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Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833].

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sollten, daß seine Hegemonie nicht sofort von den Athenern aner-
kannt worden wäre. Demosthenes, der mit unter den Gesandten
war, kehrte heimlich auf dem Kithäron um, entweder aus Furcht
vor Alexander, oder um seine Verhältnisse mit Persien nicht bloß
zu stellen 49); er überließ es den andern Gesandten, die Bitten
des Athenäischen Volkes zu überbringen. Alexander nahm sie mit
der höchsten Huld auf, verzieh das Geschehene, und verlangte nur,
daß Athen Bevollmächtigte nach Korinth senden sollte, um dort
Frieden und Bündniß mit ihm zu beschwören 50).

Er selbst zog gleichfalls nach Korinth, und berief dorthin die
Abgeordneten der Staaten innerhalb des Peloponneses, um sich auch
von dem Bundestage der alten Peloponnesischen Symmachie die
Hegemonie gegen Persien übertragen zu lassen 51). Nur Sparta
ließ seine Beistimmung verweigern: es sei nicht Herkommen bei den
Spartanern, Anderen zu folgen, sondern selbst zu führen. Leicht
hätte sie der König zwingen können, doch es wäre weder klug, noch
der Mühe werth gewesen; er wollte nichts, als die Hegemonie freier
Staaten und den Ruhm, an der Spitze der Griechen die Barbaren
zu bekämpfen und die Schändung der Hellenischen Heiligthümer
zu rächen. Nach diesen Ansichten wurde die Formel des Bundes-
vertrages abgefaßt und beschworen. Die Hauptpunkte waren, daß
die Griechischen Staaten frei und souverain sein, und auch im
Uebrigen das Bestehende gelten sollte; wer den Versuch machen
würde, in irgend einer der Bundesstädte Tyrannen einzusetzen, oder
überhaupt die bestehende Verfassung umzugestalten oder umzustürzen,
der und dessen Heimath solle als Feind des Bundes angesehen und
durch die Bundesglieder mit Gewalt der Waffen zur Pflicht ge-
zwungen werden; wenn die Verbannten irgend einer Bundesstadt
von einer anderen Bundesstadt aus die Heimkehr zu erzwingen ver-
suchten, so solle dieselbe Stadt aus dem Bunde ausgestoßen werden,
damit die gefährdete Bundesstadt sich mit Hülfe des gesammten

49) Aeschin. p. 436.
50) Diod. XVII. 4. Hierher gehört die
Ehre, welche die Megarenser ihm erwiesen, indem sie ihm das Bürger-
recht in ihrer Stadt dekretirten; Alexander nahm es lächelnd an, da
nur Herakles der gleichen Ehre gewürdigt worden war. Plut. de
monarch.
51) Diod. oi sunedreuein eiothotes. Arrian. I. 1.

ſollten, daß ſeine Hegemonie nicht ſofort von den Athenern aner-
kannt worden wäre. Demoſthenes, der mit unter den Geſandten
war, kehrte heimlich auf dem Kithäron um, entweder aus Furcht
vor Alexander, oder um ſeine Verhältniſſe mit Perſien nicht bloß
zu ſtellen 49); er überließ es den andern Geſandten, die Bitten
des Athenäiſchen Volkes zu überbringen. Alexander nahm ſie mit
der höchſten Huld auf, verzieh das Geſchehene, und verlangte nur,
daß Athen Bevollmächtigte nach Korinth ſenden ſollte, um dort
Frieden und Bündniß mit ihm zu beſchwören 50).

Er ſelbſt zog gleichfalls nach Korinth, und berief dorthin die
Abgeordneten der Staaten innerhalb des Peloponneſes, um ſich auch
von dem Bundestage der alten Peloponneſiſchen Symmachie die
Hegemonie gegen Perſien übertragen zu laſſen 51). Nur Sparta
ließ ſeine Beiſtimmung verweigern: es ſei nicht Herkommen bei den
Spartanern, Anderen zu folgen, ſondern ſelbſt zu führen. Leicht
hätte ſie der König zwingen können, doch es wäre weder klug, noch
der Mühe werth geweſen; er wollte nichts, als die Hegemonie freier
Staaten und den Ruhm, an der Spitze der Griechen die Barbaren
zu bekämpfen und die Schändung der Helleniſchen Heiligthümer
zu rächen. Nach dieſen Anſichten wurde die Formel des Bundes-
vertrages abgefaßt und beſchworen. Die Hauptpunkte waren, daß
die Griechiſchen Staaten frei und ſouverain ſein, und auch im
Uebrigen das Beſtehende gelten ſollte; wer den Verſuch machen
würde, in irgend einer der Bundesſtädte Tyrannen einzuſetzen, oder
überhaupt die beſtehende Verfaſſung umzugeſtalten oder umzuſtürzen,
der und deſſen Heimath ſolle als Feind des Bundes angeſehen und
durch die Bundesglieder mit Gewalt der Waffen zur Pflicht ge-
zwungen werden; wenn die Verbannten irgend einer Bundesſtadt
von einer anderen Bundesſtadt aus die Heimkehr zu erzwingen ver-
ſuchten, ſo ſolle dieſelbe Stadt aus dem Bunde ausgeſtoßen werden,
damit die gefährdete Bundesſtadt ſich mit Hülfe des geſammten

49) Aeschin. p. 436.
50) Diod. XVII. 4. Hierher gehört die
Ehre, welche die Megarenſer ihm erwieſen, indem ſie ihm das Bürger-
recht in ihrer Stadt dekretirten; Alexander nahm es lächelnd an, da
nur Herakles der gleichen Ehre gewürdigt worden war. Plut. de
monarch.
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[61/0075] ſollten, daß ſeine Hegemonie nicht ſofort von den Athenern aner- kannt worden wäre. Demoſthenes, der mit unter den Geſandten war, kehrte heimlich auf dem Kithäron um, entweder aus Furcht vor Alexander, oder um ſeine Verhältniſſe mit Perſien nicht bloß zu ſtellen 49); er überließ es den andern Geſandten, die Bitten des Athenäiſchen Volkes zu überbringen. Alexander nahm ſie mit der höchſten Huld auf, verzieh das Geſchehene, und verlangte nur, daß Athen Bevollmächtigte nach Korinth ſenden ſollte, um dort Frieden und Bündniß mit ihm zu beſchwören 50). Er ſelbſt zog gleichfalls nach Korinth, und berief dorthin die Abgeordneten der Staaten innerhalb des Peloponneſes, um ſich auch von dem Bundestage der alten Peloponneſiſchen Symmachie die Hegemonie gegen Perſien übertragen zu laſſen 51). Nur Sparta ließ ſeine Beiſtimmung verweigern: es ſei nicht Herkommen bei den Spartanern, Anderen zu folgen, ſondern ſelbſt zu führen. Leicht hätte ſie der König zwingen können, doch es wäre weder klug, noch der Mühe werth geweſen; er wollte nichts, als die Hegemonie freier Staaten und den Ruhm, an der Spitze der Griechen die Barbaren zu bekämpfen und die Schändung der Helleniſchen Heiligthümer zu rächen. Nach dieſen Anſichten wurde die Formel des Bundes- vertrages abgefaßt und beſchworen. Die Hauptpunkte waren, daß die Griechiſchen Staaten frei und ſouverain ſein, und auch im Uebrigen das Beſtehende gelten ſollte; wer den Verſuch machen würde, in irgend einer der Bundesſtädte Tyrannen einzuſetzen, oder überhaupt die beſtehende Verfaſſung umzugeſtalten oder umzuſtürzen, der und deſſen Heimath ſolle als Feind des Bundes angeſehen und durch die Bundesglieder mit Gewalt der Waffen zur Pflicht ge- zwungen werden; wenn die Verbannten irgend einer Bundesſtadt von einer anderen Bundesſtadt aus die Heimkehr zu erzwingen ver- ſuchten, ſo ſolle dieſelbe Stadt aus dem Bunde ausgeſtoßen werden, damit die gefährdete Bundesſtadt ſich mit Hülfe des geſammten 49) Aeschin. p. 436. 50) Diod. XVII. 4. Hierher gehört die Ehre, welche die Megarenſer ihm erwieſen, indem ſie ihm das Bürger- recht in ihrer Stadt dekretirten; Alexander nahm es lächelnd an, da nur Herakles der gleichen Ehre gewürdigt worden war. Plut. de monarch. 51) Diod. οἱ συνεδϱεύειν εἰωϑότες. Arrian. I. 1.

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Zitationshilfe: Droysen, Johann Gustav: Geschichte Alexanders des Großen. Hamburg, [1833], S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/droysen_alexander_1833/75>, abgerufen am 28.03.2024.