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Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

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Jch werde nie den Blick des Schreckens vergessen,
den mein Mann bei dieser Frage auf mich warf.

Er schämte sich gründlich meiner.

Nun bitte ich einen Menschen, hätte ich wirklich vom
Hörensagen den Namen Boekh gekannt, ohne eine Ahnung
von dem Jnhalt seiner Schriften zu haben, was hätte
das an der Thatsache meiner Unwissenheit geändert?

Jst es nicht geradezu possierlich, daß die Männer
sich der Unwissenheit ihrer Frauen schämen, deren in-
tellektuelle Urheber sie sind?

Haben wir Frauen etwa die höhere Töchterschule
organisirt, ihren Lehrplan bestimmt?

Was mich betrifft, so lehne ich die Verantwortung
für jeden orthographischen, grammatischen oder sonstigen
Fehler, der mir in dieser Schrift passiren sollte, ab, ich
lehne sie energisch ab und wälze sie auf die Schulter der
Männer. Jede falsche Jnterpunktion, die ich mache, ist
ihr Werk, für jeden Sprachfehler treffe sie die Gering-
schätzung der Mitwelt.

Jch habe die bestmögliche Schule meiner Jugendzeit
besucht, und sie war - so schlecht wie möglich.

Was verlangen die Männer von den Frauen? Den
Schein des Wissens und die Thatsache der Unwissenheit.
Sollte aber eine Frau ausnahmsweise wissend sein, so

Jch werde nie den Blick des Schreckens vergessen,
den mein Mann bei dieser Frage auf mich warf.

Er schämte sich gründlich meiner.

Nun bitte ich einen Menschen, hätte ich wirklich vom
Hörensagen den Namen Boekh gekannt, ohne eine Ahnung
von dem Jnhalt seiner Schriften zu haben, was hätte
das an der Thatsache meiner Unwissenheit geändert?

Jst es nicht geradezu possierlich, daß die Männer
sich der Unwissenheit ihrer Frauen schämen, deren in-
tellektuelle Urheber sie sind?

Haben wir Frauen etwa die höhere Töchterschule
organisirt, ihren Lehrplan bestimmt?

Was mich betrifft, so lehne ich die Verantwortung
für jeden orthographischen, grammatischen oder sonstigen
Fehler, der mir in dieser Schrift passiren sollte, ab, ich
lehne sie energisch ab und wälze sie auf die Schulter der
Männer. Jede falsche Jnterpunktion, die ich mache, ist
ihr Werk, für jeden Sprachfehler treffe sie die Gering-
schätzung der Mitwelt.

Jch habe die bestmögliche Schule meiner Jugendzeit
besucht, und sie war – so schlecht wie möglich.

Was verlangen die Männer von den Frauen? Den
Schein des Wissens und die Thatsache der Unwissenheit.
Sollte aber eine Frau ausnahmsweise wissend sein, so

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[40/0048] Jch werde nie den Blick des Schreckens vergessen, den mein Mann bei dieser Frage auf mich warf. Er schämte sich gründlich meiner. Nun bitte ich einen Menschen, hätte ich wirklich vom Hörensagen den Namen Boekh gekannt, ohne eine Ahnung von dem Jnhalt seiner Schriften zu haben, was hätte das an der Thatsache meiner Unwissenheit geändert? Jst es nicht geradezu possierlich, daß die Männer sich der Unwissenheit ihrer Frauen schämen, deren in- tellektuelle Urheber sie sind? Haben wir Frauen etwa die höhere Töchterschule organisirt, ihren Lehrplan bestimmt? Was mich betrifft, so lehne ich die Verantwortung für jeden orthographischen, grammatischen oder sonstigen Fehler, der mir in dieser Schrift passiren sollte, ab, ich lehne sie energisch ab und wälze sie auf die Schulter der Männer. Jede falsche Jnterpunktion, die ich mache, ist ihr Werk, für jeden Sprachfehler treffe sie die Gering- schätzung der Mitwelt. Jch habe die bestmögliche Schule meiner Jugendzeit besucht, und sie war – so schlecht wie möglich. Was verlangen die Männer von den Frauen? Den Schein des Wissens und die Thatsache der Unwissenheit. Sollte aber eine Frau ausnahmsweise wissend sein, so

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/48>, abgerufen am 25.04.2024.