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Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846.

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Armuth und Verbrechen.
solche Gedanken haben! Denkst Du nicht an uns, an
das arme Kind --"

"Eben drum, eben drum! Grade weil ich an Euch
denke," sagte der Mann sich erhebend und durch's Zim¬
mer schreitend. "Ich weiß auch wahrhaftig nicht, wes¬
halb wir uns davor zu scheuen brauchten. Wir haben
ebensoviel Recht zu leben, als die Andern, und wenn sie
uns unser Leben stehlen, so dürfen wir's doch wieder
stehlen!" --

"Fritz, um Gotteswillen, führ' keine so lästerlichen
Reden im Mund! Es ist eine Prüfung, die uns der
Herr aufgelegt, wir müssen ausharren!" --

"Ja, unser ganzes Leben ist eine Prüfung, und wir
sind nur dazu geboren, daß sich der Herrgott droben an
unserm Todeskampf erlustiren kann. Drum sind auch
die reichen Faullenzer geschaffen, für die die armen Leute
schaffen und rackern müssen, ohne selber was davon zu
haben. Die Reichen betrügen die Armen, und betrügen
sich dann im Handel und Wandel wieder untereinander.
Der Jammer muß sich von oben recht komisch an¬
sehen." --

"Gott verzeih' Dir die Sünde, Mann!" rief die
entsetzte Frau.

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Armuth und Verbrechen.
ſolche Gedanken haben! Denkſt Du nicht an uns, an
das arme Kind —“

„Eben drum, eben drum! Grade weil ich an Euch
denke,“ ſagte der Mann ſich erhebend und durch's Zim¬
mer ſchreitend. „Ich weiß auch wahrhaftig nicht, wes¬
halb wir uns davor zu ſcheuen brauchten. Wir haben
ebenſoviel Recht zu leben, als die Andern, und wenn ſie
uns unſer Leben ſtehlen, ſo duͤrfen wir's doch wieder
ſtehlen!“ —

„Fritz, um Gotteswillen, fuͤhr' keine ſo laͤſterlichen
Reden im Mund! Es iſt eine Pruͤfung, die uns der
Herr aufgelegt, wir muͤſſen ausharren!“ —

„Ja, unſer ganzes Leben iſt eine Pruͤfung, und wir
ſind nur dazu geboren, daß ſich der Herrgott droben an
unſerm Todeskampf erluſtiren kann. Drum ſind auch
die reichen Faullenzer geſchaffen, fuͤr die die armen Leute
ſchaffen und rackern muͤſſen, ohne ſelber was davon zu
haben. Die Reichen betruͤgen die Armen, und betruͤgen
ſich dann im Handel und Wandel wieder untereinander.
Der Jammer muß ſich von oben recht komiſch an¬
ſehen.“ —

„Gott verzeih' Dir die Suͤnde, Mann!“ rief die
entſetzte Frau.

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[35/0049] Armuth und Verbrechen. ſolche Gedanken haben! Denkſt Du nicht an uns, an das arme Kind —“ „Eben drum, eben drum! Grade weil ich an Euch denke,“ ſagte der Mann ſich erhebend und durch's Zim¬ mer ſchreitend. „Ich weiß auch wahrhaftig nicht, wes¬ halb wir uns davor zu ſcheuen brauchten. Wir haben ebenſoviel Recht zu leben, als die Andern, und wenn ſie uns unſer Leben ſtehlen, ſo duͤrfen wir's doch wieder ſtehlen!“ — „Fritz, um Gotteswillen, fuͤhr' keine ſo laͤſterlichen Reden im Mund! Es iſt eine Pruͤfung, die uns der Herr aufgelegt, wir muͤſſen ausharren!“ — „Ja, unſer ganzes Leben iſt eine Pruͤfung, und wir ſind nur dazu geboren, daß ſich der Herrgott droben an unſerm Todeskampf erluſtiren kann. Drum ſind auch die reichen Faullenzer geſchaffen, fuͤr die die armen Leute ſchaffen und rackern muͤſſen, ohne ſelber was davon zu haben. Die Reichen betruͤgen die Armen, und betruͤgen ſich dann im Handel und Wandel wieder untereinander. Der Jammer muß ſich von oben recht komiſch an¬ ſehen.“ — „Gott verzeih' Dir die Suͤnde, Mann!“ rief die entſetzte Frau. 3 *

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Zitationshilfe: Dronke, Ernst: Polizei-Geschichten. Leipzig, 1846, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dronke_polizeigeschichten_1846/49>, abgerufen am 29.03.2024.