Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

eine mir zugeschickte Rekommendation nach der Festung Spandau annahm. Es war wohl meinem Herrn nicht gelegen; doch blieb er mit der Frau mein Freund; wie Folge zeiget.

In Spandau kam ich bei zwei alte Leute. Der Herr war etliche siebenzig Jahr. Und hatten einen einzigen Sohn in der Frembde und zur See. Und weil ich in meinen Lehrjahren fleißig in Büchern studieret, auch von allen collectanea geschrieben, auch bei meinem vorigen Herrn in Berlin, was ich nicht können, als in Aderlaß und anderen Handgriffen unterwiesen worden, daher schon prästanda thun konnte, überließ mir mein alter Herr alles zu dirigieren. Bekam auch in kurzem mehr Kunden und zu thun. Daher ich wie ein Kind und van allen Leuten selbiges Ortes, sonderlich von den Jungfrauen,lieb und wert gehalten war, daß fast keine Hochzeit, Lustbarkeit und Gastgebot, wo ich nicht dabei war; so gar, daß auch der Jungfrauen etliche sich umb mich, in meiner Abwesenheit, gezanket und geschlagen hatten, weil einige übel, die andern wohl von mir räsonnieret.

Es könnte auch sein, daß sie es getroffen; denn ich ward durch die allzugroße Bekanntschaft fast liederlich und ward zu sehr verführet.

Insonderheit liebte ich die Musik, wie ich denn selbst oft den Jungfern auf meiner Guitarre, oder der Violin, pflegte vorzuspielen. Dadurch wurden die Kunstpfeifer-Gesellen meine gute Kamraden und Duz-Brüder. Also, daß ich oft des Nachts bei ihnen aufm Thurm bliebe und Wache hielte. Statt daß mein Herr vermeinete: ich läge in seinem Hause und Bette, vagierete ich mit denselbigen auf der Gasse oder sonst in guter Gesellschaft; darüber es auch manches mal harte Schläge gab und nicht ohne Gefahr des Lebens zuging.

eine mir zugeschickte Rekommendation nach der Festung Spandau annahm. Es war wohl meinem Herrn nicht gelegen; doch blieb er mit der Frau mein Freund; wie Folge zeiget.

In Spandau kam ich bei zwei alte Leute. Der Herr war etliche siebenzig Jahr. Und hatten einen einzigen Sohn in der Frembde und zur See. Und weil ich in meinen Lehrjahren fleißig in Büchern studieret, auch von allen collectanea geschrieben, auch bei meinem vorigen Herrn in Berlin, was ich nicht können, als in Aderlaß und anderen Handgriffen unterwiesen worden, daher schon prästanda thun konnte, überließ mir mein alter Herr alles zu dirigieren. Bekam auch in kurzem mehr Kunden und zu thun. Daher ich wie ein Kind und van allen Leuten selbiges Ortes, sonderlich von den Jungfrauen,lieb und wert gehalten war, daß fast keine Hochzeit, Lustbarkeit und Gastgebot, wo ich nicht dabei war; so gar, daß auch der Jungfrauen etliche sich umb mich, in meiner Abwesenheit, gezanket und geschlagen hatten, weil einige übel, die andern wohl von mir räsonnieret.

Es könnte auch sein, daß sie es getroffen; denn ich ward durch die allzugroße Bekanntschaft fast liederlich und ward zu sehr verführet.

Insonderheit liebte ich die Musik, wie ich denn selbst oft den Jungfern auf meiner Guitarre, oder der Violin, pflegte vorzuspielen. Dadurch wurden die Kunstpfeifer-Gesellen meine gute Kamraden und Duz-Brüder. Also, daß ich oft des Nachts bei ihnen aufm Thurm bliebe und Wache hielte. Statt daß mein Herr vermeinete: ich läge in seinem Hause und Bette, vagierete ich mit denselbigen auf der Gasse oder sonst in guter Gesellschaft; darüber es auch manches mal harte Schläge gab und nicht ohne Gefahr des Lebens zuging.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0039"/>
eine mir zugeschickte Rekommendation nach der Festung Spandau annahm. Es war wohl meinem Herrn nicht gelegen; doch blieb er mit der Frau mein Freund; wie Folge zeiget.</p>
          <p><hi rendition="#in">I</hi>n Spandau kam ich bei zwei alte Leute. Der Herr war etliche siebenzig Jahr. Und hatten einen einzigen Sohn in der Frembde und zur See. Und weil ich in meinen Lehrjahren fleißig in Büchern studieret, auch von allen <hi rendition="#aq">collectanea</hi> geschrieben, auch bei meinem vorigen Herrn in Berlin, was ich nicht können, als in Aderlaß und anderen Handgriffen unterwiesen worden, daher schon <hi rendition="#aq">prästanda</hi> thun konnte, überließ mir mein alter Herr alles zu dirigieren. Bekam auch in kurzem mehr Kunden und zu thun. Daher ich wie ein Kind und van allen Leuten selbiges Ortes, sonderlich von den Jungfrauen,lieb und wert gehalten war, daß fast keine Hochzeit, Lustbarkeit und Gastgebot, wo ich nicht dabei war; so gar, daß auch der Jungfrauen etliche sich umb mich, in meiner Abwesenheit, gezanket und geschlagen hatten, weil einige übel, die andern wohl von mir räsonnieret.</p>
          <p>Es könnte auch sein, daß sie es getroffen; denn ich ward durch die allzugroße Bekanntschaft fast liederlich und ward zu sehr verführet.</p>
          <p>Insonderheit liebte ich die Musik, wie ich denn selbst oft den Jungfern auf meiner Guitarre, oder der Violin, pflegte vorzuspielen. Dadurch wurden die Kunstpfeifer-Gesellen meine gute Kamraden und Duz-Brüder. Also, daß ich oft des Nachts bei ihnen aufm Thurm bliebe und Wache hielte. Statt daß mein Herr vermeinete: ich läge in seinem Hause und Bette, vagierete ich mit denselbigen auf der Gasse oder sonst in guter Gesellschaft; darüber es auch manches mal harte Schläge gab und nicht ohne Gefahr des Lebens zuging.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0039] eine mir zugeschickte Rekommendation nach der Festung Spandau annahm. Es war wohl meinem Herrn nicht gelegen; doch blieb er mit der Frau mein Freund; wie Folge zeiget. In Spandau kam ich bei zwei alte Leute. Der Herr war etliche siebenzig Jahr. Und hatten einen einzigen Sohn in der Frembde und zur See. Und weil ich in meinen Lehrjahren fleißig in Büchern studieret, auch von allen collectanea geschrieben, auch bei meinem vorigen Herrn in Berlin, was ich nicht können, als in Aderlaß und anderen Handgriffen unterwiesen worden, daher schon prästanda thun konnte, überließ mir mein alter Herr alles zu dirigieren. Bekam auch in kurzem mehr Kunden und zu thun. Daher ich wie ein Kind und van allen Leuten selbiges Ortes, sonderlich von den Jungfrauen,lieb und wert gehalten war, daß fast keine Hochzeit, Lustbarkeit und Gastgebot, wo ich nicht dabei war; so gar, daß auch der Jungfrauen etliche sich umb mich, in meiner Abwesenheit, gezanket und geschlagen hatten, weil einige übel, die andern wohl von mir räsonnieret. Es könnte auch sein, daß sie es getroffen; denn ich ward durch die allzugroße Bekanntschaft fast liederlich und ward zu sehr verführet. Insonderheit liebte ich die Musik, wie ich denn selbst oft den Jungfern auf meiner Guitarre, oder der Violin, pflegte vorzuspielen. Dadurch wurden die Kunstpfeifer-Gesellen meine gute Kamraden und Duz-Brüder. Also, daß ich oft des Nachts bei ihnen aufm Thurm bliebe und Wache hielte. Statt daß mein Herr vermeinete: ich läge in seinem Hause und Bette, vagierete ich mit denselbigen auf der Gasse oder sonst in guter Gesellschaft; darüber es auch manches mal harte Schläge gab und nicht ohne Gefahr des Lebens zuging.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/39
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/39>, abgerufen am 28.03.2024.