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Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

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Ich lag bereits im Zelt und schlief, als gerufen ward: "Feldscher!" da mir ein Stück von dreißig Pfund aufn Hals gewurfen wurd. Ich merkte gleich, was das bedeutet. Nahm und verwahret es unter mein'm Lager, wo ich ein Fäßchen vergraben und stetig Fleisch mit Salz und Wacholderbeer stehen hatte.

Die Sonne hatte kaum das Erdreich wiedrum gegrüßet, als bereitest zwei Kommissarien mit vielen Ungern und Offizierern das Lager und auch unsers durchsuchten. Und wurde gesaget: wo es gefunden würde, der sollte hangen! Da war wieder 's Lachen zu verbeißen. Zu allem Glücke fanden sie nichts, und ich konnte hernach meinen Braten mit Ruhe essen, von welchem ich keinen Schlucken bekam.

Noch ein Avis begegnete mir daselbst. Als das Lager aufgehoben und die Zelt weggenommen waren, suchte ich so mit dem Stock, wo des Obristen Gezelt gestanden. Da fand ich eine lange Stiletten- oder Degenklinge. Ich dachte, es zu nichts bessers, als einem Bratenspieß zu gebrauchen, welches auch geschehen.

Als ich hernach in meinem Loch sitze und brate (denn von selbigem hielt ich viel), welches denn roch und des Obristen Diener, welcher auch gern ein Stück davon gehabt hätte, herzugelocket. Als er sich dabei gesetzet, wird er der Degenklinge und des Bratspießes gewahr.

Die erste Frag war: "Wo habt ihr den Stilett bekommen? Er ist mir gestohlen und zerschlagen worden." - Ich sagte; wie ich dazu gekommen und machte mir anfanges nichts aus der Sache. Als aber ein Unteroffizierer mich ins Verhör holete und mir die Sache scharf vorgeleget ward, ich möchte mich ausreden und exkusieren, wie ich wollte, mußte ich den Bagatell' mit anderthalb Thaler bezahlen oder gleich in Arrest.

Ich gab's hin, mit Leid und Verdruß, und erfuhr in

Ich lag bereits im Zelt und schlief, als gerufen ward: „Feldscher!“ da mir ein Stück von dreißig Pfund aufn Hals gewurfen wurd. Ich merkte gleich, was das bedeutet. Nahm und verwahret es unter mein’m Lager, wo ich ein Fäßchen vergraben und stetig Fleisch mit Salz und Wacholderbeer stehen hatte.

Die Sonne hatte kaum das Erdreich wiedrum gegrüßet, als bereitest zwei Kommissarien mit vielen Ungern und Offizierern das Lager und auch unsers durchsuchten. Und wurde gesaget: wo es gefunden würde, der sollte hangen! Da war wieder ’s Lachen zu verbeißen. Zu allem Glücke fanden sie nichts, und ich konnte hernach meinen Braten mit Ruhe essen, von welchem ich keinen Schlucken bekam.

Noch ein Avis begegnete mir daselbst. Als das Lager aufgehoben und die Zelt weggenommen waren, suchte ich so mit dem Stock, wo des Obristen Gezelt gestanden. Da fand ich eine lange Stiletten- oder Degenklinge. Ich dachte, es zu nichts bessers, als einem Bratenspieß zu gebrauchen, welches auch geschehen.

Als ich hernach in meinem Loch sitze und brate (denn von selbigem hielt ich viel), welches denn roch und des Obristen Diener, welcher auch gern ein Stück davon gehabt hätte, herzugelocket. Als er sich dabei gesetzet, wird er der Degenklinge und des Bratspießes gewahr.

Die erste Frag war: „Wo habt ihr den Stilett bekommen? Er ist mir gestohlen und zerschlagen worden.“ – Ich sagte; wie ich dazu gekommen und machte mir anfanges nichts aus der Sache. Als aber ein Unteroffizierer mich ins Verhör holete und mir die Sache scharf vorgeleget ward, ich möchte mich ausreden und exkusieren, wie ich wollte, mußte ich den Bagatell’ mit anderthalb Thaler bezahlen oder gleich in Arrest.

Ich gab’s hin, mit Leid und Verdruß, und erfuhr in

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          <p>Als ich hernach in meinem Loch sitze und brate (denn von selbigem hielt ich viel), welches denn roch und des Obristen Diener, welcher auch gern ein Stück davon gehabt hätte, herzugelocket. Als er sich dabei gesetzet, wird er der Degenklinge und des Bratspießes gewahr.</p>
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[0085] Ich lag bereits im Zelt und schlief, als gerufen ward: „Feldscher!“ da mir ein Stück von dreißig Pfund aufn Hals gewurfen wurd. Ich merkte gleich, was das bedeutet. Nahm und verwahret es unter mein’m Lager, wo ich ein Fäßchen vergraben und stetig Fleisch mit Salz und Wacholderbeer stehen hatte. Die Sonne hatte kaum das Erdreich wiedrum gegrüßet, als bereitest zwei Kommissarien mit vielen Ungern und Offizierern das Lager und auch unsers durchsuchten. Und wurde gesaget: wo es gefunden würde, der sollte hangen! Da war wieder ’s Lachen zu verbeißen. Zu allem Glücke fanden sie nichts, und ich konnte hernach meinen Braten mit Ruhe essen, von welchem ich keinen Schlucken bekam. Noch ein Avis begegnete mir daselbst. Als das Lager aufgehoben und die Zelt weggenommen waren, suchte ich so mit dem Stock, wo des Obristen Gezelt gestanden. Da fand ich eine lange Stiletten- oder Degenklinge. Ich dachte, es zu nichts bessers, als einem Bratenspieß zu gebrauchen, welches auch geschehen. Als ich hernach in meinem Loch sitze und brate (denn von selbigem hielt ich viel), welches denn roch und des Obristen Diener, welcher auch gern ein Stück davon gehabt hätte, herzugelocket. Als er sich dabei gesetzet, wird er der Degenklinge und des Bratspießes gewahr. Die erste Frag war: „Wo habt ihr den Stilett bekommen? Er ist mir gestohlen und zerschlagen worden.“ – Ich sagte; wie ich dazu gekommen und machte mir anfanges nichts aus der Sache. Als aber ein Unteroffizierer mich ins Verhör holete und mir die Sache scharf vorgeleget ward, ich möchte mich ausreden und exkusieren, wie ich wollte, mußte ich den Bagatell’ mit anderthalb Thaler bezahlen oder gleich in Arrest. Ich gab’s hin, mit Leid und Verdruß, und erfuhr in

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Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/85>, abgerufen am 18.04.2024.