Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Das GOttes Geist geredt: Man kan das eitle
Wesen,

An jeder Kreatur, an jedem Dinge lesen.
Es ist die Welt ein Land das voller Eitelkeit,
Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit.
Das Aug ist nimmer satt, es will in seinem Se-
hen,

Jemehr es immer sieht, doch immer weiter gehen.
So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnügen
schmekt

So wird er nicht gestillt, vielmehr dadurch erwekt
Und gleichsam angeflammt, dasjenige zu haben,
Das da vermögend ist die Seele recht zu laben.
Ein jeder Mensche merkt im irdischen Gewühl,
Er komme in der Welt nicht zum erwünschten Ziel,
Er müsse immerfort, bei allen seinen Trachten,
Dennoch in dem Genus nach höhern Gute schmach-
ten.

Dies lehrt uns deutlich schon, es sey ohn allen
Streit,

Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit.
Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtsam
siehet,

Der Menschen ihr Geschäft, wornach man sich be-
mühet.

Der eine wühlet stets in einem Element,
Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung
nennt;

Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde,
Mit einem gelben Koth ganz überhäuffet werde.
Er sammlet immer mehr, und wird doch nimmer
satt,

Er wünschet immer mehr, wenn er genug schon
hat.

So
Die Welt ein Land der Eitelkeit.
Das GOttes Geiſt geredt: Man kan das eitle
Weſen,

An jeder Kreatur, an jedem Dinge leſen.
Es iſt die Welt ein Land das voller Eitelkeit,
Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit.
Das Aug iſt nimmer ſatt, es will in ſeinem Se-
hen,

Jemehr es immer ſieht, doch immer weiter gehen.
So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnuͤgen
ſchmekt

So wird er nicht geſtillt, vielmehr dadurch erwekt
Und gleichſam angeflammt, dasjenige zu haben,
Das da vermoͤgend iſt die Seele recht zu laben.
Ein jeder Menſche merkt im irdiſchen Gewuͤhl,
Er komme in der Welt nicht zum erwuͤnſchten Ziel,
Er muͤſſe immerfort, bei allen ſeinen Trachten,
Dennoch in dem Genus nach hoͤhern Gute ſchmach-
ten.

Dies lehrt uns deutlich ſchon, es ſey ohn allen
Streit,

Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit.
Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtſam
ſiehet,

Der Menſchen ihr Geſchaͤft, wornach man ſich be-
muͤhet.

Der eine wuͤhlet ſtets in einem Element,
Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung
nennt;

Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde,
Mit einem gelben Koth ganz uͤberhaͤuffet werde.
Er ſammlet immer mehr, und wird doch nimmer
ſatt,

Er wuͤnſchet immer mehr, wenn er genug ſchon
hat.

So
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0295" n="283"/>
          <fw place="top" type="header">Die Welt ein Land der Eitelkeit.</fw><lb/>
          <l>Das <hi rendition="#fr">GOttes</hi> Gei&#x017F;t geredt: Man kan das eitle<lb/><hi rendition="#et">We&#x017F;en,</hi></l><lb/>
          <l>An jeder Kreatur, an jedem Dinge le&#x017F;en.</l><lb/>
          <l>Es i&#x017F;t die Welt ein Land das voller Eitelkeit,</l><lb/>
          <l>Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit.</l><lb/>
          <l>Das Aug i&#x017F;t nimmer &#x017F;att, es will in &#x017F;einem Se-<lb/><hi rendition="#et">hen,</hi></l><lb/>
          <l>Jemehr es immer &#x017F;ieht, doch immer weiter gehen.</l><lb/>
          <l>So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnu&#x0364;gen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chmekt</hi></l><lb/>
          <l>So wird er nicht ge&#x017F;tillt, vielmehr dadurch erwekt</l><lb/>
          <l>Und gleich&#x017F;am angeflammt, dasjenige zu haben,</l><lb/>
          <l>Das da vermo&#x0364;gend i&#x017F;t die Seele recht zu laben.</l><lb/>
          <l>Ein jeder Men&#x017F;che merkt im irdi&#x017F;chen Gewu&#x0364;hl,</l><lb/>
          <l>Er komme in der Welt nicht zum erwu&#x0364;n&#x017F;chten Ziel,</l><lb/>
          <l>Er mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e immerfort, bei allen &#x017F;einen Trachten,</l><lb/>
          <l>Dennoch in dem Genus nach ho&#x0364;hern Gute &#x017F;chmach-<lb/><hi rendition="#et">ten.</hi></l><lb/>
          <l>Dies lehrt uns deutlich &#x017F;chon, es &#x017F;ey ohn allen<lb/><hi rendition="#et">Streit,</hi></l><lb/>
          <l>Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit.</l><lb/>
          <l>Dies wird noch deutlicher, wenn man bedacht&#x017F;am<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;iehet,</hi></l><lb/>
          <l>Der Men&#x017F;chen ihr Ge&#x017F;cha&#x0364;ft, wornach man &#x017F;ich be-<lb/><hi rendition="#et">mu&#x0364;het.</hi></l><lb/>
          <l>Der eine wu&#x0364;hlet &#x017F;tets in einem Element,</l><lb/>
          <l>Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung<lb/><hi rendition="#et">nennt;</hi></l><lb/>
          <l>Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde,</l><lb/>
          <l>Mit einem gelben Koth ganz u&#x0364;berha&#x0364;uffet werde.</l><lb/>
          <l>Er &#x017F;ammlet immer mehr, und wird doch nimmer<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;att,</hi></l><lb/>
          <l>Er wu&#x0364;n&#x017F;chet immer mehr, wenn er genug &#x017F;chon<lb/><hi rendition="#et">hat.</hi></l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">So</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0295] Die Welt ein Land der Eitelkeit. Das GOttes Geiſt geredt: Man kan das eitle Weſen, An jeder Kreatur, an jedem Dinge leſen. Es iſt die Welt ein Land das voller Eitelkeit, Warum? es fehlt uns hier Ruh und Zufriedenheit. Das Aug iſt nimmer ſatt, es will in ſeinem Se- hen, Jemehr es immer ſieht, doch immer weiter gehen. So gehts mit jedem Sinn, wenn er Vergnuͤgen ſchmekt So wird er nicht geſtillt, vielmehr dadurch erwekt Und gleichſam angeflammt, dasjenige zu haben, Das da vermoͤgend iſt die Seele recht zu laben. Ein jeder Menſche merkt im irdiſchen Gewuͤhl, Er komme in der Welt nicht zum erwuͤnſchten Ziel, Er muͤſſe immerfort, bei allen ſeinen Trachten, Dennoch in dem Genus nach hoͤhern Gute ſchmach- ten. Dies lehrt uns deutlich ſchon, es ſey ohn allen Streit, Die Aendrungs-volle Welt ein Land der Eitelkeit. Dies wird noch deutlicher, wenn man bedachtſam ſiehet, Der Menſchen ihr Geſchaͤft, wornach man ſich be- muͤhet. Der eine wuͤhlet ſtets in einem Element, Das die Vernunft mit Recht der Unruh Nahrung nennt; Er trachtet immerfort daß er mit blanker Erde, Mit einem gelben Koth ganz uͤberhaͤuffet werde. Er ſammlet immer mehr, und wird doch nimmer ſatt, Er wuͤnſchet immer mehr, wenn er genug ſchon hat. So

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/295
Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/295>, abgerufen am 25.04.2024.