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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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es die Stubenthür auf, so stark, daß die Thür an mein Bett prallete.

Hier war nicht länger zu liegen möglich. Und hatte ich vorher gebetet, was ich mußte, so thate ich Flüche, welche ich sonst nicht gethan. Damit sprang ich aus dem Bette und schlug die Thür mit Gewalt wieder zu. Ging bei die Frau Muhme, kriegete sie beim Arm und weckte sie endlich auf, welche sagte: "Was ist denn, was ist denn?" - "Ach, Frau Muhme, ich weiß nicht, ob der Teufel oder seine Großmutter im Hause ist. Ich kann nicht bleiben!" - Und wem sollte nicht Angst sein, wenn zu Mitternacht, ohne Licht, das Gespenste so die Thüre aufprellet und über ihm schnaubet, wie ein Ochse, wenn es auch gleich der beherzteste Mensch von der Welt wäre?

Allein die Frau Muhme seelig mußte schon die Sache wissen, weil sie sagte: "Je, Herr Vetter, sei er doch stille, es wird ihm nichts thun." - Ich sagte: "Ei, das ist mir ungelegen, ich könnte den Tod von'n Schrecken haben."

Die Magd schlief immer fort. Ich kriegete sie bei einem Bein, zog so lange, bis sie aufgewachet und zwei Licht angezündet hatte. Unter währendem Anzünden des Lichtes fuhr ein schwartzer Nebel in der Stube hin und her. Weiter haben wir nichts gesehen.

Ich habe hernach der Sache nachgedacht, daß es omina und Vorspiel meines ungerischen bevorstehenden Feldzuges gewesen. Und hätte mich vor selbigem warnen lassen sollen, wie ich in Spandau gethan, als ich einsmals mit den Kunstpiepern (so da Wache halten mußten) auf dem Thurm geschlafen, mein'n Rock, Degen und Stock an die Wand gehenket; als sie des Morgens in der Kirche zu läuten anfingen, fing auch mein Rock, Stock und Degen, wie auch das Bette, an, sich heftig zu bewegen, daß ich vermeinet: der Thurm fiel den Augenblick ein. Da rappte ich meine Sachen in der Geschwindigkeit zusammen und lief nackend herunter!

es die Stubenthür auf, so stark, daß die Thür an mein Bett prallete.

Hier war nicht länger zu liegen möglich. Und hatte ich vorher gebetet, was ich mußte, so thate ich Flüche, welche ich sonst nicht gethan. Damit sprang ich aus dem Bette und schlug die Thür mit Gewalt wieder zu. Ging bei die Frau Muhme, kriegete sie beim Arm und weckte sie endlich auf, welche sagte: „Was ist denn, was ist denn?“ – „Ach, Frau Muhme, ich weiß nicht, ob der Teufel oder seine Großmutter im Hause ist. Ich kann nicht bleiben!“ – Und wem sollte nicht Angst sein, wenn zu Mitternacht, ohne Licht, das Gespenste so die Thüre aufprellet und über ihm schnaubet, wie ein Ochse, wenn es auch gleich der beherzteste Mensch von der Welt wäre?

Allein die Frau Muhme seelig mußte schon die Sache wissen, weil sie sagte: „Je, Herr Vetter, sei er doch stille, es wird ihm nichts thun.“ – Ich sagte: „Ei, das ist mir ungelegen, ich könnte den Tod von’n Schrecken haben.“

Die Magd schlief immer fort. Ich kriegete sie bei einem Bein, zog so lange, bis sie aufgewachet und zwei Licht angezündet hatte. Unter währendem Anzünden des Lichtes fuhr ein schwartzer Nebel in der Stube hin und her. Weiter haben wir nichts gesehen.

Ich habe hernach der Sache nachgedacht, daß es omina und Vorspiel meines ungerischen bevorstehenden Feldzuges gewesen. Und hätte mich vor selbigem warnen lassen sollen, wie ich in Spandau gethan, als ich einsmals mit den Kunstpiepern (so da Wache halten mußten) auf dem Thurm geschlafen, mein’n Rock, Degen und Stock an die Wand gehenket; als sie des Morgens in der Kirche zu läuten anfingen, fing auch mein Rock, Stock und Degen, wie auch das Bette, an, sich heftig zu bewegen, daß ich vermeinet: der Thurm fiel den Augenblick ein. Da rappte ich meine Sachen in der Geschwindigkeit zusammen und lief nackend herunter!

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[0045] es die Stubenthür auf, so stark, daß die Thür an mein Bett prallete. Hier war nicht länger zu liegen möglich. Und hatte ich vorher gebetet, was ich mußte, so thate ich Flüche, welche ich sonst nicht gethan. Damit sprang ich aus dem Bette und schlug die Thür mit Gewalt wieder zu. Ging bei die Frau Muhme, kriegete sie beim Arm und weckte sie endlich auf, welche sagte: „Was ist denn, was ist denn?“ – „Ach, Frau Muhme, ich weiß nicht, ob der Teufel oder seine Großmutter im Hause ist. Ich kann nicht bleiben!“ – Und wem sollte nicht Angst sein, wenn zu Mitternacht, ohne Licht, das Gespenste so die Thüre aufprellet und über ihm schnaubet, wie ein Ochse, wenn es auch gleich der beherzteste Mensch von der Welt wäre? Allein die Frau Muhme seelig mußte schon die Sache wissen, weil sie sagte: „Je, Herr Vetter, sei er doch stille, es wird ihm nichts thun.“ – Ich sagte: „Ei, das ist mir ungelegen, ich könnte den Tod von’n Schrecken haben.“ Die Magd schlief immer fort. Ich kriegete sie bei einem Bein, zog so lange, bis sie aufgewachet und zwei Licht angezündet hatte. Unter währendem Anzünden des Lichtes fuhr ein schwartzer Nebel in der Stube hin und her. Weiter haben wir nichts gesehen. Ich habe hernach der Sache nachgedacht, daß es omina und Vorspiel meines ungerischen bevorstehenden Feldzuges gewesen. Und hätte mich vor selbigem warnen lassen sollen, wie ich in Spandau gethan, als ich einsmals mit den Kunstpiepern (so da Wache halten mußten) auf dem Thurm geschlafen, mein’n Rock, Degen und Stock an die Wand gehenket; als sie des Morgens in der Kirche zu läuten anfingen, fing auch mein Rock, Stock und Degen, wie auch das Bette, an, sich heftig zu bewegen, daß ich vermeinet: der Thurm fiel den Augenblick ein. Da rappte ich meine Sachen in der Geschwindigkeit zusammen und lief nackend herunter!

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/45>, abgerufen am 28.03.2024.