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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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kes gewiß, den großen Tag zu bestimmen, den der Aufbruch nach
dem Morgenlande für das Schicksal von Millionen und für die
Geschichte von Jahrhunderten entscheidend machen sollte..

Der Winter war den Rüstungen zum großen Kriege geweiht;
aus Griechenland, aus Thessalien, aus den Gebirgen Thraciens,
von der Donau her, aus den Thälern Illyriens kamen die Schaa-
ren der Verbündeten; Söldner wurden geworben, Schiffe zur Ueber-
fahrt nach Asien gerüstet. Der König und seine Generale hielten
Berathungen, die Operationen des Feldzuges nach den genauen Er-
kundigungen, die über die Kriegsmacht und Organisation des Per-
sischen Reiches, über die Beschaffenheit der östlichen Länder, über
die militärische Wichtigkeit der Stromthäler, der Bergzüge, der
Städte und Landschaften eingezogen waren, zu entwerfen. Dann
wurden die Angelegenheiten der Heimath geordnet, Antipater zum
Reichsverweser bestellt, ein Heer von zwölftausend Mann seinem
Befehle übergeben, mit dem er Griechenland sichern, die Grenzen
des Reiches schützen, die Barbaren im Gehorsam halten konnte,
und fortwährend neue Schaaren der großen Armee nachzusenden be-
reit hätte 101), die Fürsten der verbündeten Barbarenstämme zur
persönlichen Theilnahme am Kampfe aufgefordert, damit das Reich
vor Neuerungen desto sicherer, die Stammesgenossen unter ihrer
Führung desto tapferer wären 102). Noch eine Sorge wurde im
Kriegsrathe besonders von Antipater und Parmenion angeregt: wes-
sen, im Fall eines unvorhergesehenen Unglückes, die Thronfolge im
Reiche sein solle? Sie beschworen den königlichen Jüngling, sich
vor dem Feldzuge zu vermählen, und die Geburt eines Thronerben
zu erwarten. Er aber verwarf ihre Anträge: es sei seiner und der
Macedonier und Griechenlandes unwürdig, an Hochzeit und Ehe-
bett zu denken, wenn Asien zum Kampfe bereit stehe. Asien nur
war sein Gedanke; was daheim ihm gehörte, Landgüter, Waldun-
gen und Dörfer, selbst die Zehnten und Hafenzölle verschenkte er
an seine Freunde. "Was bleibt denn dir, o König," fragte Per-
dikkas, als fast alles vertheilt war. "Die Hoffnung!" antwortete der
König. Da verschmähte auch Perdikkas seinen Antheil; "laß uns,

101) Diod. XVII. 17.
102) Frontin II. 11. 3.

kes gewiß, den großen Tag zu beſtimmen, den der Aufbruch nach
dem Morgenlande für das Schickſal von Millionen und für die
Geſchichte von Jahrhunderten entſcheidend machen ſollte..

Der Winter war den Rüſtungen zum großen Kriege geweiht;
aus Griechenland, aus Theſſalien, aus den Gebirgen Thraciens,
von der Donau her, aus den Thälern Illyriens kamen die Schaa-
ren der Verbündeten; Söldner wurden geworben, Schiffe zur Ueber-
fahrt nach Aſien gerüſtet. Der König und ſeine Generale hielten
Berathungen, die Operationen des Feldzuges nach den genauen Er-
kundigungen, die über die Kriegsmacht und Organiſation des Per-
ſiſchen Reiches, über die Beſchaffenheit der öſtlichen Länder, über
die militäriſche Wichtigkeit der Stromthäler, der Bergzüge, der
Städte und Landſchaften eingezogen waren, zu entwerfen. Dann
wurden die Angelegenheiten der Heimath geordnet, Antipater zum
Reichsverweſer beſtellt, ein Heer von zwölftauſend Mann ſeinem
Befehle übergeben, mit dem er Griechenland ſichern, die Grenzen
des Reiches ſchützen, die Barbaren im Gehorſam halten konnte,
und fortwährend neue Schaaren der großen Armee nachzuſenden be-
reit hätte 101), die Fürſten der verbündeten Barbarenſtämme zur
perſönlichen Theilnahme am Kampfe aufgefordert, damit das Reich
vor Neuerungen deſto ſicherer, die Stammesgenoſſen unter ihrer
Führung deſto tapferer wären 102). Noch eine Sorge wurde im
Kriegsrathe beſonders von Antipater und Parmenion angeregt: weſ-
ſen, im Fall eines unvorhergeſehenen Unglückes, die Thronfolge im
Reiche ſein ſolle? Sie beſchworen den königlichen Jüngling, ſich
vor dem Feldzuge zu vermählen, und die Geburt eines Thronerben
zu erwarten. Er aber verwarf ihre Anträge: es ſei ſeiner und der
Macedonier und Griechenlandes unwürdig, an Hochzeit und Ehe-
bett zu denken, wenn Aſien zum Kampfe bereit ſtehe. Aſien nur
war ſein Gedanke; was daheim ihm gehörte, Landgüter, Waldun-
gen und Dörfer, ſelbſt die Zehnten und Hafenzölle verſchenkte er
an ſeine Freunde. „Was bleibt denn dir, o König,“ fragte Per-
dikkas, als faſt alles vertheilt war. „Die Hoffnung!“ antwortete der
König. Da verſchmähte auch Perdikkas ſeinen Antheil; „laß uns,

101) Diod. XVII. 17.
102) Frontin II. 11. 3.
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[90/0104] kes gewiß, den großen Tag zu beſtimmen, den der Aufbruch nach dem Morgenlande für das Schickſal von Millionen und für die Geſchichte von Jahrhunderten entſcheidend machen ſollte.. Der Winter war den Rüſtungen zum großen Kriege geweiht; aus Griechenland, aus Theſſalien, aus den Gebirgen Thraciens, von der Donau her, aus den Thälern Illyriens kamen die Schaa- ren der Verbündeten; Söldner wurden geworben, Schiffe zur Ueber- fahrt nach Aſien gerüſtet. Der König und ſeine Generale hielten Berathungen, die Operationen des Feldzuges nach den genauen Er- kundigungen, die über die Kriegsmacht und Organiſation des Per- ſiſchen Reiches, über die Beſchaffenheit der öſtlichen Länder, über die militäriſche Wichtigkeit der Stromthäler, der Bergzüge, der Städte und Landſchaften eingezogen waren, zu entwerfen. Dann wurden die Angelegenheiten der Heimath geordnet, Antipater zum Reichsverweſer beſtellt, ein Heer von zwölftauſend Mann ſeinem Befehle übergeben, mit dem er Griechenland ſichern, die Grenzen des Reiches ſchützen, die Barbaren im Gehorſam halten konnte, und fortwährend neue Schaaren der großen Armee nachzuſenden be- reit hätte 101), die Fürſten der verbündeten Barbarenſtämme zur perſönlichen Theilnahme am Kampfe aufgefordert, damit das Reich vor Neuerungen deſto ſicherer, die Stammesgenoſſen unter ihrer Führung deſto tapferer wären 102). Noch eine Sorge wurde im Kriegsrathe beſonders von Antipater und Parmenion angeregt: weſ- ſen, im Fall eines unvorhergeſehenen Unglückes, die Thronfolge im Reiche ſein ſolle? Sie beſchworen den königlichen Jüngling, ſich vor dem Feldzuge zu vermählen, und die Geburt eines Thronerben zu erwarten. Er aber verwarf ihre Anträge: es ſei ſeiner und der Macedonier und Griechenlandes unwürdig, an Hochzeit und Ehe- bett zu denken, wenn Aſien zum Kampfe bereit ſtehe. Aſien nur war ſein Gedanke; was daheim ihm gehörte, Landgüter, Waldun- gen und Dörfer, ſelbſt die Zehnten und Hafenzölle verſchenkte er an ſeine Freunde. „Was bleibt denn dir, o König,“ fragte Per- dikkas, als faſt alles vertheilt war. „Die Hoffnung!“ antwortete der König. Da verſchmähte auch Perdikkas ſeinen Antheil; „laß uns, 101) Diod. XVII. 17. 102) Frontin II. 11. 3.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/104>, abgerufen am 29.03.2024.