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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Nackete Kinder von ein bis zwei Jahren aufgespießet und an die Mauren geschmissen wurden! - Ich bin erstaunet, was da ist vorgegangen, daß auch Menschen viel grausamer, als Bestien gegen einander sich bezeigeten.

Die zwei Kommandanten, welcher einer blind gewesen, waren totgeschossen; und lag der letzte auf dem Markt an einer Moschee mit vielen Türken, ohne Gewehr, umbgeben, welchen nichts gethan wurde, sondern nur gefangen weggebracht wurden.

Was in der Furie nicht totgemachet, oder von Juden und Christen nicht verstecket, hatte sich auf die Burg retirieret, welche sich noch zwei Tage hielte und tapfer wehrete, bis kapitulieret wurde und sie sich als Kriegegefangene ergeben mußten.

Ich war kaum eine halbe Stunde mit Plündern in der Stadt, da stund sie in Feuer. Ob es von Türken oder Christen angeleget, weiß ich nicht. Aber Schade, über Schade, daß die schöne Stadt und kostbare Beute, so vom ganzen Lande zu verwahren eingelegt, so schändlich verbrennen mußte!

Es ging von dem Feuer eine Miene an, welche die Türken in der Stadt gemacht, mit erschröcklichem Erdbeben, daß vor Staub und Rauch niemand sehen und hören konnte. Es war das Geschrei: der Feind wäre hinten eingebrochen und machte alles nieder! Die Menge der Menschen drängeten aus Schrecken nach der äußern Maure, an welche sie mich auch mit Gewalt hindrangen; einige sprangen über die Mauer und stürzten Hals und Bein. Ich hatte mich mit vieler Beute behängen und wollte aushalten; es möchte mir auch gehen, wie GOtt wolle.

Endlich wurd es wieder stille und wurde gesaget: daß die schönste Kirche, welche die Christen noch erbauet,

Nackete Kinder von ein bis zwei Jahren aufgespießet und an die Mauren geschmissen wurden! – Ich bin erstaunet, was da ist vorgegangen, daß auch Menschen viel grausamer, als Bestien gegen einander sich bezeigeten.

Die zwei Kommandanten, welcher einer blind gewesen, waren totgeschossen; und lag der letzte auf dem Markt an einer Moschee mit vielen Türken, ohne Gewehr, umbgeben, welchen nichts gethan wurde, sondern nur gefangen weggebracht wurden.

Was in der Furie nicht totgemachet, oder von Juden und Christen nicht verstecket, hatte sich auf die Burg retirieret, welche sich noch zwei Tage hielte und tapfer wehrete, bis kapitulieret wurde und sie sich als Kriegegefangene ergeben mußten.

Ich war kaum eine halbe Stunde mit Plündern in der Stadt, da stund sie in Feuer. Ob es von Türken oder Christen angeleget, weiß ich nicht. Aber Schade, über Schade, daß die schöne Stadt und kostbare Beute, so vom ganzen Lande zu verwahren eingelegt, so schändlich verbrennen mußte!

Es ging von dem Feuer eine Miene an, welche die Türken in der Stadt gemacht, mit erschröcklichem Erdbeben, daß vor Staub und Rauch niemand sehen und hören konnte. Es war das Geschrei: der Feind wäre hinten eingebrochen und machte alles nieder! Die Menge der Menschen drängeten aus Schrecken nach der äußern Maure, an welche sie mich auch mit Gewalt hindrangen; einige sprangen über die Mauer und stürzten Hals und Bein. Ich hatte mich mit vieler Beute behängen und wollte aushalten; es möchte mir auch gehen, wie GOtt wolle.

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[0076] Nackete Kinder von ein bis zwei Jahren aufgespießet und an die Mauren geschmissen wurden! – Ich bin erstaunet, was da ist vorgegangen, daß auch Menschen viel grausamer, als Bestien gegen einander sich bezeigeten. Die zwei Kommandanten, welcher einer blind gewesen, waren totgeschossen; und lag der letzte auf dem Markt an einer Moschee mit vielen Türken, ohne Gewehr, umbgeben, welchen nichts gethan wurde, sondern nur gefangen weggebracht wurden. Was in der Furie nicht totgemachet, oder von Juden und Christen nicht verstecket, hatte sich auf die Burg retirieret, welche sich noch zwei Tage hielte und tapfer wehrete, bis kapitulieret wurde und sie sich als Kriegegefangene ergeben mußten. Ich war kaum eine halbe Stunde mit Plündern in der Stadt, da stund sie in Feuer. Ob es von Türken oder Christen angeleget, weiß ich nicht. Aber Schade, über Schade, daß die schöne Stadt und kostbare Beute, so vom ganzen Lande zu verwahren eingelegt, so schändlich verbrennen mußte! Es ging von dem Feuer eine Miene an, welche die Türken in der Stadt gemacht, mit erschröcklichem Erdbeben, daß vor Staub und Rauch niemand sehen und hören konnte. Es war das Geschrei: der Feind wäre hinten eingebrochen und machte alles nieder! Die Menge der Menschen drängeten aus Schrecken nach der äußern Maure, an welche sie mich auch mit Gewalt hindrangen; einige sprangen über die Mauer und stürzten Hals und Bein. Ich hatte mich mit vieler Beute behängen und wollte aushalten; es möchte mir auch gehen, wie GOtt wolle. Endlich wurd es wieder stille und wurde gesaget: daß die schönste Kirche, welche die Christen noch erbauet,

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/76>, abgerufen am 19.04.2024.