Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Liebe.
Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin-
dern.

Wo wahre Liebe wohnt; da ist kein Zank und Streit;
Wo dieses Feuer brennt, da paust kein falscher Neid,
Da suchet man auch nicht den Nächsten zu verläum-
den,

Und ihn in Ruh und Glük, aus Misgunst anzu-
feinden.

Die Liebe freuet sich bey eines andern Wohl,
Wenns einem übel geht, da ist sie Traurens voll.
Sie trägt des andern Last; bedekt des andern Feh-
ler,

Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Mähler.
Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult,
Versagt nie, wo sie kan, dem andern ihre Huld:
Sie schliest die Dürftigkeit in ausgespannte Armen,
Und hilft das Elend auf, mit thränenden Erbar-
men.

Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern
plagt,

Und stärkt den der nach Trost in heisser Sehnsucht
fragt:

Sie dienet wo sie kan, und daß ist ihr Vergnügen,
Wenn sie den andern kan ohn Eigennuz besiegen.
Sie brennt in stetem Trieb, und fühlet in der Brust,
Wenn sie dem andern nüzt, drob eine süsse Lust.
O! Tugend möchtest du doch da anjezo thronen,
Wo deine Schüler seyn, das heist wo Christen
wohnen!

Wie glüklich würde denn, wie ruhig unsre Welt,
Die da du bist entfernt, ein elend Krieger-Zelt.
Jhr Christen denket nach! wer will ein Christe
heissen,

Der muß vor allen sich der Liebe recht befleissen;
Wo
Die Liebe.
Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin-
dern.

Wo wahre Liebe wohnt; da iſt kein Zank und Streit;
Wo dieſes Feuer brennt, da pauſt kein falſcher Neid,
Da ſuchet man auch nicht den Naͤchſten zu verlaͤum-
den,

Und ihn in Ruh und Gluͤk, aus Misgunſt anzu-
feinden.

Die Liebe freuet ſich bey eines andern Wohl,
Wenns einem uͤbel geht, da iſt ſie Traurens voll.
Sie traͤgt des andern Laſt; bedekt des andern Feh-
ler,

Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Maͤhler.
Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult,
Verſagt nie, wo ſie kan, dem andern ihre Huld:
Sie ſchlieſt die Duͤrftigkeit in ausgeſpannte Armen,
Und hilft das Elend auf, mit thraͤnenden Erbar-
men.

Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern
plagt,

Und ſtaͤrkt den der nach Troſt in heiſſer Sehnſucht
fragt:

Sie dienet wo ſie kan, und daß iſt ihr Vergnuͤgen,
Wenn ſie den andern kan ohn Eigennuz beſiegen.
Sie brennt in ſtetem Trieb, und fuͤhlet in der Bruſt,
Wenn ſie dem andern nuͤzt, drob eine ſuͤſſe Luſt.
O! Tugend moͤchteſt du doch da anjezo thronen,
Wo deine Schuͤler ſeyn, das heiſt wo Chriſten
wohnen!

Wie gluͤklich wuͤrde denn, wie ruhig unſre Welt,
Die da du biſt entfernt, ein elend Krieger-Zelt.
Jhr Chriſten denket nach! wer will ein Chriſte
heiſſen,

Der muß vor allen ſich der Liebe recht befleiſſen;
Wo
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0208" n="196"/>
          <fw place="top" type="header">Die Liebe.</fw><lb/>
          <l>Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin-<lb/><hi rendition="#et">dern.</hi></l><lb/>
          <l>Wo wahre Liebe wohnt; da i&#x017F;t kein Zank und Streit;</l><lb/>
          <l>Wo die&#x017F;es Feuer brennt, da pau&#x017F;t kein fal&#x017F;cher Neid,</l><lb/>
          <l>Da &#x017F;uchet man auch nicht den Na&#x0364;ch&#x017F;ten zu verla&#x0364;um-<lb/><hi rendition="#et">den,</hi></l><lb/>
          <l>Und ihn in Ruh und Glu&#x0364;k, aus Misgun&#x017F;t anzu-<lb/><hi rendition="#et">feinden.</hi></l><lb/>
          <l>Die Liebe freuet &#x017F;ich bey eines andern Wohl,</l><lb/>
          <l>Wenns einem u&#x0364;bel geht, da i&#x017F;t &#x017F;ie Traurens voll.</l><lb/>
          <l>Sie tra&#x0364;gt des andern La&#x017F;t; bedekt des andern Feh-<lb/><hi rendition="#et">ler,</hi></l><lb/>
          <l>Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Ma&#x0364;hler.</l><lb/>
          <l>Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult,</l><lb/>
          <l>Ver&#x017F;agt nie, wo &#x017F;ie kan, dem andern ihre Huld:</l><lb/>
          <l>Sie &#x017F;chlie&#x017F;t die Du&#x0364;rftigkeit in ausge&#x017F;pannte Armen,</l><lb/>
          <l>Und hilft das Elend auf, mit thra&#x0364;nenden Erbar-<lb/><hi rendition="#et">men.</hi></l><lb/>
          <l>Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern<lb/><hi rendition="#et">plagt,</hi></l><lb/>
          <l>Und &#x017F;ta&#x0364;rkt den der nach Tro&#x017F;t in hei&#x017F;&#x017F;er Sehn&#x017F;ucht<lb/><hi rendition="#et">fragt:</hi></l><lb/>
          <l>Sie dienet wo &#x017F;ie kan, und daß i&#x017F;t ihr Vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie den andern kan ohn Eigennuz be&#x017F;iegen.</l><lb/>
          <l>Sie brennt in &#x017F;tetem Trieb, und fu&#x0364;hlet in der Bru&#x017F;t,</l><lb/>
          <l>Wenn &#x017F;ie dem andern nu&#x0364;zt, drob eine &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;e Lu&#x017F;t.</l><lb/>
          <l>O! Tugend mo&#x0364;chte&#x017F;t du doch da anjezo thronen,</l><lb/>
          <l>Wo deine Schu&#x0364;ler &#x017F;eyn, das hei&#x017F;t wo Chri&#x017F;ten<lb/><hi rendition="#et">wohnen!</hi></l><lb/>
          <l>Wie glu&#x0364;klich wu&#x0364;rde denn, wie ruhig un&#x017F;re Welt,</l><lb/>
          <l>Die da du bi&#x017F;t entfernt, ein elend Krieger-Zelt.</l><lb/>
          <l>Jhr Chri&#x017F;ten denket nach! wer will ein Chri&#x017F;te<lb/><hi rendition="#et">hei&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>Der muß vor allen &#x017F;ich der Liebe recht beflei&#x017F;&#x017F;en;</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Wo</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[196/0208] Die Liebe. Die uns an wahrer Ruh der Seel, des Leibes hin- dern. Wo wahre Liebe wohnt; da iſt kein Zank und Streit; Wo dieſes Feuer brennt, da pauſt kein falſcher Neid, Da ſuchet man auch nicht den Naͤchſten zu verlaͤum- den, Und ihn in Ruh und Gluͤk, aus Misgunſt anzu- feinden. Die Liebe freuet ſich bey eines andern Wohl, Wenns einem uͤbel geht, da iſt ſie Traurens voll. Sie traͤgt des andern Laſt; bedekt des andern Feh- ler, Sezt dem der es verdient, des Lobes Ehren Maͤhler. Die Liebe treibt uns an zur Uebung der Gedult, Verſagt nie, wo ſie kan, dem andern ihre Huld: Sie ſchlieſt die Duͤrftigkeit in ausgeſpannte Armen, Und hilft das Elend auf, mit thraͤnenden Erbar- men. Sie lindert Schmerz und Noth, die einen andern plagt, Und ſtaͤrkt den der nach Troſt in heiſſer Sehnſucht fragt: Sie dienet wo ſie kan, und daß iſt ihr Vergnuͤgen, Wenn ſie den andern kan ohn Eigennuz beſiegen. Sie brennt in ſtetem Trieb, und fuͤhlet in der Bruſt, Wenn ſie dem andern nuͤzt, drob eine ſuͤſſe Luſt. O! Tugend moͤchteſt du doch da anjezo thronen, Wo deine Schuͤler ſeyn, das heiſt wo Chriſten wohnen! Wie gluͤklich wuͤrde denn, wie ruhig unſre Welt, Die da du biſt entfernt, ein elend Krieger-Zelt. Jhr Chriſten denket nach! wer will ein Chriſte heiſſen, Der muß vor allen ſich der Liebe recht befleiſſen; Wo

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/208
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/208>, abgerufen am 20.04.2024.