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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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daß die Seele nach dem Tode schlaffe.
Von dünner Spreu, von Wind. Ein ungereimt
Gedicht,

Das gegen Warheit liegt, hat ofte mehr Gewicht
Als dieses Gründe hat: man kan es klärlich sehen
Wenn wir was dieser gläubt, und jener meint,
durchgehen.

Nur ein Exempel ist, hie zum Beweis genug,
Als ich einst einen Mann von scharfen Wizze frug,
Jn was vor einen Stand die Seele würde kom-
men,

Wenn sie aus ihren Leib in GOttes Hand ge-
nommen;

Sprach er in einen Schlaf, in eine stille Ruh;
Er sezte zum Beweis den albern Grund hinzu:
Weil ihr die Sinnen fehln; so kan sie auch nicht
denken,

So muß der Schöpfer sie in tieffen Schlaf versen-
ken.

Wenn sie im Körper wohnt; so ist die Denkungs-
kraft,

Die richtige Vernunft, der Seelen Eigenschaft.
Jch sprach: Mein Freund! kehrts um; so wird
sichs besser reimen,

Denn jezt schläft eure Seel, das merk ich aus den
Träumen,

Die sie jezt phantasirt; ihr wißt nicht was ihr
meint

Weil euch als blos im Traum, die Seele schlafend
scheint,

Jch wünsche daß ihr bald von euren Traum erwa-
chet,

Und wachend überdenkt, was ihr vor Grillen ma-
chet.


Die
E 5
daß die Seele nach dem Tode ſchlaffe.
Von duͤnner Spreu, von Wind. Ein ungereimt
Gedicht,

Das gegen Warheit liegt, hat ofte mehr Gewicht
Als dieſes Gruͤnde hat: man kan es klaͤrlich ſehen
Wenn wir was dieſer glaͤubt, und jener meint,
durchgehen.

Nur ein Exempel iſt, hie zum Beweis genug,
Als ich einſt einen Mann von ſcharfen Wizze frug,
Jn was vor einen Stand die Seele wuͤrde kom-
men,

Wenn ſie aus ihren Leib in GOttes Hand ge-
nommen;

Sprach er in einen Schlaf, in eine ſtille Ruh;
Er ſezte zum Beweis den albern Grund hinzu:
Weil ihr die Sinnen fehln; ſo kan ſie auch nicht
denken,

So muß der Schoͤpfer ſie in tieffen Schlaf verſen-
ken.

Wenn ſie im Koͤrper wohnt; ſo iſt die Denkungs-
kraft,

Die richtige Vernunft, der Seelen Eigenſchaft.
Jch ſprach: Mein Freund! kehrts um; ſo wird
ſichs beſſer reimen,

Denn jezt ſchlaͤft eure Seel, das merk ich aus den
Traͤumen,

Die ſie jezt phantaſirt; ihr wißt nicht was ihr
meint

Weil euch als blos im Traum, die Seele ſchlafend
ſcheint,

Jch wuͤnſche daß ihr bald von euren Traum erwa-
chet,

Und wachend uͤberdenkt, was ihr vor Grillen ma-
chet.


Die
E 5
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[73/0085] daß die Seele nach dem Tode ſchlaffe. Von duͤnner Spreu, von Wind. Ein ungereimt Gedicht, Das gegen Warheit liegt, hat ofte mehr Gewicht Als dieſes Gruͤnde hat: man kan es klaͤrlich ſehen Wenn wir was dieſer glaͤubt, und jener meint, durchgehen. Nur ein Exempel iſt, hie zum Beweis genug, Als ich einſt einen Mann von ſcharfen Wizze frug, Jn was vor einen Stand die Seele wuͤrde kom- men, Wenn ſie aus ihren Leib in GOttes Hand ge- nommen; Sprach er in einen Schlaf, in eine ſtille Ruh; Er ſezte zum Beweis den albern Grund hinzu: Weil ihr die Sinnen fehln; ſo kan ſie auch nicht denken, So muß der Schoͤpfer ſie in tieffen Schlaf verſen- ken. Wenn ſie im Koͤrper wohnt; ſo iſt die Denkungs- kraft, Die richtige Vernunft, der Seelen Eigenſchaft. Jch ſprach: Mein Freund! kehrts um; ſo wird ſichs beſſer reimen, Denn jezt ſchlaͤft eure Seel, das merk ich aus den Traͤumen, Die ſie jezt phantaſirt; ihr wißt nicht was ihr meint Weil euch als blos im Traum, die Seele ſchlafend ſcheint, Jch wuͤnſche daß ihr bald von euren Traum erwa- chet, Und wachend uͤberdenkt, was ihr vor Grillen ma- chet. Die E 5

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 73. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/85>, abgerufen am 25.04.2024.