ich auch haben!“ – Die lebet so kommode, sie hat alle Tage zweimal ihren Thee oder Kaffee, ein gut Glas Wein und guten Kuchen oder Zwieback: „Das muß ich auch haben!“ – „Wer wollte so leben? es bleibet alles in der Welt, Geld und Gut kombt alle Tage!“ – das wären die tröstlichen Worte, welche eine der anderen zuspräche. „Und sollte gleich nichts übrig bleiben, und der Mann oder Kinder an’n Bettelstab geraten, so muß es spazierengefahren und kommode gelebt sein!“ Und wissen nicht, daß der Teufel seine Werkstatt bei dieser Wollust hätte, solche Leute dadurch in Sicherheit aus einer Sünde in die andere und Gefahr ihrer Seelen satzte. Auch wann solche Leute einmal es gewohnet, sie nicht davon könnten gebracht werden. Wie man an dergleichen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/308
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/308>, abgerufen am 24.04.2024.