Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Clima, in dem unsere Hebräer wirklich sich befin-
den
, und nicht das, in dem ihre Vorfahren vor zwey-
tausend Jahren lebten, ihren Character bestimmen
werde. Sie sind längst Europäer geworden, und nur
ihre beständige Verheyrathungen unter sich und die
gleichförmige Beschäftigung haben ihnen noch ge-
wisse charakteristische Eigenheiten und eine National-
physionomie erhalten, die sich, wenn sie erst unter
die übrigen Menschen sich zerstreuen und allmählig
das Unterscheidende ihrer Meynungen und Gebräu-
che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge-
selligkeit, welche manche dieser Gebräuche hervorge-
bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von
ewiger Dauer seyn. Und dieses muß allerdings ge-
schehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der
Gesellschaft werden sollen. Denn, wie Hr. Michae-
lis
richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und
trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Gesell-
schaft sich vereinigen. Aber immer komme ich darauf
zurück: Man muß anfangen die Juden, wie andere
Menschen und Glieder des Staats zu behandeln,
wenn man diese aus ihnen machen will.

III.

Clima, in dem unſere Hebraͤer wirklich ſich befin-
den
, und nicht das, in dem ihre Vorfahren vor zwey-
tauſend Jahren lebten, ihren Character beſtimmen
werde. Sie ſind laͤngſt Europaͤer geworden, und nur
ihre beſtaͤndige Verheyrathungen unter ſich und die
gleichfoͤrmige Beſchaͤftigung haben ihnen noch ge-
wiſſe charakteriſtiſche Eigenheiten und eine National-
phyſionomie erhalten, die ſich, wenn ſie erſt unter
die uͤbrigen Menſchen ſich zerſtreuen und allmaͤhlig
das Unterſcheidende ihrer Meynungen und Gebraͤu-
che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge-
ſelligkeit, welche manche dieſer Gebraͤuche hervorge-
bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von
ewiger Dauer ſeyn. Und dieſes muß allerdings ge-
ſchehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der
Geſellſchaft werden ſollen. Denn, wie Hr. Michae-
lis
richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und
trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Geſell-
ſchaft ſich vereinigen. Aber immer komme ich darauf
zuruͤck: Man muß anfangen die Juden, wie andere
Menſchen und Glieder des Staats zu behandeln,
wenn man dieſe aus ihnen machen will.

III.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0229" n="221"/><hi rendition="#fr">Clima</hi>, in dem <hi rendition="#fr">un&#x017F;ere Hebra&#x0364;er wirklich &#x017F;ich befin-<lb/>
den</hi>, und nicht <hi rendition="#fr">das</hi>, in dem ihre <hi rendition="#fr">Vorfahren</hi> vor zwey-<lb/>
tau&#x017F;end Jahren <hi rendition="#fr">lebten</hi>, ihren Character be&#x017F;timmen<lb/>
werde. Sie &#x017F;ind la&#x0364;ng&#x017F;t Europa&#x0364;er geworden, und nur<lb/>
ihre be&#x017F;ta&#x0364;ndige Verheyrathungen unter &#x017F;ich und die<lb/>
gleichfo&#x0364;rmige Be&#x017F;cha&#x0364;ftigung haben ihnen noch ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;e charakteri&#x017F;ti&#x017F;che Eigenheiten und eine National-<lb/>
phy&#x017F;ionomie erhalten, die &#x017F;ich, wenn &#x017F;ie er&#x017F;t unter<lb/>
die u&#x0364;brigen Men&#x017F;chen &#x017F;ich zer&#x017F;treuen und allma&#x0364;hlig<lb/>
das Unter&#x017F;cheidende ihrer Meynungen und Gebra&#x0364;u-<lb/>
che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge-<lb/>
&#x017F;elligkeit, welche manche die&#x017F;er Gebra&#x0364;uche hervorge-<lb/>
bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von<lb/>
ewiger Dauer &#x017F;eyn. Und die&#x017F;es muß allerdings ge-<lb/>
&#x017F;chehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der<lb/>
Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft werden &#x017F;ollen. Denn, wie Hr. <hi rendition="#fr">Michae-<lb/>
lis</hi> richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und<lb/>
trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Ge&#x017F;ell-<lb/>
&#x017F;chaft &#x017F;ich vereinigen. Aber immer komme ich darauf<lb/>
zuru&#x0364;ck: Man muß anfangen die Juden, wie andere<lb/>
Men&#x017F;chen und Glieder des Staats zu behandeln,<lb/>
wenn man die&#x017F;e aus ihnen machen will.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">III.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[221/0229] Clima, in dem unſere Hebraͤer wirklich ſich befin- den, und nicht das, in dem ihre Vorfahren vor zwey- tauſend Jahren lebten, ihren Character beſtimmen werde. Sie ſind laͤngſt Europaͤer geworden, und nur ihre beſtaͤndige Verheyrathungen unter ſich und die gleichfoͤrmige Beſchaͤftigung haben ihnen noch ge- wiſſe charakteriſtiſche Eigenheiten und eine National- phyſionomie erhalten, die ſich, wenn ſie erſt unter die uͤbrigen Menſchen ſich zerſtreuen und allmaͤhlig das Unterſcheidende ihrer Meynungen und Gebraͤu- che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge- ſelligkeit, welche manche dieſer Gebraͤuche hervorge- bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von ewiger Dauer ſeyn. Und dieſes muß allerdings ge- ſchehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der Geſellſchaft werden ſollen. Denn, wie Hr. Michae- lis richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Geſell- ſchaft ſich vereinigen. Aber immer komme ich darauf zuruͤck: Man muß anfangen die Juden, wie andere Menſchen und Glieder des Staats zu behandeln, wenn man dieſe aus ihnen machen will. III.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/229
Zitationshilfe: Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/229>, abgerufen am 29.03.2024.