Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

Bild:
<< vorherige Seite

aber ich habe einmal auf dem Verlaater Markt in Friesland einen Bären gesehen, und --

Laß die Kinderei, Anntrin, ich werde euch von diesen Dingen später noch jahrelang erzählen, wenn die böse Gewalt nicht mehr die Klinke meiner Hausthür aufheben kann und den Tod über die Schwelle tragen -- ja, zu Ende ist's mit ihr, wenn Felgen-Erbe unter ein anderes Dach zieht! Ich rechne, Mädchen, von wegen meiner Person, ich stehe meinen Mann an den Ufern der Ems hinauf und herunter, wer es sei; unsere Höfe und Ländereien liegen an einander, somit frage ich dich, Anntrin, ob ich am Sonntag kommen mag, dich von deinen Leuten zu begehren?

Komm am Sonntag! entgegnete Anntrin leise, als ob eine unheimliche Unruhe über sie käme, aber, sich ermuthigend, sagte sie lauter: Und damit stop!

Und damit stop! wiederholte der Schiffer und demnächstige Anerbe, umfaßte des Mädchens kräftige Gestalt und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen. Nur einen einzigen, denn die ägyptische Tannenfinsterniß lichtete sich, das Mondlicht quoll durch die leise rauschenden Tannenzweige, und der kräftige Geruch umgeackerten Landes verdrängte den harzigen Duft des Nadelholzes. Die Himmelfahrtswanderer waren an einen Scheideweg verschiedener Gruppen gekommen; noch einmal versammelten sie sich, hier und da reichte man sich die Hände, noch irgend ein leiser oder lauter

aber ich habe einmal auf dem Verlaater Markt in Friesland einen Bären gesehen, und —

Laß die Kinderei, Anntrin, ich werde euch von diesen Dingen später noch jahrelang erzählen, wenn die böse Gewalt nicht mehr die Klinke meiner Hausthür aufheben kann und den Tod über die Schwelle tragen — ja, zu Ende ist's mit ihr, wenn Felgen-Erbe unter ein anderes Dach zieht! Ich rechne, Mädchen, von wegen meiner Person, ich stehe meinen Mann an den Ufern der Ems hinauf und herunter, wer es sei; unsere Höfe und Ländereien liegen an einander, somit frage ich dich, Anntrin, ob ich am Sonntag kommen mag, dich von deinen Leuten zu begehren?

Komm am Sonntag! entgegnete Anntrin leise, als ob eine unheimliche Unruhe über sie käme, aber, sich ermuthigend, sagte sie lauter: Und damit stop!

Und damit stop! wiederholte der Schiffer und demnächstige Anerbe, umfaßte des Mädchens kräftige Gestalt und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen. Nur einen einzigen, denn die ägyptische Tannenfinsterniß lichtete sich, das Mondlicht quoll durch die leise rauschenden Tannenzweige, und der kräftige Geruch umgeackerten Landes verdrängte den harzigen Duft des Nadelholzes. Die Himmelfahrtswanderer waren an einen Scheideweg verschiedener Gruppen gekommen; noch einmal versammelten sie sich, hier und da reichte man sich die Hände, noch irgend ein leiser oder lauter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="chapter" n="1">
        <p><pb facs="#f0015"/>
aber ich habe einmal auf dem Verlaater Markt in Friesland einen Bären gesehen, und &#x2014; </p><lb/>
        <p>Laß die Kinderei, Anntrin, ich werde euch von diesen Dingen später noch jahrelang erzählen,      wenn die böse Gewalt nicht mehr die Klinke meiner Hausthür aufheben kann und den Tod über die      Schwelle tragen &#x2014; ja, zu Ende ist's mit ihr, wenn Felgen-Erbe unter ein anderes Dach zieht! Ich      rechne, Mädchen, von wegen meiner Person, ich stehe meinen Mann an den Ufern der Ems hinauf und      herunter, wer es sei; unsere Höfe und Ländereien liegen an einander, somit frage ich dich,      Anntrin, ob ich am Sonntag kommen mag, dich von deinen Leuten zu begehren?</p><lb/>
        <p>Komm am Sonntag! entgegnete Anntrin leise, als ob eine unheimliche Unruhe über sie käme,      aber, sich ermuthigend, sagte sie lauter: Und damit stop!</p><lb/>
        <p>Und damit stop! wiederholte der Schiffer und demnächstige Anerbe, umfaßte des Mädchens      kräftige Gestalt und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen. Nur einen einzigen, denn die      ägyptische Tannenfinsterniß lichtete sich, das Mondlicht quoll durch die leise rauschenden      Tannenzweige, und der kräftige Geruch umgeackerten Landes verdrängte den harzigen Duft des      Nadelholzes. Die Himmelfahrtswanderer waren an einen Scheideweg verschiedener Gruppen gekommen;      noch einmal versammelten sie sich, hier und da reichte man sich die Hände, noch irgend ein      leiser oder lauter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0015] aber ich habe einmal auf dem Verlaater Markt in Friesland einen Bären gesehen, und — Laß die Kinderei, Anntrin, ich werde euch von diesen Dingen später noch jahrelang erzählen, wenn die böse Gewalt nicht mehr die Klinke meiner Hausthür aufheben kann und den Tod über die Schwelle tragen — ja, zu Ende ist's mit ihr, wenn Felgen-Erbe unter ein anderes Dach zieht! Ich rechne, Mädchen, von wegen meiner Person, ich stehe meinen Mann an den Ufern der Ems hinauf und herunter, wer es sei; unsere Höfe und Ländereien liegen an einander, somit frage ich dich, Anntrin, ob ich am Sonntag kommen mag, dich von deinen Leuten zu begehren? Komm am Sonntag! entgegnete Anntrin leise, als ob eine unheimliche Unruhe über sie käme, aber, sich ermuthigend, sagte sie lauter: Und damit stop! Und damit stop! wiederholte der Schiffer und demnächstige Anerbe, umfaßte des Mädchens kräftige Gestalt und drückte einen herzhaften Kuß auf ihre Lippen. Nur einen einzigen, denn die ägyptische Tannenfinsterniß lichtete sich, das Mondlicht quoll durch die leise rauschenden Tannenzweige, und der kräftige Geruch umgeackerten Landes verdrängte den harzigen Duft des Nadelholzes. Die Himmelfahrtswanderer waren an einen Scheideweg verschiedener Gruppen gekommen; noch einmal versammelten sie sich, hier und da reichte man sich die Hände, noch irgend ein leiser oder lauter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:59:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:59:48Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/15
Zitationshilfe: Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/15>, abgerufen am 29.03.2024.