Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885.

Bild:
<< vorherige Seite

waren meine Gegner mit ihren Universitätsrückständigkeiten am
ohnmächtigsten, und es musste ihnen daher besonders ungelegen
sein, mich auch hier entschieden wirken und zu einer wohlbe-
gründeten Anhängerschaft gelangen zu sehen.

Die unfreiwillige Beendigung meiner Wirksamkeit am Vic-
toria-Lyceum hat grade in einem Augenblick stattgefunden, in
welchem ich meinen Gedanken über die höhere Berufsbildung
der Frauen in jenem Vortrag, von dem in der Vorrede zu dieser
Schrift die Rede war, einen kurz zusammenfassenden Ausdruck
gegeben hatte. Ist dieser Vortrag auch nur die blosse Gelegen-
heitsursache zu meiner Beseitigung gewesen, so hätte es doch
geheissen, den Ideen jenes Vortrags und hiemit auch dem ersten
Hauptinhalt der vorliegenden Schrift, also der Sache selbst etwas
vergeben, wenn ich mich hätte der Mühe entziehen wollen, die
übernommene Angelegenheit gegen eine anmaassliche Benehmungs-
art zu wahren. Um überdies allerlei falschen Verbreitungen
über den Hergang entgegenzutreten, habe ich mit eingehender
Genauigkeit die einschlägigen Thatsachen und Briefe in der
ersten Auflage dieser Schrift vorführen müssen. Dieses Stück-
chen von der Art Geschichte, wie sie sonst regelmässig verborgen
bleibt, kann noch in späten Jahren die im Kerne immer wieder
neu werdenden Dinge illustriren. Ich habe es nicht mit Rück-
sicht auf das Leben untergeordneter Figuranten, sondern zur
Zeichnung der maskirten Physionomie der Zustände und der alle-
zeit hiezu gehörigen charakteristischen Vorgänge vorgebracht.
Der inzwischen seit jener ersten Veröffentlichung erfolgte Tod
einzelner Personen, insbesondere der nachfolgenden Hauptbrief-
schreiberin Miss Archer, hat daher an der Beschaffenheit und
Darstellung der Sache nicht das Mindeste ändern können.

Im Herbst 1872 wurde ich von einer Frau Hedwig Dohm,
mit der ich bis dahin nicht bekannt war, aufgefordert, in deren
Hause vor einem von ihr vereinigten Privatcirkel junger Damen
allgemein wissenschaftliche Vorträge zu halten. Es handelte sich
dabei namentlich um eine Anregung zur eignen Thätigkeit und
zur Benutzung der innerhalb der neusten Geistesströmung wich-
tigen literarischen Erscheinungen aus dem Bereich der höheren
Bildungswissenschaft, und der Name Philosophie kam mit seiner
gewöhnlich vorherrschenden metaphysischen Bedeutung meinem
Standpunkt gemäss gar nicht in Frage. Frau Dohm sowie deren
älteste Tochter und die übrigen Mitglieder des Kreises, unter

waren meine Gegner mit ihren Universitätsrückständigkeiten am
ohnmächtigsten, und es musste ihnen daher besonders ungelegen
sein, mich auch hier entschieden wirken und zu einer wohlbe-
gründeten Anhängerschaft gelangen zu sehen.

Die unfreiwillige Beendigung meiner Wirksamkeit am Vic-
toria-Lyceum hat grade in einem Augenblick stattgefunden, in
welchem ich meinen Gedanken über die höhere Berufsbildung
der Frauen in jenem Vortrag, von dem in der Vorrede zu dieser
Schrift die Rede war, einen kurz zusammenfassenden Ausdruck
gegeben hatte. Ist dieser Vortrag auch nur die blosse Gelegen-
heitsursache zu meiner Beseitigung gewesen, so hätte es doch
geheissen, den Ideen jenes Vortrags und hiemit auch dem ersten
Hauptinhalt der vorliegenden Schrift, also der Sache selbst etwas
vergeben, wenn ich mich hätte der Mühe entziehen wollen, die
übernommene Angelegenheit gegen eine anmaassliche Benehmungs-
art zu wahren. Um überdies allerlei falschen Verbreitungen
über den Hergang entgegenzutreten, habe ich mit eingehender
Genauigkeit die einschlägigen Thatsachen und Briefe in der
ersten Auflage dieser Schrift vorführen müssen. Dieses Stück-
chen von der Art Geschichte, wie sie sonst regelmässig verborgen
bleibt, kann noch in späten Jahren die im Kerne immer wieder
neu werdenden Dinge illustriren. Ich habe es nicht mit Rück-
sicht auf das Leben untergeordneter Figuranten, sondern zur
Zeichnung der maskirten Physionomie der Zustände und der alle-
zeit hiezu gehörigen charakteristischen Vorgänge vorgebracht.
Der inzwischen seit jener ersten Veröffentlichung erfolgte Tod
einzelner Personen, insbesondere der nachfolgenden Hauptbrief-
schreiberin Miss Archer, hat daher an der Beschaffenheit und
Darstellung der Sache nicht das Mindeste ändern können.

Im Herbst 1872 wurde ich von einer Frau Hedwig Dohm,
mit der ich bis dahin nicht bekannt war, aufgefordert, in deren
Hause vor einem von ihr vereinigten Privatcirkel junger Damen
allgemein wissenschaftliche Vorträge zu halten. Es handelte sich
dabei namentlich um eine Anregung zur eignen Thätigkeit und
zur Benutzung der innerhalb der neusten Geistesströmung wich-
tigen literarischen Erscheinungen aus dem Bereich der höheren
Bildungswissenschaft, und der Name Philosophie kam mit seiner
gewöhnlich vorherrschenden metaphysischen Bedeutung meinem
Standpunkt gemäss gar nicht in Frage. Frau Dohm sowie deren
älteste Tochter und die übrigen Mitglieder des Kreises, unter

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0074" n="65"/>
waren meine Gegner mit ihren Universitätsrückständigkeiten am<lb/>
ohnmächtigsten, und es musste ihnen daher besonders ungelegen<lb/>
sein, mich auch hier entschieden wirken und zu einer wohlbe-<lb/>
gründeten Anhängerschaft gelangen zu sehen.</p><lb/>
        <p>Die unfreiwillige Beendigung meiner Wirksamkeit am Vic-<lb/>
toria-Lyceum hat grade in einem Augenblick stattgefunden, in<lb/>
welchem ich meinen Gedanken über die höhere Berufsbildung<lb/>
der Frauen in jenem Vortrag, von dem in der Vorrede zu dieser<lb/>
Schrift die Rede war, einen kurz zusammenfassenden Ausdruck<lb/>
gegeben hatte. Ist dieser Vortrag auch nur die blosse Gelegen-<lb/>
heitsursache zu meiner Beseitigung gewesen, so hätte es doch<lb/>
geheissen, den Ideen jenes Vortrags und hiemit auch dem ersten<lb/>
Hauptinhalt der vorliegenden Schrift, also der Sache selbst etwas<lb/>
vergeben, wenn ich mich hätte der Mühe entziehen wollen, die<lb/>
übernommene Angelegenheit gegen eine anmaassliche Benehmungs-<lb/>
art zu wahren. Um überdies allerlei falschen Verbreitungen<lb/>
über den Hergang entgegenzutreten, habe ich mit eingehender<lb/>
Genauigkeit die einschlägigen Thatsachen und Briefe in der<lb/>
ersten Auflage dieser Schrift vorführen müssen. Dieses Stück-<lb/>
chen von der Art Geschichte, wie sie sonst regelmässig verborgen<lb/>
bleibt, kann noch in späten Jahren die im Kerne immer wieder<lb/>
neu werdenden Dinge illustriren. Ich habe es nicht mit Rück-<lb/>
sicht auf das Leben untergeordneter Figuranten, sondern zur<lb/>
Zeichnung der maskirten Physionomie der Zustände und der alle-<lb/>
zeit hiezu gehörigen charakteristischen Vorgänge vorgebracht.<lb/>
Der inzwischen seit jener ersten Veröffentlichung erfolgte Tod<lb/>
einzelner Personen, insbesondere der nachfolgenden Hauptbrief-<lb/>
schreiberin Miss Archer, hat daher an der Beschaffenheit und<lb/>
Darstellung der Sache nicht das Mindeste ändern können.</p><lb/>
        <p>Im Herbst 1872 wurde ich von einer Frau Hedwig Dohm,<lb/>
mit der ich bis dahin nicht bekannt war, aufgefordert, in deren<lb/>
Hause vor einem von ihr vereinigten Privatcirkel junger Damen<lb/>
allgemein wissenschaftliche Vorträge zu halten. Es handelte sich<lb/>
dabei namentlich um eine Anregung zur eignen Thätigkeit und<lb/>
zur Benutzung der innerhalb der neusten Geistesströmung wich-<lb/>
tigen literarischen Erscheinungen aus dem Bereich der höheren<lb/>
Bildungswissenschaft, und der Name Philosophie kam mit seiner<lb/>
gewöhnlich vorherrschenden metaphysischen Bedeutung meinem<lb/>
Standpunkt gemäss gar nicht in Frage. Frau Dohm sowie deren<lb/>
älteste Tochter und die übrigen Mitglieder des Kreises, unter<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[65/0074] waren meine Gegner mit ihren Universitätsrückständigkeiten am ohnmächtigsten, und es musste ihnen daher besonders ungelegen sein, mich auch hier entschieden wirken und zu einer wohlbe- gründeten Anhängerschaft gelangen zu sehen. Die unfreiwillige Beendigung meiner Wirksamkeit am Vic- toria-Lyceum hat grade in einem Augenblick stattgefunden, in welchem ich meinen Gedanken über die höhere Berufsbildung der Frauen in jenem Vortrag, von dem in der Vorrede zu dieser Schrift die Rede war, einen kurz zusammenfassenden Ausdruck gegeben hatte. Ist dieser Vortrag auch nur die blosse Gelegen- heitsursache zu meiner Beseitigung gewesen, so hätte es doch geheissen, den Ideen jenes Vortrags und hiemit auch dem ersten Hauptinhalt der vorliegenden Schrift, also der Sache selbst etwas vergeben, wenn ich mich hätte der Mühe entziehen wollen, die übernommene Angelegenheit gegen eine anmaassliche Benehmungs- art zu wahren. Um überdies allerlei falschen Verbreitungen über den Hergang entgegenzutreten, habe ich mit eingehender Genauigkeit die einschlägigen Thatsachen und Briefe in der ersten Auflage dieser Schrift vorführen müssen. Dieses Stück- chen von der Art Geschichte, wie sie sonst regelmässig verborgen bleibt, kann noch in späten Jahren die im Kerne immer wieder neu werdenden Dinge illustriren. Ich habe es nicht mit Rück- sicht auf das Leben untergeordneter Figuranten, sondern zur Zeichnung der maskirten Physionomie der Zustände und der alle- zeit hiezu gehörigen charakteristischen Vorgänge vorgebracht. Der inzwischen seit jener ersten Veröffentlichung erfolgte Tod einzelner Personen, insbesondere der nachfolgenden Hauptbrief- schreiberin Miss Archer, hat daher an der Beschaffenheit und Darstellung der Sache nicht das Mindeste ändern können. Im Herbst 1872 wurde ich von einer Frau Hedwig Dohm, mit der ich bis dahin nicht bekannt war, aufgefordert, in deren Hause vor einem von ihr vereinigten Privatcirkel junger Damen allgemein wissenschaftliche Vorträge zu halten. Es handelte sich dabei namentlich um eine Anregung zur eignen Thätigkeit und zur Benutzung der innerhalb der neusten Geistesströmung wich- tigen literarischen Erscheinungen aus dem Bereich der höheren Bildungswissenschaft, und der Name Philosophie kam mit seiner gewöhnlich vorherrschenden metaphysischen Bedeutung meinem Standpunkt gemäss gar nicht in Frage. Frau Dohm sowie deren älteste Tochter und die übrigen Mitglieder des Kreises, unter

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt: Texte zur Frauenfrage um 1900 Gießen/Kassel: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-13T16:46:57Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Thomas Gloning, Melanie Henß, Hannah Glaum: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-06-13T16:46:57Z)
Internet Archive: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-06-13T16:46:57Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • Druckfehler: ignoriert
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • i/j nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • I/J nach Lautwert: Lautwert transkribiert
  • Kolumnentitel: nicht übernommen
  • Kustoden: nicht übernommen
  • langes s (ſ): als s transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/74
Zitationshilfe: Dühring, Eugen: Der Weg zur höheren Berufsbildung der Frauen und die Lehrweise der Universitäten. 2. Aufl. Leipzig, 1885, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/duehring_berufsbildung_1885/74>, abgerufen am 24.04.2024.