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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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seelig Ende. War sehr matt und schwach; ganz verlassen und hatte keinen, der mir ein'n Trunk Wasser, so ich teuer bezahlen mußte, holete. Da ging ohngefähr ein Musketier vorbei, der hatte ein hölzern Spießchen mit sauren Gurken. Ich rufte und schrie: "Freund, geb' mir auch was, ich will's bezahlen!" - Allein er wollte nicht; sagte: "Wollt ihr was haben, holet's im kaiserlichen Lager an der Donau."

Ich raffte mich zusammen; alle Kräfte bot ich auf; so großen Appetit zu den Gurken hatte ich. Mehr kriechend, als gehende, kam ich zu den Marketendern an der Donau, welche ganze Faß voll hatten. Ließ mir erst vor fünf Ungrisch bald einen Hut voll geben, welchen ich mit solcher Begierde aufaße, daß ich noch vor zwei Ungrisch forderte. Da ward es mir gar kalt im Leibe.

Und ich machte mich wieder auf die Heimreise nach dem Lager, gänzlich vermeinend, es würde nun mein Letztes sein. Kam ins Zelt. Da war einer von meinen Kamraden, welcher mich fragte: wo ich gewesen, indem er vermeinet, mich nicht wieder zu finden. Ich sagete ihm, was geschehen. "Nun, sagte er, das ist der Nagel zur Sterbekiste, mache dich nun fertig."

Ich legte mich und bat ihn, mich zuzudecken. So er auch that, so gut er konnte. Denn er war gewiß noch ein treuer Freund, so mich vorhin durch Äpfel erhalten, in dem Marsch. Ich ihm aber seinen durchschossenen Arm kurieret hatte. So bald ich mich geleget, bin ich in Schlaf verfallen. Da er gemeinet, ich war tot. Und habe sechs bis acht Stunden geschlafen.

Da war es, als wäre ich neugeboren. Der Schmerz und Durchfall hatte aufgehöret; die Hitze war weg, in summa, ich wurde gesund.

Das laß mir ein NB. sein: was die Natur mit Begier suchet, ist ihre Arznei! - Es hat zwar dies seine Raison; weil die Krankheit sehr hitzig und alle

seelig Ende. War sehr matt und schwach; ganz verlassen und hatte keinen, der mir ein’n Trunk Wasser, so ich teuer bezahlen mußte, holete. Da ging ohngefähr ein Musketier vorbei, der hatte ein hölzern Spießchen mit sauren Gurken. Ich rufte und schrie: „Freund, geb’ mir auch was, ich will’s bezahlen!“ – Allein er wollte nicht; sagte: „Wollt ihr was haben, holet’s im kaiserlichen Lager an der Donau.“

Ich raffte mich zusammen; alle Kräfte bot ich auf; so großen Appetit zu den Gurken hatte ich. Mehr kriechend, als gehende, kam ich zu den Marketendern an der Donau, welche ganze Faß voll hatten. Ließ mir erst vor fünf Ungrisch bald einen Hut voll geben, welchen ich mit solcher Begierde aufaße, daß ich noch vor zwei Ungrisch forderte. Da ward es mir gar kalt im Leibe.

Und ich machte mich wieder auf die Heimreise nach dem Lager, gänzlich vermeinend, es würde nun mein Letztes sein. Kam ins Zelt. Da war einer von meinen Kamraden, welcher mich fragte: wo ich gewesen, indem er vermeinet, mich nicht wieder zu finden. Ich sagete ihm, was geschehen. „Nun, sagte er, das ist der Nagel zur Sterbekiste, mache dich nun fertig.“

Ich legte mich und bat ihn, mich zuzudecken. So er auch that, so gut er konnte. Denn er war gewiß noch ein treuer Freund, so mich vorhin durch Äpfel erhalten, in dem Marsch. Ich ihm aber seinen durchschossenen Arm kurieret hatte. So bald ich mich geleget, bin ich in Schlaf verfallen. Da er gemeinet, ich war tot. Und habe sechs bis acht Stunden geschlafen.

Da war es, als wäre ich neugeboren. Der Schmerz und Durchfall hatte aufgehöret; die Hitze war weg, in summa, ich wurde gesund.

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[0064] seelig Ende. War sehr matt und schwach; ganz verlassen und hatte keinen, der mir ein’n Trunk Wasser, so ich teuer bezahlen mußte, holete. Da ging ohngefähr ein Musketier vorbei, der hatte ein hölzern Spießchen mit sauren Gurken. Ich rufte und schrie: „Freund, geb’ mir auch was, ich will’s bezahlen!“ – Allein er wollte nicht; sagte: „Wollt ihr was haben, holet’s im kaiserlichen Lager an der Donau.“ Ich raffte mich zusammen; alle Kräfte bot ich auf; so großen Appetit zu den Gurken hatte ich. Mehr kriechend, als gehende, kam ich zu den Marketendern an der Donau, welche ganze Faß voll hatten. Ließ mir erst vor fünf Ungrisch bald einen Hut voll geben, welchen ich mit solcher Begierde aufaße, daß ich noch vor zwei Ungrisch forderte. Da ward es mir gar kalt im Leibe. Und ich machte mich wieder auf die Heimreise nach dem Lager, gänzlich vermeinend, es würde nun mein Letztes sein. Kam ins Zelt. Da war einer von meinen Kamraden, welcher mich fragte: wo ich gewesen, indem er vermeinet, mich nicht wieder zu finden. Ich sagete ihm, was geschehen. „Nun, sagte er, das ist der Nagel zur Sterbekiste, mache dich nun fertig.“ Ich legte mich und bat ihn, mich zuzudecken. So er auch that, so gut er konnte. Denn er war gewiß noch ein treuer Freund, so mich vorhin durch Äpfel erhalten, in dem Marsch. Ich ihm aber seinen durchschossenen Arm kurieret hatte. So bald ich mich geleget, bin ich in Schlaf verfallen. Da er gemeinet, ich war tot. Und habe sechs bis acht Stunden geschlafen. Da war es, als wäre ich neugeboren. Der Schmerz und Durchfall hatte aufgehöret; die Hitze war weg, in summa, ich wurde gesund. Das laß mir ein NB. sein: was die Natur mit Begier suchet, ist ihre Arznei! – Es hat zwar dies seine Raison; weil die Krankheit sehr hitzig und alle

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/64>, abgerufen am 28.03.2024.