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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Welches zwar geschehen. Allein ich hätte schier das Leben darüber verloren, indem ich ohn' Fähre in die daran fließende Donau gesprungen, welche mich durch ihren schnellen Lauf und Wirbeln vom Ufer dergestalt risse, daß durch alle Macht und Schwimmen ich kaum selbiges wieder erlangen konnte. Ich kam endlich raus und dankte GOtt, der mich abermals erhalten.

Wir trugen unsere Fische nach dem Lager, machten sie rein, kerbeten solche und bestreueten sie scharf mit Salz. Fingen in unsern Küchlöchern, welche wir groß und tief vor unserm Zelt gegraben, an zu braten, auf grünen Weidestecken. Da das die andern im Lager rochen, kam alles herzugelaufen, auch unsere Offizierer. Denn der Hunger that wehe! Wir gaben davon, wem wir wollten, etliche verkauften wir und kauften uns ein wenig Brot und Wein, so wir aber nicht viel durften trinken, weil er jung war und die Ruhr kausierete. Das war eine köstliche Mahlzeit im Hunger! - Daher mir auch diese Konstabeln so gut waren und mir von allem gaben.

Wie sie denn einsmals acht gehabt, daß der Kühe- und Ochsenhirte des Morgens solche aus- und Nachts wieder über die Schiffbrücke in die Festung treibet. Sie in den hohen Bruch oder das Gras gehen, ohne daß es der Hirte außen von'n Bergen sehen kann, einem Ochsen ein Seil über die Hörner werfen und im Bruche anpfähleten. Wie des Abends die andern Ochsen auf des Hirten Blasen raus- und nach ihrer Gewohnheit in die Festung gegangen, und die Brücken aufgezogen waren (der Hirt aber vermeinet, daß er seine Ochsen all hätte), machen sich diese in'n Bruch, schlagen den Ochsen vorn Kopf, ziehen das Fell ab, welches sie mit den Eingeweiden begraben- und das Fleisch, in Stück zerteilet, ins Lager gebracht und heimlich verborgen ward.

Welches zwar geschehen. Allein ich hätte schier das Leben darüber verloren, indem ich ohn’ Fähre in die daran fließende Donau gesprungen, welche mich durch ihren schnellen Lauf und Wirbeln vom Ufer dergestalt risse, daß durch alle Macht und Schwimmen ich kaum selbiges wieder erlangen konnte. Ich kam endlich raus und dankte GOtt, der mich abermals erhalten.

Wir trugen unsere Fische nach dem Lager, machten sie rein, kerbeten solche und bestreueten sie scharf mit Salz. Fingen in unsern Küchlöchern, welche wir groß und tief vor unserm Zelt gegraben, an zu braten, auf grünen Weidestecken. Da das die andern im Lager rochen, kam alles herzugelaufen, auch unsere Offizierer. Denn der Hunger that wehe! Wir gaben davon, wem wir wollten, etliche verkauften wir und kauften uns ein wenig Brot und Wein, so wir aber nicht viel durften trinken, weil er jung war und die Ruhr kausierete. Das war eine köstliche Mahlzeit im Hunger! – Daher mir auch diese Konstabeln so gut waren und mir von allem gaben.

Wie sie denn einsmals acht gehabt, daß der Kühe- und Ochsenhirte des Morgens solche aus- und Nachts wieder über die Schiffbrücke in die Festung treibet. Sie in den hohen Bruch oder das Gras gehen, ohne daß es der Hirte außen von’n Bergen sehen kann, einem Ochsen ein Seil über die Hörner werfen und im Bruche anpfähleten. Wie des Abends die andern Ochsen auf des Hirten Blasen raus- und nach ihrer Gewohnheit in die Festung gegangen, und die Brücken aufgezogen waren (der Hirt aber vermeinet, daß er seine Ochsen all hätte), machen sich diese in’n Bruch, schlagen den Ochsen vorn Kopf, ziehen das Fell ab, welches sie mit den Eingeweiden begraben- und das Fleisch, in Stück zerteilet, ins Lager gebracht und heimlich verborgen ward.

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[0084] Welches zwar geschehen. Allein ich hätte schier das Leben darüber verloren, indem ich ohn’ Fähre in die daran fließende Donau gesprungen, welche mich durch ihren schnellen Lauf und Wirbeln vom Ufer dergestalt risse, daß durch alle Macht und Schwimmen ich kaum selbiges wieder erlangen konnte. Ich kam endlich raus und dankte GOtt, der mich abermals erhalten. Wir trugen unsere Fische nach dem Lager, machten sie rein, kerbeten solche und bestreueten sie scharf mit Salz. Fingen in unsern Küchlöchern, welche wir groß und tief vor unserm Zelt gegraben, an zu braten, auf grünen Weidestecken. Da das die andern im Lager rochen, kam alles herzugelaufen, auch unsere Offizierer. Denn der Hunger that wehe! Wir gaben davon, wem wir wollten, etliche verkauften wir und kauften uns ein wenig Brot und Wein, so wir aber nicht viel durften trinken, weil er jung war und die Ruhr kausierete. Das war eine köstliche Mahlzeit im Hunger! – Daher mir auch diese Konstabeln so gut waren und mir von allem gaben. Wie sie denn einsmals acht gehabt, daß der Kühe- und Ochsenhirte des Morgens solche aus- und Nachts wieder über die Schiffbrücke in die Festung treibet. Sie in den hohen Bruch oder das Gras gehen, ohne daß es der Hirte außen von’n Bergen sehen kann, einem Ochsen ein Seil über die Hörner werfen und im Bruche anpfähleten. Wie des Abends die andern Ochsen auf des Hirten Blasen raus- und nach ihrer Gewohnheit in die Festung gegangen, und die Brücken aufgezogen waren (der Hirt aber vermeinet, daß er seine Ochsen all hätte), machen sich diese in’n Bruch, schlagen den Ochsen vorn Kopf, ziehen das Fell ab, welches sie mit den Eingeweiden begraben- und das Fleisch, in Stück zerteilet, ins Lager gebracht und heimlich verborgen ward.

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/84>, abgerufen am 28.03.2024.