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Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Humor: Na -- na, Meister, unsere Braut kann sich wohl sehen lassen, man muß den Kindern ihren Willen geben mit ihren Freiereien!

Anntrin aber konnte einer Hoffnung nicht froh werden, welche in dieser unerklärlichen Art von Sanne ausging. Die Erbin entbehrte ihre stille, thätige Mutter um so schmerzlicher, als jetzt alle häusliche Arbeitslast auf sie selbst fiel, auch der Vater war still traurig, und sie reichten sich die Hände und sprachen: Wir Zwei sind jetzt wie allein in der Welt!

Nicht lange währte es, so forderte Sanne ihren Neffen auf, einmal nach dem kranken Felgenbauer zu sehen. Leffert wußte, daß nach einem solchen Besuche der Bewerber seiner Tochter zu einer neuen Anfrage mit erwünschter Antwort berechtigt sei; die Tochter meinte zwar: Es ist dankenswerth von Sanne Möhe, aber sie hat etwas dabei, und ich kann mich nicht freuen!

Die Hexenleute, schon durch den Schneider "gewahrschauet" (benachrichtigt), empfingen den gebornen Slootmann ohne Erstaunen. Es sah Alles recht gut und schicksam auf dem Felgenhofe aus -- bis auf die Bewohner selbst! Da war die Mutter, deren großes, grobes Gesicht durch eine Geschwulst an der Wange entstellt war. Diese Geschwulst bestand schon seit Jahren und konnte sich auch nie verlieren. Hätten alle Aerzte der Welt ihre Entstehung und ihre Heilung beschworen -- Niemand konnte ihnen glauben, denn man wußte

Humor: Na — na, Meister, unsere Braut kann sich wohl sehen lassen, man muß den Kindern ihren Willen geben mit ihren Freiereien!

Anntrin aber konnte einer Hoffnung nicht froh werden, welche in dieser unerklärlichen Art von Sanne ausging. Die Erbin entbehrte ihre stille, thätige Mutter um so schmerzlicher, als jetzt alle häusliche Arbeitslast auf sie selbst fiel, auch der Vater war still traurig, und sie reichten sich die Hände und sprachen: Wir Zwei sind jetzt wie allein in der Welt!

Nicht lange währte es, so forderte Sanne ihren Neffen auf, einmal nach dem kranken Felgenbauer zu sehen. Leffert wußte, daß nach einem solchen Besuche der Bewerber seiner Tochter zu einer neuen Anfrage mit erwünschter Antwort berechtigt sei; die Tochter meinte zwar: Es ist dankenswerth von Sanne Möhe, aber sie hat etwas dabei, und ich kann mich nicht freuen!

Die Hexenleute, schon durch den Schneider „gewahrschauet“ (benachrichtigt), empfingen den gebornen Slootmann ohne Erstaunen. Es sah Alles recht gut und schicksam auf dem Felgenhofe aus — bis auf die Bewohner selbst! Da war die Mutter, deren großes, grobes Gesicht durch eine Geschwulst an der Wange entstellt war. Diese Geschwulst bestand schon seit Jahren und konnte sich auch nie verlieren. Hätten alle Aerzte der Welt ihre Entstehung und ihre Heilung beschworen — Niemand konnte ihnen glauben, denn man wußte

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[0034] Humor: Na — na, Meister, unsere Braut kann sich wohl sehen lassen, man muß den Kindern ihren Willen geben mit ihren Freiereien! Anntrin aber konnte einer Hoffnung nicht froh werden, welche in dieser unerklärlichen Art von Sanne ausging. Die Erbin entbehrte ihre stille, thätige Mutter um so schmerzlicher, als jetzt alle häusliche Arbeitslast auf sie selbst fiel, auch der Vater war still traurig, und sie reichten sich die Hände und sprachen: Wir Zwei sind jetzt wie allein in der Welt! Nicht lange währte es, so forderte Sanne ihren Neffen auf, einmal nach dem kranken Felgenbauer zu sehen. Leffert wußte, daß nach einem solchen Besuche der Bewerber seiner Tochter zu einer neuen Anfrage mit erwünschter Antwort berechtigt sei; die Tochter meinte zwar: Es ist dankenswerth von Sanne Möhe, aber sie hat etwas dabei, und ich kann mich nicht freuen! Die Hexenleute, schon durch den Schneider „gewahrschauet“ (benachrichtigt), empfingen den gebornen Slootmann ohne Erstaunen. Es sah Alles recht gut und schicksam auf dem Felgenhofe aus — bis auf die Bewohner selbst! Da war die Mutter, deren großes, grobes Gesicht durch eine Geschwulst an der Wange entstellt war. Diese Geschwulst bestand schon seit Jahren und konnte sich auch nie verlieren. Hätten alle Aerzte der Welt ihre Entstehung und ihre Heilung beschworen — Niemand konnte ihnen glauben, denn man wußte

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:59:48Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:59:48Z)

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Zitationshilfe: Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/34>, abgerufen am 28.03.2024.