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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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aufging, sind etliche dreißig Ellen Mauer übern Haufen und in die Luft mit mehr als fünfhundert Menschen geflogen. Und die ganze Luft war verfinstert. Mit Steinen und Erde Menschen umbherflohen. Ich hatte eben an der Wasserstadt-Mauer, an welcher lange, starke Bohlen zur Sicherheit angelehnet waren, die Wache. Meinete nicht anders: Himmel und Erde ging' unter. Ich retirierte mich mit andern unter die Bohlen. Und konnte keiner in halber Stunde vor Staub, Dreck, Steinen und Dampf sehen, auch nicht erfahren, was es eigentlich gewesen; obwohl das unerhörete Zetergeschrei der Türken in der Stadt solches einigermaßen anzeigete.

Da war es Zeit zu stürmen. Und hätten sie damals die Festung im Augenblick bekommen können, da wir hernach noch sechs Wochen dafür lagen, viel Volk verloren, und die Leute zuschanden gemacht worden. Allein die General konnten mit dem Herzog von Lothringen, welcher en chef kommandierete, nicht einig werden.

Dannenher die Türken sich bald wieder rekolligierten. Nacht und Tag wiedrum befestigten und heftigen Widerstand thaten. Maßen sie uns fünfmal im Sturm, nach Legung der Bresche, zurückgetrieben und abgeschlagen. Obwohl unsere Generalität gütige Aufforderung und Pardon thate, nach Kriegesgebrauch, wurden sie nur verbitterter. Hielten uns vor Hunde, welche die Festung nur anbelleten. Machten mit denen vielen Franzosen, so darinnen waren, immer neue Anstalten und Kriegesliste, mit Schwefel, Pulver und Stanksäcken insonderheit; so auch die Weiber mit Gabeln unter unsere stürmende Soldaten warfen, daß sie ganz verbrenneten und sich zu funfzigen und hunderten, ganz nackend, schwarz und verbrennt, aus Angst in die daran fließende Donau gestürzet.

Viel Mienen hatten sie auch gemacht. Wie noch mehr

aufging, sind etliche dreißig Ellen Mauer übern Haufen und in die Luft mit mehr als fünfhundert Menschen geflogen. Und die ganze Luft war verfinstert. Mit Steinen und Erde Menschen umbherflohen. Ich hatte eben an der Wasserstadt-Mauer, an welcher lange, starke Bohlen zur Sicherheit angelehnet waren, die Wache. Meinete nicht anders: Himmel und Erde ging’ unter. Ich retirierte mich mit andern unter die Bohlen. Und konnte keiner in halber Stunde vor Staub, Dreck, Steinen und Dampf sehen, auch nicht erfahren, was es eigentlich gewesen; obwohl das unerhörete Zetergeschrei der Türken in der Stadt solches einigermaßen anzeigete.

Da war es Zeit zu stürmen. Und hätten sie damals die Festung im Augenblick bekommen können, da wir hernach noch sechs Wochen dafür lagen, viel Volk verloren, und die Leute zuschanden gemacht worden. Allein die General konnten mit dem Herzog von Lothringen, welcher en chef kommandierete, nicht einig werden.

Dannenher die Türken sich bald wieder rekolligierten. Nacht und Tag wiedrum befestigten und heftigen Widerstand thaten. Maßen sie uns fünfmal im Sturm, nach Legung der Bresche, zurückgetrieben und abgeschlagen. Obwohl unsere Generalität gütige Aufforderung und Pardon thate, nach Kriegesgebrauch, wurden sie nur verbitterter. Hielten uns vor Hunde, welche die Festung nur anbelleten. Machten mit denen vielen Franzosen, so darinnen waren, immer neue Anstalten und Kriegesliste, mit Schwefel, Pulver und Stanksäcken insonderheit; so auch die Weiber mit Gabeln unter unsere stürmende Soldaten warfen, daß sie ganz verbrenneten und sich zu funfzigen und hunderten, ganz nackend, schwarz und verbrennt, aus Angst in die daran fließende Donau gestürzet.

Viel Mienen hatten sie auch gemacht. Wie noch mehr

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[0061] aufging, sind etliche dreißig Ellen Mauer übern Haufen und in die Luft mit mehr als fünfhundert Menschen geflogen. Und die ganze Luft war verfinstert. Mit Steinen und Erde Menschen umbherflohen. Ich hatte eben an der Wasserstadt-Mauer, an welcher lange, starke Bohlen zur Sicherheit angelehnet waren, die Wache. Meinete nicht anders: Himmel und Erde ging’ unter. Ich retirierte mich mit andern unter die Bohlen. Und konnte keiner in halber Stunde vor Staub, Dreck, Steinen und Dampf sehen, auch nicht erfahren, was es eigentlich gewesen; obwohl das unerhörete Zetergeschrei der Türken in der Stadt solches einigermaßen anzeigete. Da war es Zeit zu stürmen. Und hätten sie damals die Festung im Augenblick bekommen können, da wir hernach noch sechs Wochen dafür lagen, viel Volk verloren, und die Leute zuschanden gemacht worden. Allein die General konnten mit dem Herzog von Lothringen, welcher en chef kommandierete, nicht einig werden. Dannenher die Türken sich bald wieder rekolligierten. Nacht und Tag wiedrum befestigten und heftigen Widerstand thaten. Maßen sie uns fünfmal im Sturm, nach Legung der Bresche, zurückgetrieben und abgeschlagen. Obwohl unsere Generalität gütige Aufforderung und Pardon thate, nach Kriegesgebrauch, wurden sie nur verbitterter. Hielten uns vor Hunde, welche die Festung nur anbelleten. Machten mit denen vielen Franzosen, so darinnen waren, immer neue Anstalten und Kriegesliste, mit Schwefel, Pulver und Stanksäcken insonderheit; so auch die Weiber mit Gabeln unter unsere stürmende Soldaten warfen, daß sie ganz verbrenneten und sich zu funfzigen und hunderten, ganz nackend, schwarz und verbrennt, aus Angst in die daran fließende Donau gestürzet. Viel Mienen hatten sie auch gemacht. Wie noch mehr

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/61>, abgerufen am 28.03.2024.