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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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1. Die Palmen.
Fruchtrispen einer einzelnen Pflanze entwickelt sein
können. Solche Formen bedürfen auch zu ihrer Ent-
wickelung unausgesetzter Vegetationszeiten, wie sie nur
in feuchten Tropen vorhanden sein können: als Beispiel
ist hier die berühmte Lodoicea Sechellarum zu nennen,
die ihre 11/2--2 Fuss im Durchmesser haltenden Nüsse
erst im Zeitraum von 10 Jahren reift (Swinburn-Ward).
Die Eigentümlichkeit der Palmen und verwandten Mono-
kotyledonen, erst dann einen Stamm zu bilden, wenn die
durch stetig aufeinander folgende Blätter sich vergrössernde
Grundfläche, aus der die Wurzeln unmittelbar an der
Oberfläche der Erde entspringen, einen Durchmesser be-
sitzt, der dem Durchmesser des auf dieser Grundfläche
sich später erhebenden Stammes ungefähr gleichkommt,
bewirkt, dass schon stammlose Blattrosetten riesenhafte
Grössen erlangen und einen weiten Raum beanspruchen,
bevor die stolze Krone in die Lüfte emporgetragen wird;
und aus demselben Grunde trägt die Bildung des Holz-
stammes nichts zur Vergrösserung der Blattrosette bei,
so dass sogar einige fast ganz stammlose Palmen die
grössesten Blätter zur Entwickelung bringen (Raphia,
Metroxylon, Attalea
). Durch diese physiognomischen Er-
scheinungen sind die Palmen so ausgezeichnet, und die-
selben sind so sehr in den durch tropische Fülle am
meisten anziehenden Ländern in den Vordergrund getreten,
dass auch die in botanischer Systematik ungeübten Reisen-
den gerade diese Ordnung stets erkennen können und,
angezogen durch den Reiz ihrer Erscheinung, von ihrem
Vorkommen ausführliche Schilderungen entwerfen. Frhr.
v. Thielmann 1) bezeichnet die Palmen als beste Vertreter
der Tropenlandschaft, die durch sie erst den Stempel
des Lichtes und des Adels aufgedrückt erhält, während
der Farnbaum in der weiten Landschaft keine Stelle hat
und nur in tiefer Waldesnacht den Reichtum seines so
ungleich zarter gefiederten Laubes entfaltet. Obgleich
nicht alle Palmen grosse Dimensionen annehmen, so ist
die Grazie des Wuchses doch nicht minder bei kleinen

1) Vier Wege durch Amerika 1879, S. 272.

1. Die Palmen.
Fruchtrispen einer einzelnen Pflanze entwickelt sein
können. Solche Formen bedürfen auch zu ihrer Ent-
wickelung unausgesetzter Vegetationszeiten, wie sie nur
in feuchten Tropen vorhanden sein können: als Beispiel
ist hier die berühmte Lodoicea Sechellarum zu nennen,
die ihre 1½—2 Fuss im Durchmesser haltenden Nüsse
erst im Zeitraum von 10 Jahren reift (Swinburn-Ward).
Die Eigentümlichkeit der Palmen und verwandten Mono-
kotyledonen, erst dann einen Stamm zu bilden, wenn die
durch stetig aufeinander folgende Blätter sich vergrössernde
Grundfläche, aus der die Wurzeln unmittelbar an der
Oberfläche der Erde entspringen, einen Durchmesser be-
sitzt, der dem Durchmesser des auf dieser Grundfläche
sich später erhebenden Stammes ungefähr gleichkommt,
bewirkt, dass schon stammlose Blattrosetten riesenhafte
Grössen erlangen und einen weiten Raum beanspruchen,
bevor die stolze Krone in die Lüfte emporgetragen wird;
und aus demselben Grunde trägt die Bildung des Holz-
stammes nichts zur Vergrösserung der Blattrosette bei,
so dass sogar einige fast ganz stammlose Palmen die
grössesten Blätter zur Entwickelung bringen (Raphia,
Metroxylon, Attalea
). Durch diese physiognomischen Er-
scheinungen sind die Palmen so ausgezeichnet, und die-
selben sind so sehr in den durch tropische Fülle am
meisten anziehenden Ländern in den Vordergrund getreten,
dass auch die in botanischer Systematik ungeübten Reisen-
den gerade diese Ordnung stets erkennen können und,
angezogen durch den Reiz ihrer Erscheinung, von ihrem
Vorkommen ausführliche Schilderungen entwerfen. Frhr.
v. Thielmann 1) bezeichnet die Palmen als beste Vertreter
der Tropenlandschaft, die durch sie erst den Stempel
des Lichtes und des Adels aufgedrückt erhält, während
der Farnbaum in der weiten Landschaft keine Stelle hat
und nur in tiefer Waldesnacht den Reichtum seines so
ungleich zarter gefiederten Laubes entfaltet. Obgleich
nicht alle Palmen grosse Dimensionen annehmen, so ist
die Grazie des Wuchses doch nicht minder bei kleinen

1) Vier Wege durch Amerika 1879, S. 272.
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[170/0196] 1. Die Palmen. Fruchtrispen einer einzelnen Pflanze entwickelt sein können. Solche Formen bedürfen auch zu ihrer Ent- wickelung unausgesetzter Vegetationszeiten, wie sie nur in feuchten Tropen vorhanden sein können: als Beispiel ist hier die berühmte Lodoicea Sechellarum zu nennen, die ihre 1½—2 Fuss im Durchmesser haltenden Nüsse erst im Zeitraum von 10 Jahren reift (Swinburn-Ward). Die Eigentümlichkeit der Palmen und verwandten Mono- kotyledonen, erst dann einen Stamm zu bilden, wenn die durch stetig aufeinander folgende Blätter sich vergrössernde Grundfläche, aus der die Wurzeln unmittelbar an der Oberfläche der Erde entspringen, einen Durchmesser be- sitzt, der dem Durchmesser des auf dieser Grundfläche sich später erhebenden Stammes ungefähr gleichkommt, bewirkt, dass schon stammlose Blattrosetten riesenhafte Grössen erlangen und einen weiten Raum beanspruchen, bevor die stolze Krone in die Lüfte emporgetragen wird; und aus demselben Grunde trägt die Bildung des Holz- stammes nichts zur Vergrösserung der Blattrosette bei, so dass sogar einige fast ganz stammlose Palmen die grössesten Blätter zur Entwickelung bringen (Raphia, Metroxylon, Attalea). Durch diese physiognomischen Er- scheinungen sind die Palmen so ausgezeichnet, und die- selben sind so sehr in den durch tropische Fülle am meisten anziehenden Ländern in den Vordergrund getreten, dass auch die in botanischer Systematik ungeübten Reisen- den gerade diese Ordnung stets erkennen können und, angezogen durch den Reiz ihrer Erscheinung, von ihrem Vorkommen ausführliche Schilderungen entwerfen. Frhr. v. Thielmann 1) bezeichnet die Palmen als beste Vertreter der Tropenlandschaft, die durch sie erst den Stempel des Lichtes und des Adels aufgedrückt erhält, während der Farnbaum in der weiten Landschaft keine Stelle hat und nur in tiefer Waldesnacht den Reichtum seines so ungleich zarter gefiederten Laubes entfaltet. Obgleich nicht alle Palmen grosse Dimensionen annehmen, so ist die Grazie des Wuchses doch nicht minder bei kleinen 1) Vier Wege durch Amerika 1879, S. 272.

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/196>, abgerufen am 25.04.2024.