sind die beiden natürlichen botanischen Gesichtspunkte erschöpft, und mit der Physiognomik fängt ein eigener Gesichtspunkt der physikalischen Geographie in Hinsicht auf das den Ländern in ihrer Pflanzendecke verliehene organische Kleid an. Das zeigen schon die Begriffe: Wälder, Wiesen, Moore, Steppen, Tundren etc., welche zwar sich auf Pflanzenbestände beziehen, aber doch zunächst keine Begriffe der analytischen Botanik sind. Daher urteilte man auch sehr verschieden über die Fixierung dieser Begriffe; am meisten verbreitet war früher die Meinung, es handle sich bei der Physio- gnomik um malerische Schilderungen der Landschaftsbilder in wirk- lich dem Wesen der Kunst entlehnter Auffassung. So z. B. denkt auch Kabsch (1865) darüber. Das würde dann aber aus dem Rahmen der strengen Naturwissenschaft heraustreten und die Physiognomik als ein fremdartiges Anhangsgebilde behandeln heissen.
Das Aussehen der Pflanzendecke richtet sich zunächst nach der Vegetationsform, welche hier oder da die herrschende ist, nach dem Auftreten von Bäumen, Gesträuchen, immergrün oder blatt- wechselnd, blattlos u. s. w. Nun aber treten in derselben Vege- tationsform alle möglichen Sippen auf und geben ihr ein sehr ver- schiedenartiges Aussehen; alle deutschen Laubbäume gehören zu den blattwechselnden, sind aber doch als Eichenwald, Birkenwald, Buchenwald verschieden genug. Es ist also die Tracht der Ge- wächse jedes Landes gleichzeitig bestimmt durch seine Vegetations- formen und die unter diesen auftretenden morphologischen Träger, d. h. durch die systematischen Ordnungen, Gattungen, Arten der Landesflora. Es läge daher in Betrachtungen darüber gar nichts Neues, als schon unter biologischer und systematischer Richtung zur Erörterung gelangt war, wenn nicht durch den Geselligkeits- anschluss selbst eine bestimmte organische Kraftwirkung von hoher Bedeutung hervorgerufen würde, welche zu den ersten Erkennungs- merkmalen der Landschaft und ihrer klimatischen Verhältnisse ge- hört. Die Pflanzenbestände daher wissenschaftlich zusammen- zufassen und ihre gleichartige oder ungleichartige Verbreitung in Abhängigkeit von den grossen Zügen der Bodenwirkung und Klima- verteilung über die Erde zu verfolgen, ist eine unumgänglich notwendige Aufgabe der Pflanzengeographie als Glied der physi- kalischen Geographie.
Stellung der Pflanzengeographie zu der physi- kalischen Geographie. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich schon klar, was die "Geobotanik" der allgemeinen und der im einzelnen schildernden Geographie nützen kann; es zeigt sich deutlich die Pflanzengeographie als eine Disziplin, welche mit rein botanischen Fragen an- hebend und nur die Methoden der botanischen Richtungen befolgend Urteile fällt, die neben der Botanik auch die biologischen, klimatologischen und geologischen Seiten
Lehre von den Formationen.
sind die beiden natürlichen botanischen Gesichtspunkte erschöpft, und mit der Physiognomik fängt ein eigener Gesichtspunkt der physikalischen Geographie in Hinsicht auf das den Ländern in ihrer Pflanzendecke verliehene organische Kleid an. Das zeigen schon die Begriffe: Wälder, Wiesen, Moore, Steppen, Tundren etc., welche zwar sich auf Pflanzenbestände beziehen, aber doch zunächst keine Begriffe der analytischen Botanik sind. Daher urteilte man auch sehr verschieden über die Fixierung dieser Begriffe; am meisten verbreitet war früher die Meinung, es handle sich bei der Physio- gnomik um malerische Schilderungen der Landschaftsbilder in wirk- lich dem Wesen der Kunst entlehnter Auffassung. So z. B. denkt auch Kabsch (1865) darüber. Das würde dann aber aus dem Rahmen der strengen Naturwissenschaft heraustreten und die Physiognomik als ein fremdartiges Anhangsgebilde behandeln heissen.
Das Aussehen der Pflanzendecke richtet sich zunächst nach der Vegetationsform, welche hier oder da die herrschende ist, nach dem Auftreten von Bäumen, Gesträuchen, immergrün oder blatt- wechselnd, blattlos u. s. w. Nun aber treten in derselben Vege- tationsform alle möglichen Sippen auf und geben ihr ein sehr ver- schiedenartiges Aussehen; alle deutschen Laubbäume gehören zu den blattwechselnden, sind aber doch als Eichenwald, Birkenwald, Buchenwald verschieden genug. Es ist also die Tracht der Ge- wächse jedes Landes gleichzeitig bestimmt durch seine Vegetations- formen und die unter diesen auftretenden morphologischen Träger, d. h. durch die systematischen Ordnungen, Gattungen, Arten der Landesflora. Es läge daher in Betrachtungen darüber gar nichts Neues, als schon unter biologischer und systematischer Richtung zur Erörterung gelangt war, wenn nicht durch den Geselligkeits- anschluss selbst eine bestimmte organische Kraftwirkung von hoher Bedeutung hervorgerufen würde, welche zu den ersten Erkennungs- merkmalen der Landschaft und ihrer klimatischen Verhältnisse ge- hört. Die Pflanzenbestände daher wissenschaftlich zusammen- zufassen und ihre gleichartige oder ungleichartige Verbreitung in Abhängigkeit von den grossen Zügen der Bodenwirkung und Klima- verteilung über die Erde zu verfolgen, ist eine unumgänglich notwendige Aufgabe der Pflanzengeographie als Glied der physi- kalischen Geographie.
Stellung der Pflanzengeographie zu der physi- kalischen Geographie. Aus dem Vorhergehenden ergibt sich schon klar, was die „Geobotanik“ der allgemeinen und der im einzelnen schildernden Geographie nützen kann; es zeigt sich deutlich die Pflanzengeographie als eine Disziplin, welche mit rein botanischen Fragen an- hebend und nur die Methoden der botanischen Richtungen befolgend Urteile fällt, die neben der Botanik auch die biologischen, klimatologischen und geologischen Seiten
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[11/0033]
Lehre von den Formationen.
sind die beiden natürlichen botanischen Gesichtspunkte erschöpft,
und mit der Physiognomik fängt ein eigener Gesichtspunkt der
physikalischen Geographie in Hinsicht auf das den Ländern in ihrer
Pflanzendecke verliehene organische Kleid an. Das zeigen schon
die Begriffe: Wälder, Wiesen, Moore, Steppen, Tundren etc., welche
zwar sich auf Pflanzenbestände beziehen, aber doch zunächst keine
Begriffe der analytischen Botanik sind. Daher urteilte man auch
sehr verschieden über die Fixierung dieser Begriffe; am meisten
verbreitet war früher die Meinung, es handle sich bei der Physio-
gnomik um malerische Schilderungen der Landschaftsbilder in wirk-
lich dem Wesen der Kunst entlehnter Auffassung. So z. B. denkt
auch Kabsch (1865) darüber. Das würde dann aber aus dem Rahmen
der strengen Naturwissenschaft heraustreten und die Physiognomik
als ein fremdartiges Anhangsgebilde behandeln heissen.
Das Aussehen der Pflanzendecke richtet sich zunächst nach
der Vegetationsform, welche hier oder da die herrschende ist, nach
dem Auftreten von Bäumen, Gesträuchen, immergrün oder blatt-
wechselnd, blattlos u. s. w. Nun aber treten in derselben Vege-
tationsform alle möglichen Sippen auf und geben ihr ein sehr ver-
schiedenartiges Aussehen; alle deutschen Laubbäume gehören zu
den blattwechselnden, sind aber doch als Eichenwald, Birkenwald,
Buchenwald verschieden genug. Es ist also die Tracht der Ge-
wächse jedes Landes gleichzeitig bestimmt durch seine Vegetations-
formen und die unter diesen auftretenden morphologischen Träger,
d. h. durch die systematischen Ordnungen, Gattungen, Arten der
Landesflora. Es läge daher in Betrachtungen darüber gar nichts
Neues, als schon unter biologischer und systematischer Richtung
zur Erörterung gelangt war, wenn nicht durch den Geselligkeits-
anschluss selbst eine bestimmte organische Kraftwirkung von hoher
Bedeutung hervorgerufen würde, welche zu den ersten Erkennungs-
merkmalen der Landschaft und ihrer klimatischen Verhältnisse ge-
hört. Die Pflanzenbestände daher wissenschaftlich zusammen-
zufassen und ihre gleichartige oder ungleichartige Verbreitung in
Abhängigkeit von den grossen Zügen der Bodenwirkung und Klima-
verteilung über die Erde zu verfolgen, ist eine unumgänglich
notwendige Aufgabe der Pflanzengeographie als Glied der physi-
kalischen Geographie.
Stellung der Pflanzengeographie zu der physi-
kalischen Geographie. Aus dem Vorhergehenden ergibt
sich schon klar, was die „Geobotanik“ der allgemeinen
und der im einzelnen schildernden Geographie nützen
kann; es zeigt sich deutlich die Pflanzengeographie als
eine Disziplin, welche mit rein botanischen Fragen an-
hebend und nur die Methoden der botanischen Richtungen
befolgend Urteile fällt, die neben der Botanik auch die
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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/33>, abgerufen am 20.04.2024.
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