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Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890.

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Entwickelung der Moosmoore.
Webera nutans, welche mit leichter, brauner und schwam-
miger Masse die Oberfläche einer niedrigen Granitinsel
deckte und dabei zwei Fuss an Mächtigkeit erreichte;
diese Moosmassen werden als Lampendochte verwendet
(Englers botan. Jahrb. Bd. X, S. 390). Es geht daraus
hervor, dass nicht jedes "Moosmoor" zu einem "Hoch-
moor", d. h. zu einem mächtig sich in die Höhe wöl-
benden, auf tiefen Massen von Torf und oft über abge-
storbenen Wald- und Wiesenresten sich aufbauenden
Moore wird, sondern dass die Heranbildung eines Torf-
moores von den Umständen abhängt.

Grisebach hat in einer, von botanischer Seite seitdem noch nicht
wieder so vielseitig durchdachten Abhandlung (Griseb. Abh. S. 52
bis 135) schon im Jahre 1846 über den Aufbau der ausgedehnten
Torflager im Emsgebiet berichtet. Das Auftürmen zu bedeutenderer
Höhe, als das Niveau in der Nähe befindlicher Bäche, und zwar
mit eigenen, in dieser Höhe aus eigenem Moorwasser gespeisten
Moorseen im Gipfel der Wölbung, zeigt die Undurchlässigkeit des
Torfes, in welchem die Selbsterhaltung des Moores begründet ist.
Denn dort bildet Sand den Untergrund unter dem Torfe. "Nicht
stetig und in unbestimmtem Maße wachsen die Hochmoore empor,
sondern nur so lange, bis die durch Bäche auf der Oberfläche ver-
mittelte Entwässerung mit der Befeuchtung der Substanz in Gleich-
gewicht getreten ist. Dann kann, ohne dass der Mensch eingreift,
die Gestalt des Moores sich nicht mehr ändern und neuer Torf
nicht weiter erzeugt werden." Ist dies in voller Ausdehnung richtig,
so würde damit ein Grund gegeben sein, welcher einen Forma-
tionswechsel bedingen und aus dem nassen Moor einen Wald auf
Torfgrund aufbauen könnte. Blytts scharfsinnig durchdachte Theorie
bringt diese Aenderung mit einem Wechsel klimatischer Perioden
in Zusammenhang, welcher die Schichtung so vieler skandinavischer
Torfmoore auf glacialem Grunde mit abwechselnden Wald- und
Moorformationsresten nach trockenen und regenreichen, aus kos-
mischen Gründen wechselnden Zehntausenden von Jahren bewirkte
(vergl. Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung,
S. 222). Da weder alle Moore geschichtet sind, noch auch alle
geschichteten Moore eine gleiche Anzahl von Schichten zeigen, so
scheint es sehr wahrscheinlich, dass die klimatischen Perioden in
Verbindung mit den eigenen, in der Organisation des Moores
liegenden Wechselbedingungen in kombinierte Wirkung treten.

Jedenfalls mag an dieser Stelle auf das hohe Interesse hin-
gewiesen werden, welches die Torfmoore dadurch besitzen, dass
sie die jüngere Florenentwickelung und wechselnde Umgestaltung
von Pflanzenbeständen, welche alle heute im gleichen Florengebiet
vorkommen, in der Prüfung zugänglichen Beweismitteln uns auf-
bewahrt haben.

Entwickelung der Moosmoore.
Webera nutans, welche mit leichter, brauner und schwam-
miger Masse die Oberfläche einer niedrigen Granitinsel
deckte und dabei zwei Fuss an Mächtigkeit erreichte;
diese Moosmassen werden als Lampendochte verwendet
(Englers botan. Jahrb. Bd. X, S. 390). Es geht daraus
hervor, dass nicht jedes „Moosmoor“ zu einem „Hoch-
moor“, d. h. zu einem mächtig sich in die Höhe wöl-
benden, auf tiefen Massen von Torf und oft über abge-
storbenen Wald- und Wiesenresten sich aufbauenden
Moore wird, sondern dass die Heranbildung eines Torf-
moores von den Umständen abhängt.

Grisebach hat in einer, von botanischer Seite seitdem noch nicht
wieder so vielseitig durchdachten Abhandlung (Griseb. Abh. S. 52
bis 135) schon im Jahre 1846 über den Aufbau der ausgedehnten
Torflager im Emsgebiet berichtet. Das Auftürmen zu bedeutenderer
Höhe, als das Niveau in der Nähe befindlicher Bäche, und zwar
mit eigenen, in dieser Höhe aus eigenem Moorwasser gespeisten
Moorseen im Gipfel der Wölbung, zeigt die Undurchlässigkeit des
Torfes, in welchem die Selbsterhaltung des Moores begründet ist.
Denn dort bildet Sand den Untergrund unter dem Torfe. „Nicht
stetig und in unbestimmtem Maße wachsen die Hochmoore empor,
sondern nur so lange, bis die durch Bäche auf der Oberfläche ver-
mittelte Entwässerung mit der Befeuchtung der Substanz in Gleich-
gewicht getreten ist. Dann kann, ohne dass der Mensch eingreift,
die Gestalt des Moores sich nicht mehr ändern und neuer Torf
nicht weiter erzeugt werden.“ Ist dies in voller Ausdehnung richtig,
so würde damit ein Grund gegeben sein, welcher einen Forma-
tionswechsel bedingen und aus dem nassen Moor einen Wald auf
Torfgrund aufbauen könnte. Blytts scharfsinnig durchdachte Theorie
bringt diese Aenderung mit einem Wechsel klimatischer Perioden
in Zusammenhang, welcher die Schichtung so vieler skandinavischer
Torfmoore auf glacialem Grunde mit abwechselnden Wald- und
Moorformationsresten nach trockenen und regenreichen, aus kos-
mischen Gründen wechselnden Zehntausenden von Jahren bewirkte
(vergl. Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung,
S. 222). Da weder alle Moore geschichtet sind, noch auch alle
geschichteten Moore eine gleiche Anzahl von Schichten zeigen, so
scheint es sehr wahrscheinlich, dass die klimatischen Perioden in
Verbindung mit den eigenen, in der Organisation des Moores
liegenden Wechselbedingungen in kombinierte Wirkung treten.

Jedenfalls mag an dieser Stelle auf das hohe Interesse hin-
gewiesen werden, welches die Torfmoore dadurch besitzen, dass
sie die jüngere Florenentwickelung und wechselnde Umgestaltung
von Pflanzenbeständen, welche alle heute im gleichen Florengebiet
vorkommen, in der Prüfung zugänglichen Beweismitteln uns auf-
bewahrt haben.

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[313/0343] Entwickelung der Moosmoore. Webera nutans, welche mit leichter, brauner und schwam- miger Masse die Oberfläche einer niedrigen Granitinsel deckte und dabei zwei Fuss an Mächtigkeit erreichte; diese Moosmassen werden als Lampendochte verwendet (Englers botan. Jahrb. Bd. X, S. 390). Es geht daraus hervor, dass nicht jedes „Moosmoor“ zu einem „Hoch- moor“, d. h. zu einem mächtig sich in die Höhe wöl- benden, auf tiefen Massen von Torf und oft über abge- storbenen Wald- und Wiesenresten sich aufbauenden Moore wird, sondern dass die Heranbildung eines Torf- moores von den Umständen abhängt. Grisebach hat in einer, von botanischer Seite seitdem noch nicht wieder so vielseitig durchdachten Abhandlung (Griseb. Abh. S. 52 bis 135) schon im Jahre 1846 über den Aufbau der ausgedehnten Torflager im Emsgebiet berichtet. Das Auftürmen zu bedeutenderer Höhe, als das Niveau in der Nähe befindlicher Bäche, und zwar mit eigenen, in dieser Höhe aus eigenem Moorwasser gespeisten Moorseen im Gipfel der Wölbung, zeigt die Undurchlässigkeit des Torfes, in welchem die Selbsterhaltung des Moores begründet ist. Denn dort bildet Sand den Untergrund unter dem Torfe. „Nicht stetig und in unbestimmtem Maße wachsen die Hochmoore empor, sondern nur so lange, bis die durch Bäche auf der Oberfläche ver- mittelte Entwässerung mit der Befeuchtung der Substanz in Gleich- gewicht getreten ist. Dann kann, ohne dass der Mensch eingreift, die Gestalt des Moores sich nicht mehr ändern und neuer Torf nicht weiter erzeugt werden.“ Ist dies in voller Ausdehnung richtig, so würde damit ein Grund gegeben sein, welcher einen Forma- tionswechsel bedingen und aus dem nassen Moor einen Wald auf Torfgrund aufbauen könnte. Blytts scharfsinnig durchdachte Theorie bringt diese Aenderung mit einem Wechsel klimatischer Perioden in Zusammenhang, welcher die Schichtung so vieler skandinavischer Torfmoore auf glacialem Grunde mit abwechselnden Wald- und Moorformationsresten nach trockenen und regenreichen, aus kos- mischen Gründen wechselnden Zehntausenden von Jahren bewirkte (vergl. Anleitung zur deutschen Landes- und Volksforschung, S. 222). Da weder alle Moore geschichtet sind, noch auch alle geschichteten Moore eine gleiche Anzahl von Schichten zeigen, so scheint es sehr wahrscheinlich, dass die klimatischen Perioden in Verbindung mit den eigenen, in der Organisation des Moores liegenden Wechselbedingungen in kombinierte Wirkung treten. Jedenfalls mag an dieser Stelle auf das hohe Interesse hin- gewiesen werden, welches die Torfmoore dadurch besitzen, dass sie die jüngere Florenentwickelung und wechselnde Umgestaltung von Pflanzenbeständen, welche alle heute im gleichen Florengebiet vorkommen, in der Prüfung zugänglichen Beweismitteln uns auf- bewahrt haben.

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Zitationshilfe: Drude, Oscar: Handbuch der Pflanzengeographie. Stuttgart, 1890, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/drude_pflanzengeographie_1890/343>, abgerufen am 29.03.2024.