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Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747.

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Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Die wir als Kräfte drin in reger Würkung funden?
Es zeigt sich der Verstand die edle Eigenschaft,
Das Auge unsrer Seel das mit geschärfter Kraft,
So viele Dinge sieht, das weislich überdenket,
Und durch sein helles Licht des Willens Triebe lenket.
Da äusert sich der Wiz die scharfe Fähigkeit,
Die vieles übersieht in einer kurzen Zeit;
Und die Erhalterin der eingedrukten Lehren,
Die wir mit Augen sehn, und mit den Ohren hören.
Jst das Gedächtnis nicht ein Kleinodt das ergözt
Und das uns in den Stand des wahren Glüks ver-
sezt,

Dadurch was längst geschehn, uns gegenwärtig
bleibet,

Wenn man was wichtig ist, demselben einverleibet?
Die Kraft der Einbildung, womit der Geist ge-
ziert,

Jst GOttes Gabe auch, die uns durch Bilder rührt;
Man seh den Willen an, was GOtt darin ge-
gepräget,

Und welche Triebe er zu unsern Wollsein heget:
So sehen wir daraus, daß unsre Seel ein Geist,
Der billig unser Schaz und gröstes Kleinodt heist.
Durch den Verstand sind wir vom Schöpfer aus-
zieret;

Und weil uns die Vernunft mit unsern Thun regie-
ret;

So ist der Vorzug klar der uns vor dem was lebt,
Ja! über jedes Thier in aller Welt erhebt;
Den Geist hat GOttes Macht mit einen Leib ver-
bunden,

Woran so manches Glied; so manches wird gefunden,
Das eine Wollthat heist, die keiner schäzen kan,
Als wer bei dem Gebrauch sieht deren Nuzen an.
Last
T 4
Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes.
Die wir als Kraͤfte drin in reger Wuͤrkung funden?
Es zeigt ſich der Verſtand die edle Eigenſchaft,
Das Auge unſrer Seel das mit geſchaͤrfter Kraft,
So viele Dinge ſieht, das weislich uͤberdenket,
Und durch ſein helles Licht des Willens Triebe lenket.
Da aͤuſert ſich der Wiz die ſcharfe Faͤhigkeit,
Die vieles uͤberſieht in einer kurzen Zeit;
Und die Erhalterin der eingedrukten Lehren,
Die wir mit Augen ſehn, und mit den Ohren hoͤren.
Jſt das Gedaͤchtnis nicht ein Kleinodt das ergoͤzt
Und das uns in den Stand des wahren Gluͤks ver-
ſezt,

Dadurch was laͤngſt geſchehn, uns gegenwaͤrtig
bleibet,

Wenn man was wichtig iſt, demſelben einverleibet?
Die Kraft der Einbildung, womit der Geiſt ge-
ziert,

Jſt GOttes Gabe auch, die uns durch Bilder ruͤhrt;
Man ſeh den Willen an, was GOtt darin ge-
gepraͤget,

Und welche Triebe er zu unſern Wollſein heget:
So ſehen wir daraus, daß unſre Seel ein Geiſt,
Der billig unſer Schaz und groͤſtes Kleinodt heiſt.
Durch den Verſtand ſind wir vom Schoͤpfer aus-
zieret;

Und weil uns die Vernunft mit unſern Thun regie-
ret;

So iſt der Vorzug klar der uns vor dem was lebt,
Ja! uͤber jedes Thier in aller Welt erhebt;
Den Geiſt hat GOttes Macht mit einen Leib ver-
bunden,

Woran ſo manches Glied; ſo manches wird gefunden,
Das eine Wollthat heiſt, die keiner ſchaͤzen kan,
Als wer bei dem Gebrauch ſieht deren Nuzen an.
Laſt
T 4
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[295/0307] Die mannigfaltigen Wollthaten GOttes. Die wir als Kraͤfte drin in reger Wuͤrkung funden? Es zeigt ſich der Verſtand die edle Eigenſchaft, Das Auge unſrer Seel das mit geſchaͤrfter Kraft, So viele Dinge ſieht, das weislich uͤberdenket, Und durch ſein helles Licht des Willens Triebe lenket. Da aͤuſert ſich der Wiz die ſcharfe Faͤhigkeit, Die vieles uͤberſieht in einer kurzen Zeit; Und die Erhalterin der eingedrukten Lehren, Die wir mit Augen ſehn, und mit den Ohren hoͤren. Jſt das Gedaͤchtnis nicht ein Kleinodt das ergoͤzt Und das uns in den Stand des wahren Gluͤks ver- ſezt, Dadurch was laͤngſt geſchehn, uns gegenwaͤrtig bleibet, Wenn man was wichtig iſt, demſelben einverleibet? Die Kraft der Einbildung, womit der Geiſt ge- ziert, Jſt GOttes Gabe auch, die uns durch Bilder ruͤhrt; Man ſeh den Willen an, was GOtt darin ge- gepraͤget, Und welche Triebe er zu unſern Wollſein heget: So ſehen wir daraus, daß unſre Seel ein Geiſt, Der billig unſer Schaz und groͤſtes Kleinodt heiſt. Durch den Verſtand ſind wir vom Schoͤpfer aus- zieret; Und weil uns die Vernunft mit unſern Thun regie- ret; So iſt der Vorzug klar der uns vor dem was lebt, Ja! uͤber jedes Thier in aller Welt erhebt; Den Geiſt hat GOttes Macht mit einen Leib ver- bunden, Woran ſo manches Glied; ſo manches wird gefunden, Das eine Wollthat heiſt, die keiner ſchaͤzen kan, Als wer bei dem Gebrauch ſieht deren Nuzen an. Laſt T 4

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Zitationshilfe: Ebeling, Johann Justus: Andächtige Betrachtungen aus dem Buche der Natur und Schrift. Bd. 3. Hildesheim, 1747, S. 295. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ebeling_betrachtungen03_1747/307>, abgerufen am 23.04.2024.