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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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itzo das Zucken und Reißen, wann ander Wetter werden will, herleite.

Ehe sich ein Mensch vermutet, wurden von jedem Regiment und Kampagnieen, so wohl von Infanterie, als Kavallerie, sonderlich Granadierer, gewisse Mannschaften kommandieret, mit Pulver und Blei versehen, kriegeten auch Wein und Branntwein zu trinken. Daraus ich gewiß schloß: es ginge zum Hauptsturm. Welches auch geschahe.

Es war just umb ein Uhr bei hellem Wetter mittages, da die Türken pflegten zu schlafen oder zu essen. Und hatten sich's am wenigsten versehen, als die Unsern in der größten Stille, ohne einigen Schuß, die Bresche erstiegen. Und es van bayerischer Seite gleichso veranstaltet war.

Ich war auf einem Berge, nicht fern, auf dem Gesicht liegend, und konnte alles eigentlich mit ansehen. So bald die ersten Gewehr losgingen, da wurde Lärmen und ging alles über und über mit Stücken, Granaten und Steinwerfen, Schießen und Hauen; sogar die türkischen Weiber und Kinder, auch die Juden, derer viel darin waren, trugen zu und wehreten sich desperat auf der Bresche; also daß die Toten auf derselbigen über zwei Ellen übereinander lagen. Es half aber nichtes. Sie mußten daran glauben. Sie mochten nun sich wehren und schreien, wie sie wollten, die Stadt war erstiegen.

Da ward das Kind im Mutterleibe nicht geschonet. Alles, was angetroffen ward, mußte sterben. Wie ich denn mit Augen gesehen, als ich auch vom Berge über die Bresche in die Stadt gedrungen, daß Weiber dagelegen und die gelöseten Pistolen noch in der Hand haltend, teils bloße Säbel. So aber nackend ausgezogen, die Leiber mit Partisanen durchstochen, durch die Geburt; die Leiber aufgerissen, daß die noch nicht gebornen Kinder herausgefallen; welches mich am meisten gejammert.

itzo das Zucken und Reißen, wann ander Wetter werden will, herleite.

Ehe sich ein Mensch vermutet, wurden von jedem Regiment und Kampagnieen, so wohl von Infanterie, als Kavallerie, sonderlich Granadierer, gewisse Mannschaften kommandieret, mit Pulver und Blei versehen, kriegeten auch Wein und Branntwein zu trinken. Daraus ich gewiß schloß: es ginge zum Hauptsturm. Welches auch geschahe.

Es war just umb ein Uhr bei hellem Wetter mittages, da die Türken pflegten zu schlafen oder zu essen. Und hatten sich’s am wenigsten versehen, als die Unsern in der größten Stille, ohne einigen Schuß, die Bresche erstiegen. Und es van bayerischer Seite gleichso veranstaltet war.

Ich war auf einem Berge, nicht fern, auf dem Gesicht liegend, und konnte alles eigentlich mit ansehen. So bald die ersten Gewehr losgingen, da wurde Lärmen und ging alles über und über mit Stücken, Granaten und Steinwerfen, Schießen und Hauen; sogar die türkischen Weiber und Kinder, auch die Juden, derer viel darin waren, trugen zu und wehreten sich desperat auf der Bresche; also daß die Toten auf derselbigen über zwei Ellen übereinander lagen. Es half aber nichtes. Sie mußten daran glauben. Sie mochten nun sich wehren und schreien, wie sie wollten, die Stadt war erstiegen.

Da ward das Kind im Mutterleibe nicht geschonet. Alles, was angetroffen ward, mußte sterben. Wie ich denn mit Augen gesehen, als ich auch vom Berge über die Bresche in die Stadt gedrungen, daß Weiber dagelegen und die gelöseten Pistolen noch in der Hand haltend, teils bloße Säbel. So aber nackend ausgezogen, die Leiber mit Partisanen durchstochen, durch die Geburt; die Leiber aufgerissen, daß die noch nicht gebornen Kinder herausgefallen; welches mich am meisten gejammert.

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[0075] itzo das Zucken und Reißen, wann ander Wetter werden will, herleite. Ehe sich ein Mensch vermutet, wurden von jedem Regiment und Kampagnieen, so wohl von Infanterie, als Kavallerie, sonderlich Granadierer, gewisse Mannschaften kommandieret, mit Pulver und Blei versehen, kriegeten auch Wein und Branntwein zu trinken. Daraus ich gewiß schloß: es ginge zum Hauptsturm. Welches auch geschahe. Es war just umb ein Uhr bei hellem Wetter mittages, da die Türken pflegten zu schlafen oder zu essen. Und hatten sich’s am wenigsten versehen, als die Unsern in der größten Stille, ohne einigen Schuß, die Bresche erstiegen. Und es van bayerischer Seite gleichso veranstaltet war. Ich war auf einem Berge, nicht fern, auf dem Gesicht liegend, und konnte alles eigentlich mit ansehen. So bald die ersten Gewehr losgingen, da wurde Lärmen und ging alles über und über mit Stücken, Granaten und Steinwerfen, Schießen und Hauen; sogar die türkischen Weiber und Kinder, auch die Juden, derer viel darin waren, trugen zu und wehreten sich desperat auf der Bresche; also daß die Toten auf derselbigen über zwei Ellen übereinander lagen. Es half aber nichtes. Sie mußten daran glauben. Sie mochten nun sich wehren und schreien, wie sie wollten, die Stadt war erstiegen. Da ward das Kind im Mutterleibe nicht geschonet. Alles, was angetroffen ward, mußte sterben. Wie ich denn mit Augen gesehen, als ich auch vom Berge über die Bresche in die Stadt gedrungen, daß Weiber dagelegen und die gelöseten Pistolen noch in der Hand haltend, teils bloße Säbel. So aber nackend ausgezogen, die Leiber mit Partisanen durchstochen, durch die Geburt; die Leiber aufgerissen, daß die noch nicht gebornen Kinder herausgefallen; welches mich am meisten gejammert.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/75>, abgerufen am 25.04.2024.