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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747.

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Die Schaubühne der Welt

Als ein getreuer Knecht zu fröhnen,
Wenn sie ihm nur in Huld geneigt.

Er schwört mit hundert tausend Eiden,
Daß er bei allen Woll und Leiden
Jhr stets ergeben und getreu,
Jedoch es heist was bald entstehet,
Verblüht auch bald, verwelkt, vergehet,
Die Liebe ist hier schon vorbey.
Jndem man von der Treue handelt
Da wird die Bühne gleich verwandelt
Die feurge Liebe scheint nun blaß,
Und zeigt in einen Augenblikke
Des Herzens falsche Lust und Tükke,
Jn einen mörderrischen Haß.
Wie ofte wird das noch erfüllet,
Daß wenn die wilde Lust gestillet
An dessen Statt ein Zorn-Feur brennt,
Wie bald wird nicht die Treu verlohren,
Die Menschen doch so theur beschworen,
Wenn sich ihr loses Band zertrennt?
Der Schauplaz sei auch wie er wolle,
So wird doch stets die Heuchler-Rolle,
Darauf nach alter Art gespielt.
Der eine ist durch sein Verstellen
Ein Fürst und Herre der Gesellen,
Den er mit Majestät befiehlt.
Der Schein der angeflammten Lichter,
Die Larven blenden die Gesichter,
Das

Die Schaubuͤhne der Welt

Als ein getreuer Knecht zu froͤhnen,
Wenn ſie ihm nur in Huld geneigt.

Er ſchwoͤrt mit hundert tauſend Eiden,
Daß er bei allen Woll und Leiden
Jhr ſtets ergeben und getreu,
Jedoch es heiſt was bald entſtehet,
Verbluͤht auch bald, verwelkt, vergehet,
Die Liebe iſt hier ſchon vorbey.
Jndem man von der Treue handelt
Da wird die Buͤhne gleich verwandelt
Die feurge Liebe ſcheint nun blaß,
Und zeigt in einen Augenblikke
Des Herzens falſche Luſt und Tuͤkke,
Jn einen moͤrderriſchen Haß.
Wie ofte wird das noch erfuͤllet,
Daß wenn die wilde Luſt geſtillet
An deſſen Statt ein Zorn-Feur brennt,
Wie bald wird nicht die Treu verlohren,
Die Menſchen doch ſo theur beſchworen,
Wenn ſich ihr loſes Band zertrennt?
Der Schauplaz ſei auch wie er wolle,
So wird doch ſtets die Heuchler-Rolle,
Darauf nach alter Art geſpielt.
Der eine iſt durch ſein Verſtellen
Ein Fuͤrſt und Herre der Geſellen,
Den er mit Majeſtaͤt befiehlt.
Der Schein der angeflammten Lichter,
Die Larven blenden die Geſichter,
Das
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[76/0088] Die Schaubuͤhne der Welt Als ein getreuer Knecht zu froͤhnen, Wenn ſie ihm nur in Huld geneigt. Er ſchwoͤrt mit hundert tauſend Eiden, Daß er bei allen Woll und Leiden Jhr ſtets ergeben und getreu, Jedoch es heiſt was bald entſtehet, Verbluͤht auch bald, verwelkt, vergehet, Die Liebe iſt hier ſchon vorbey. Jndem man von der Treue handelt Da wird die Buͤhne gleich verwandelt Die feurge Liebe ſcheint nun blaß, Und zeigt in einen Augenblikke Des Herzens falſche Luſt und Tuͤkke, Jn einen moͤrderriſchen Haß. Wie ofte wird das noch erfuͤllet, Daß wenn die wilde Luſt geſtillet An deſſen Statt ein Zorn-Feur brennt, Wie bald wird nicht die Treu verlohren, Die Menſchen doch ſo theur beſchworen, Wenn ſich ihr loſes Band zertrennt? Der Schauplaz ſei auch wie er wolle, So wird doch ſtets die Heuchler-Rolle, Darauf nach alter Art geſpielt. Der eine iſt durch ſein Verſtellen Ein Fuͤrſt und Herre der Geſellen, Den er mit Majeſtaͤt befiehlt. Der Schein der angeflammten Lichter, Die Larven blenden die Geſichter, Das

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 2. Hildesheim, 1747, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen02_1747/88>, abgerufen am 25.04.2024.